URI: 
       # taz.de -- Soja-Forscher Dieter Trautz über neue Proteinquellen: "Es geht nur ums Eiweiß"
       
       > Der Wissenschaftler baut in Osnabrück Sojabohnen an, um herauszufinden,
       > ob sie mittelfristig Europas Protein-Mangel decken können.
       
   IMG Bild: Im Zuge der subventionierten Vermaisung etwas ins Hintertreffen geraten: Soja-Anbau.
       
       taz: Herr Trautz, wer Soja hört, denkt zuerst an transgene Pflanzen. 
       
       Dieter Trautz: Das ist richtig. Transgene Soja wird weltweit in großem Stil
       angebaut.
       
       Und Sie wollen die jetzt in Deutschland einführen? 
       
       Im Gegenteil. Das ist einer der Gründe, warum wir in die Soja eingestiegen
       sind: Die gesellschaftliche Diskussion zeigt ja, dass gentechnisch
       veränderte Pflanzen in der Bundesrepublik im Moment keine hohe Akzeptanz
       finden. Das heißt: Wenn wir Qualitätsprogramme fahren wollen, wenn wir den
       Verbraucherwünschen entgegenkommen wollen, dann müssen wir sicher stellen,
       dass wir Produkte mit garantiert gentechnikfreier Soja herstellen können …
       
       …für sauberen Tofu und Bio-Milch? 
       
       Wir kommen hier zwar aus dem ökologischen Landbau, aber das ist eine Frage,
       die weit über diesen Bereich hinausreicht. Ich weiß nicht, inwiefern Sie
       die Regional-Initiativen aus Bayern kennen. Die haben Futterprogramme im
       konventionellen Bereich, bei denen ganz klar gesagt wird: Verbraucher, hier
       ist keine gentechnisch veränderte Soja drin. Deshalb kostet die Milch ein
       paar Cent mehr.
       
       Bekommt man das denn noch, gentechnikfreie Soja? 
       
       Doch, es gibt in Südamerika durchaus noch Gebiete, von wo man
       gentechnikfreie Soja beziehen kann. Wir haben natürlich hier das Problem
       des Grenzwertes. Der liegt bei einem Prozent: Ein Prozent gentechnisch
       veränderte Soja darf dabei sein.
       
       Gar nicht so wenig … 
       
       Ja, und dann gilt es trotzdem noch als gentechnikfrei! Wir sagen dagegen -
       also vor allem der ökologische Landbau sagt: Gentechnikfreie Soja, das ist
       unser Ding. Wir wollen komplett ohne Gentechnik arbeiten.
       
       Haben Sie nicht Sorge, dass Sie durchs Etablieren der Soja als
       Kulturpflanze hier ein Hintertürchen fürs transgene Saatgut aufstoßen? Beim
       Mais hat Monsanto das ja auch versucht … 
       
       Versucht haben Sies. Aber bislang ohne Erfolg.
       
       Besteht die Gefahr bei Soja nicht grundsätzlich auch? 
       
       Nein, das sehe ich so nicht, weil wir hier auf jeden Fall höhere
       Produktionskosten haben. Transgene Soja hier anzubauen - das würde ja genau
       den Vorteil negieren, den der Anbau hier haben kann. Dann kann ich die Soja
       billiger im Ausland kaufen.
       
       Jetzt sind Sie dafür mit dem Soja-Anbau so weit in den Norden gerückt, wie
       noch nie … 
       
       … das stimmt nicht ganz. Wir sind hier nicht der nördlichste Standort. Der
       nördlichste ist im Moment bei Celle, also etwas nordöstlich von uns. Und
       wahr ist, dass wir hier in Niedersachsen das Bundesland sind, in dem Soja
       in Deutschland ziemlich weit im Norden ausprobiert wird. Man hat Soja aber
       auch schon in Schweden und in Dänemark angebaut. Nur der Ertrag wird immer
       geringer.
       
       Wie viel braucht man, damit es sich lohnt? 
       
       Wir würden gerne auf 30 Doppelzentner pro Hektar kommen. Das ist die Menge,
       die man im Weltdurchschnitt hat. Bei einigen Sorten ist uns das auch
       gelungen, bei anderen lagen wir etwas drunter. Und wenn Sie zu den Kollegen
       nach Süddeutschland gehen, dann haben die im Versuch Erträge von 50
       Doppelzentnern und mehr. Das ist schon ein Unterschied.
       
