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       # taz.de -- Christian Wulff und seine Affären: Um den Präsidenten wird es einsam
       
       > Die Opposition verschärft ihre Kritik an Wulff. Selbst in der Koalition
       > verteidigen ihn nur die, die müssen. Jetzt verlangen die Grünen und die
       > SPD eine Stellungnahme Merkels.
       
   IMG Bild: Stille Merkel: Ein Machtwort kommt bisher nur von der Linkspartei.
       
       Die Opposition hat in der Kreditaffäre des Bundespräsidenten den Tonfall
       verschärft. Erstmals zweifelten am Dienstag führende Politiker von SPD und
       Grünen an der Eignung von Christian Wulff für das Präsidentenamt und
       forderten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Stellungnahme auf. Aus der
       Linkspartei kam - ebenfalls zum ersten Mal - eine Rücktrittsforderung.
       
       "Die politische Schonfrist geht zu Ende", sagte
       SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Kein Präsident stehe über
       Recht und Gesetz. Das gelte auch für die Pressefreiheit. "Es ist absolut
       unangemessen, wenn der Bundespräsident versucht, eine freie
       Berichterstattung zu verhindern." Kürzlich war bekannt geworden, dass Wulff
       kritische Berichterstattung der Bild-Zeitung mit Anrufen in der
       Springer-Führungsetage stoppen wollte.
       
       Auch von den Grünen kam härtere Kritik. Bundesgeschäftsführerin Steffi
       Lemke sagte der taz: "Drohanrufe und persönliche Interventionen bei
       Journalisten - ich weiß nicht, wie viel Glaubwürdigkeit Christian Wulff
       noch verlieren will." Es stelle sich die Frage, ob Herr Wulff sein Amt noch
       ausüben könne, sagte Lemke. "Diese Frage richtet sich aber an die Kanzlerin
       und die Koalition: Toleriert Frau Merkel eine solche Vermischung von
       Politik und Privatinteressen? Merkel muss jetzt sagen, ob sie einen
       Präsidenten halten und unterstützen will, der offenbar häufiger in
       Grauzonen agiert hat."
       
       ## CDU-Landeschefs sind lieber leise
       
       In der Koalition bröckelte unterdessen der ohnehin schon dürftige Rückhalt
       für Wulff weiter. Auf taz-Anfrage wollten sich mehrere CDU-Landeschefs
       nicht zu der Affäre äußern, auch Bundesspitzen wie Arbeitsministerin Ursula
       von der Leyen lehnten Kommentare ab. Hermann Gröhe stellte sich hingegen
       demonstrativ hinter den Bundespräsidenten - als Generalsekretär ist dies
       allerdings seine Aufgabe. Er forderte in der Süddeutschen Zeitung, Wulffs
       Entschuldigung für die Anrufe zu akzeptieren. "Diese Entschuldigung wurde
       angenommen. Das sollte nun auch von allen respektiert werden."
       
       FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, es liege am Präsidenten selbst,
       "die entstandenen Irritationen aus dem Weg zu räumen". Er sei
       zuversichtlich, fügte Döring immerhin hinzu, dass das gelingen werde. Das
       klingt eher nach verkappter Drohung als nach Unterstützung. Übrig blieb von
       dem Tag die Erkenntnis: Nur noch die Koalitionspolitiker unterstützen
       Wulff, die qua Amt müssen.
       
       ## Linkspartei fordert als erste den Rücktritt
       
       Auffällig ist auch, dass sich die Stimmung in der Opposition ändert. Bisher
       vermieden alle, den Rücktritt des Präsidenten zu fordern oder ihn allzu
       forsch anzugreifen. Es wurde über Wulffs Fehler räsoniert, die
       scheibchenweise Informationsstrategie angeprangert und restlose Aufklärung
       gefordert - aber in moderatem Tonfall. Jetzt legte
       Linkspartei-Fraktionsvize Ulrich Maurer dem Präsidenten erstmals den
       Rücktritt nahe. "Erst die Kreditaffäre und jetzt die Medienaffäre - das Maß
       ist voll, der Bundespräsident muss die Konsequenzen ziehen."
       