       Aber dann haben Sie ja jetzt schon das Ziel erreicht - obwohl das Projekt
       drei Jahre laufen sollte, und das obwohl das Wetter mies war! 
       
       Wir sind in unserem Tun bestärkt worden. So ungünstig war das Jahr für die
       Soja allerdings gar nicht. Wir hatten ein relativ warmes Frühjahr, ein
       bisschen wenig Wasser vielleicht, und dann im Sommer …
       
       … viel Wasser. 
       
       Ja: ausreichend Niederschläge.
       
       Aber was bleibt dann für 2012 noch zu tun? 
       
       Ein Jahr ist kein Jahr im Versuch.
       
       Aber richtig Rückschläge gab es keine? 
       
       Nein, eigentlich nicht. Sicher haben wir dieses Jahr auch Dinge gemacht,
       die wir nächstes Jahr anders machen werden.
       
       Welche? 
       
       Ach das sind ganz einfach produktionstechnische Details, so wie wenn Sie
       beim Kochen ein Rezept ausprobieren und merken: Beim nächsten Mal muss ich
       die Zwiebeln feiner schneiden, oder das Fleisch früher einlegen. Da gehts
       ums Lernen mit der Praxis.
       
       Ja und? Wo haben Sie das Fleisch zu spät eingelegt? 
       
       Kann ich so nicht sagen: Da gehts um Fragen wie: Wie nah kann ich mit der
       Maschine ran an die Pflanze, oder sind 65 oder 68 Körner Saatgut pro
       Quadratmeter richtig. Neu im kommenden Jahr werden wir Untersuchungen
       machen zur Direktsaat von Soja …
       
       …also ohne vorheriges Umpflügen … 
       
       Und dann steht der Zusammenhang von Schwefelbedarf und Aminosäuren-Muster
       auf dem Programm. Um so eine Sache richtig beurteilen zu können, muss man
       das einfach längerfristig machen. Wir haben auch nicht erst 2011
       angefangen: Das Projekt läuft über drei Jahre, und es hatte eine
       Vorlaufphase von drei Jahren. In denen haben wir bereits Soja angebaut, und
       die Vorergebnisse haben gezeigt: Da steckt ein Potenzial drin. Wir gehen
       iterativ vor, das heißt, wir nähern uns schrittweise dem Optimum an.
       Begonnen haben wir mit einer Auswahl von Sorten, in diesem Jahr …
       
       Sie hier in Osnabrück? 
       
       Nicht nur! Da steckt eine ganze Reihe von Instituten dahinter. Finanziert
       ist das Projekt durchs Bundeslandwirtschaftsministerium …
       
       … mit 600.000 Euro. 
       
       Die Forschungssumme ist inzwischen höher, das sind jetzt schon mindestens
       800.000 Euro. Und die Durchführung liegt bei drei unterschiedlichen
       Konsortien. Im Pflanzenbau arbeiten wir hier mit Witzenhausen, also der
       Universität Kassel, zusammen, und wir hier in Osnabrück sind die
       Koordinatoren dafür. Dann haben wir im Bereich der Züchtungen die
       Universität Göttingen und die in Hohenheim. Und dann haben wir noch das
       FiBL, Forschungsinstitut biologischer Landbau aus Frankfurt, das Julius
       Kühn Institut, ein Bundesinstitut. Es sind Anbauverbände mit dabei,
       Landwirtschaftskammern, Landesämter - insgesamt sind das sicher 20
       Institutionen, die in diesem Verbundprojekt zusammenarbeiten.
       
       Heißt: An das Projekt knüpfen sich große Hoffnungen? 
       
       Wie gesagt, die Forschung ist nicht allein auf den ökologischen Landbau
       bezogen. Das ist für die gesamte Landwirtschaft interessant. Denn beim
       Anbau von der Soja gibt es keinen großen Unterschied zwischen konventionell
       und ökologisch. Stickstoff wird nicht hinzu gedüngt, das macht die Pflanze
       selber. Nur die Beikrautregulierung ist eine andere: Die ökologische ist
       mechanisch, die konventionelle Soja wird mit Herbiziden bearbeitet. Aber
       ansonsten ist die Anbaustrategie die gleiche.
       
       Und gehts dabei um Öl für Bio-Treibstoff, oder um das Eiweiß? 
       