       SPD und Grüne scheuen aber weiter vor dem Ruf nach einer Demission zurück.
       Für ihre Beißhemmung haben sie Gründe, die nur hinter vorgehaltener Hand
       genannt werden: Man wolle der Koalition keinen Anlass für Gegenattacken
       geben, die dann den eigentlichen Sachverhalt verschleiern, heißt es in den
       Parteien. Außerdem führten Rücktrittsforderungen dazu, dass sich die
       Koalition erst recht hinter ihren Präsidenten stelle. Einen Präsidenten
       ernsthaft unter Beschuss zu nehmen, sei zudem eine Grenzverletzung, sagt
       ein SPD-Stratege. "Bis vor Kurzem dachten viele Menschen im Lande noch, da
       wird ein im Grunde netter Präsident von den Medien gemobbt. Aber diese
       Stimmung kippt gerade."
       
       3 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neues aus der niedersächsischen Provinz: Belohnte Wulff fleißige Unterstützer?
       
       Eine Mittelständlerin wurde unter Ministerpräsident Christian Wulff in den
       Aufsichtsrat der Nord/LB entsandt. Eine ihrer Qualifikationen: Sie ist die
       Tochter eines CDU-Spendensammlers.
       
   DIR Wulffs TV-Interview: Der kriechende Präsident
       
       In einem Fernsehinterview verteidigt sich Christian Wulff gegen die
       Vorwürfe der vergangenen Wochen und sucht nach Mitleid. Von vielen Fehlern
       rückt er nicht ab.
       
   DIR Fernsehinterview des Bundespräsidenten: Schweigen, Stammeln, Selektieren
       
       Statt einer erneuten öffentlichen Erklärung gibt Christian Wulff ein
       Interview. Immer im Blick: Wie Vor-Vorgänger Johannes Rau seine Affäre
       überstanden hat.
       
   DIR Wulff-Affäre: Der Präsident will sich erklären
       
       Christian Wulff wird am Mittwochabend eine weitere persönliche Erklärung
       abgeben. Genau das hatte Kanzlerin Merkel zuvor gefordert.
       
   DIR Wulff weiter unter Druck: Die sich äußern sollten, schweigen
       
       Während die Opposition nach Erklärungen drängt und Merkel zur Stellungnahme
       auffordert, schweigt Bundespräsident Wulff. Aus seiner Umgebung berichten
       Stimmen, er wolle bleiben.
       
   DIR Kommentar Christian Wulff: Der impotente Präsident
       
       Warum nicht gleich von der "Bild" den Bundespräsidenten bestimmen lassen?
       Chefredakteur Kai Diekmann scheint es ja nicht unwichtig zu sein, wer im
       Amt ist.
       
   DIR Häme für den Bundespräsidenten im Netz: Der Milchbubi als Bild-Erpresser
       
       Während der Druck auf Christian Wulff wächst, macht sich das Netz über ihn
       lustig. Beispielsweise mit Mutmaßungen, was er wohl auf die Mailbox von
       "Bild"-Chef Diekmann sprach.
       
   DIR Springer und der Bundespräsident: Spielen mit der Maus
       
       In der Causa Wulff spielt die "Bild"-Zeitung eine zentrale Rolle ohne sie
       selbst einzunehmen. Und sie sah die Zukunft schon lange voraus.
       
   DIR Der Bundespräsident und die Medien: Wulff drohte auch "Welt am Sonntag"
       
       Offenbar hat der Bundespräsident bereits vor einem halben jahr versucht,
       einen Artikel über seine Familie zu verhindern. Unklar bleibt bis heute,
       warum er das tat.
       
   DIR Anzeige gegen Wulffs Ex-Sprecher: Glaesekers Gratisurlaube werden geprüft
       
       Die angeblichen Gratisurlaube von Wulffs ehemaligem Sprecher werden von der
       Staatsanwaltschaft geprüft. Auch gegen Wulff liegen mehrere Anzeigen vor -
       aber noch wird nicht ermittelt.