       Es geht nur ums Eiweiß, um den Gehalt an hochwertigen Proteinen: Wir haben
       in Deutschland eine Eiweißlücke.
       
       Deutschland deckt seinen Bedarf nicht? 
       
       Genau. Mehr als 70 Prozent der Eiweißfuttermittel werden eingeführt in
       Deutschland.
       
       Das heißt die CO2-Bilanz wird auch besser? 
       
       Einmal verkleinert der Anbau hier den CO2-Footprint, dann sind die
       Nährstoffflüsse anders: Viel Soja wird ja in Brasilien und Nordamerika
       produziert. Dort werden die Nährstoffe zugegeben, hier haben wir dann einen
       Überschuss. Alles was wir hier im Kreislauf halten, entlastet unsere
       Nährstoff-Bilanz. Außerdem: Wenn wir einen Teil der Eiweißversorgung hier
       bei uns sicherstellen können, leistet das auch einen Beitrag zum Einkommen
       der Landwirte. Das sind im Moment Nischenmärkte. Hinzu kommt die
       Verbesserung der Fruchtfolge.
       
       Die schont die Böden? 
       
       Das sichert oder verbessert sogar die Bodenfruchtbarkeit. Im Prinzip bietet
       die Soja eine ganze Menge von Vorteilen.
       
       Aber sie kommt ja nun mal nicht von hier. Ist das nicht ein Problem? 
       
       Sie meinen, dass sie auswildert und wie zum Beispiel der Bärenklau in der
       freien Natur alles andere verdrängt?
       
       So in etwa. 
       
       Das kann mit der Soja nicht passieren. Die lebt im Agrarbereich gut und da
       kann sie gedeihen, wenn wir sie schützen und sie päppeln. Aber die wird
       nicht Ihren Hausgarten besetzen.
       
       Auch weil sie beimpft werden muss? 
       
       Sie wächst auch ohne Impfung, aber dann wären die Erträge nur halb so hoch.
       Ungeimpfte Soja anzubauen, das macht keinen Sinn. Wir haben zwar andere
       Hülsenfrüchtler, sogenannte Leguminosen - aber die haben auch andere
       Stickstoffbakterien. Also muss ich die Soja beimpfen, und im Moment noch
       jedes Jahr, eben weil sie neu im System ist. Aber genau das ist aus unserer
       Sicht auch eine Chance. Denn im Moment dreht sich in der Fach-Diskussion
       viel um die Frage, wie wir die Biodiversität im Agrar-Ökosystem erhöhen.
       Unsere blauen Kartoffeln sind dafür ein anderes Beispiel.
       
       Die stammen aus einem anderen Projekt, da gings um dieses Antho-…? 
       
       …um anthocyanhaltige Kulturpflanzen: Anthocyane sind sekundäre
       Inhaltsstoffe, die antioxidativ wirksam sind. Also vereinfacht: Sie essen
       blaue Kartoffeln und tun damit etwas für die Gesundheit. Das sind aber auch
       Sorten, die wir sonst nie hier gehabt haben. Der Anbau erhöht die
       Biodiversität und verbessert die Fruchtfolge. Das erwarten wir bei Soja
       auch. Dann hat sie hier kaum Schädlinge, es gibt zwar den Distelfalter und
       einige pilzliche Erkrankungen - aber die verursachen zur Zeit keine großen
       wirtschaftlichen Schäden, anders als beim Maiswurzelbohrer bei dessen
       Auftreten die befallenen Flächen gesperrt werden müssen, weil wir ihn nicht
       bekämpfen können. Auch bekommen wir keine neuen Schädlinge mit der Soja,
       eher nehmen sich bereits vorhandene der Soja an.
       
       Das lässt sich so bestimmt prognostizieren? 
       
       Wenn, dann müsste ja der Schädling importiert werden. Aber hier geht es um
       unsere Soja, die bauen wir hier an, die kommt nicht mit dem Schiff hierher.
       Außerdem wird die Soja hier nicht so in den Mittelpunkt rücken, wie in
       Südamerika: Das senkt das Risiko für Krankheiten oder Schädlingsbefall. Sie
       hat also eine Menge sehr guter Eigenschaften - und wir glauben, dass sie
       ins Ökosystem gut reinpasst.
       
       Und woran erkennen Sie das? 
       
       Weil sie wächst. Das ist ganz einfach. Sie wächst, sie bringt Ertrag, und
       in Süddeutschland gedeihen die Pflanzen, die wir momentan haben, nicht
       schlechter als in Brasilien oder Nordamerika. Das heißt, die ökologische
       Nische für die Soja ist da.
       
       Wozu brauchts denn dann noch Forschung? 
       
       Was wir jetzt versuchen, ist, diese Nische zu vergrößern, indem wir über
       Züchtung und Pflanzenbau die Faktoren verbessern, die sonst das Wachstum
       limitieren. Das heißt in erster Linie, dass sie eine geringere
       Temperatursumme brauchen soll, um reif zu werden. Letztlich ist das schon
       das ganze Geheimnis: Die wächst hier, die setzt auch Schoten an, aber sie
       muss halt auch reif werden. Wenn sie nicht reif wird, nutzt es nichts, dass
       sie schön gewachsen ist.
       
       Klar. Dann wär ja alles umsonst. 
       
       Auch der Grund, warum wir mit der Soja angefangen haben ist letztlich der
       Klimawandel: Weil wir gesehen haben …
       
       … es wird wärmer. 
       
       Ja. Das ist generell eine Bedrohung für viele landwirtschaftliche
       Kulturpflanzen. Und was wir machen, ist letztlich eine Adaption an sich
       ändernde Klimabedingungen, also zu prüfen, ob andere Kulturpflanzen unter
       denen bei uns im System eine Chance haben. Durum-Weizen zum Beispiel. Den
       gab es bislang auch hauptsächlich im Süden. Für mich als Süddeutschen ist
       das natürlich besonders erfreulich, wenn ich meine Nudeln und Spätzle mit
       dem selbst angebauten Hart-Weizen machen kann.
       
       Das heißt auch, dass man im Vorgriff auf den Klimawandel keine
       Forschungsgelder in die herkömmlichen europäischen Eiweißlieferanten
       investiert -sondern gezielt die Soja promotet, wie die USA in den
       1920er-Jahren? 
       
       Es ist ein Komplex von Fragen: Was in der Landwirtschaft passiert, ist
       stark von Förderprogrammen beeinflusst. Von daher ist interessant, wie die
       Eiweißstrategie aussehen wird, die Teil der neuen europäischen Agrarpolitik
       sein soll: Wenn es finanzielle Unterstützung für den Anbau von Leguminosen
       gibt, müssten die natürlich für Erbsen, Bohnen, Lupinen und Luzerne auch
       gelten - das heißt, dann würden sich auch mehr Landwirte für deren Anbau
       interessieren. Und mit einer erhöhten Nachfrage würde sich da auch etwas in
       der Züchtung tun. Das ist die politische Dimension. Es gibt aber eben auch
       qualitative Vorteile.
       
       Welche? 
       
       Die Aminosäuren sind andere. Der Futterwert der Soja ist deutlich besser
       als der von beispielsweise Erbsen - das ist ein Vorteil, auch wenn die Soja
       nicht direkt verfüttert werden kann: Wenn ich in die Tierernährung will,
       muss ich die Soja erst thermisch aufbereiten.
       
       Also rösten? 
       
       Ja. Deshalb wird da auch über kleine dezentrale Toast-Anlagen nachgedacht -
       damit die hier produzierte Soja nicht wieder lange Wege hin und zurück
       transportiert werden muss. Das wäre nicht sinnvoll. Aber um sie als
       Tierfutter einzusetzen, muss ich die Soja aufbereiten, beispielsweise
       rösten. Erst dann habe ich die volle Kraft der Bohne.
       
       28 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
   DIR BMBF
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Forschung in den neuen Bundesländern: Aufbau Ost mit Lupinen
       
       Ob Ultrakurzpuls-Laser aus Jena oder Organische Elektronik aus Dresden –
       das Programm „Unternehmen Region“ fördert seit 15 Jahren.
       
   DIR Freisetzung veränderter Pflanzen: Gentechsoja auf EU-Feldern
       
       Monsanto will jetzt seine herbizidresistente Gentechsoja auch in der EU
       anbauen lassen. Die Europäische Lebensmittelbehörde hat schon ihr Okay
       gegeben.
       
   DIR Urteil zu Gentechnik: Lästig und teuer
       
       Verunreinigte Saaten wurden zu Recht vernichtet, so das
       Bundesverwaltungsgericht. Ein Urteil des hessischen Verwaltungsgerichts ist
       damit aufgehoben.