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       # taz.de -- Mubarak-Prozess erneut vertagt: Ernüchterung in Kairo
       
       > Ein Anwalt der Opfer kritisiert die Verfahrensführung und verschwundene
       > Beweise. Mit einem tragfähigen Urteil gegen den Ex-Diktator rechnet er
       > nicht mehr.
       
   IMG Bild: Angehörige von getöteten Demonstranten am Prozesstag in Kairo.
       
       KAIRO taz | Nach einer dreimonatigen Unterbrechung ist am Mittwoch der
       Prozess gegen den ehemaligen ägyptischen Diktator fortgesetzt worden.
       Eingewickelt in eine grüne Decke wurde der 83jährige Hosni Mubarak auf
       einer Krankenliege vom Hubschrauber in einen Krankenwagen umgeladen.
       
       Das kurze Bild im staatlichen Fernsehen ist das erste, das die Ägypter seit
       Ende September von ihrem ehemaligen Präsidenten erhaschen konnten. Denn
       solange hatte das Verfahren gegen ihn pausiert, bevor es jetzt wieder
       aufgenommen wurde, um erneut bis zum 2. Januar vertagt zu werden. Ein
       Befangenheitsantrag gegen den Richter Ahmad Refaat, dessen Bruder
       hochrangiges Mitglied der ehemaligen Regierungspartei Mubaraks war, war
       zuvor abgelehnt worden.
       
       Rund 5.000 Soldaten und Polizisten sicherten das Verhandlungsgebäude
       weiträumig ab und trennten Anhänger und Gegner Mubaraks voneinander. An
       früheren Prozesstagen war es wiederholt zu Handgreiflichkeiten gekommen.
       Auch diesmal versammelten sich Demonstranten rund um die Polizeiakademie am
       Rande Kairos und auf dem Tahrir-Platz.
       
       "Wie zu erwarten, ist wieder nichts passiert", schimpft Ashraf Aglan
       gegenüber der taz. Er ist einer der Anwälte, die die Familien vertreten,
       die während des Aufstandes gegen Mubarak Angehörige verloren haben. "Das
       Ganze ist eine große Show", sagt er. Die herrschende Militärführung besitze
       nicht den politischen Willen, das Land zu verändern. Das zeige sich auch
       deutlich an der Art, wie der Prozess geführt werde - schleppend und
       intransparent, glaubt der Anwalt, der fließend deutsch spricht, weil er in
       Osnabrück internationales Privatrecht studiert hat.
       
       ## Gelder aus dem Ausland zurückfordern
       
       Problematisch sei beispielsweise, dass zwei unterschiedliche Delikte,
       nämlich der Vorwurf, dass Mubarak für den Tod von 840 Menschen
       verantwortlich sei sowie der Vorwurf der Korruption in ein und demselben
       Prozess zusammengeführt worden seien. Letzeres habe man nur gemacht, um die
       Gelder aus dem Ausland zurückfordern zu können. "Auf dieser Grundlage von
       zwei Verfahren in einem kann man nicht zu einem juristisch tragfähigen
       Urteil kommen", meint Aglan.
       
       Problematisch sei auch, dass Beweismaterial, eine CD mit Telefongesprächen,
       die die damalige Befehlskette für den Schußbefehl gegen Demonstranten
       nachgewiesen hätte, vernichtet worden sei. "Man muss sich das vorstellen,
       Beweismittel wurden vom Innenministerium aufbewahrt, jener Instanz, die mit
       unter Anklage steht", empört sich der Anwalt.
       
       Außerdem hätten die Zeugenaussagen, wie die des heutigen Chefs des
       Militärführung Muhammad Tantawi, dem widersprochen, was sie zuvor gegenüber
       der Staatsanwaltschaft angegeben hätten. Dies habe zu kleinerlei
       Konsequenzen geführt.
       
       ## Protest gegen "Prozess-Theater"
       
       Fathi Abdel Gawad steht vor dem Eingang zur Kairoer Polizeiakademie. Er hat
       während des Aufstandes gegen Mubarak seinen Sohn verloren. Er war 18 Jahre
       alt und wollte gerade sein Abitur machen, erzählt der Vater. "Ich bin aus
       Alexandria gekommen, um gegen dieses Prozess-Theater zu protestieren", sagt
       er. "Seit Beginn der Untersuchungen, als die Staatsanwaltschaft mit uns
       gesprochen hat, wussten wir, dass das eine Komödie ist. Die Militärführung
       will die Revolution einfach einschläfern," glaubt er.
       
       "Es ist klar, dass deren Chef Tantawi neben Mubarak in den gleichen
       Anklage-Käfig gehört, schließlich gehört er auch zu der Mubarak-Mafia",
       fordert er. Ein mildes Urteil würde er niemals akzeptieren. Im Falle einer
       Verurteilung wegen der Tötung von Demonstranten droht Mubarak die
       Todesstrafe.
       
       "Leider kann Mubarak nicht mehrfach exekutiert werden", sagt er.
       "Vielleicht wird die zukünftige gewählte Regierung statt diesem von Tantawi
       aufgeführten Theaterstück einen echten Prozess gegen Mubarak einleiten",
       hofft er. Denn eines sei für ihn völlig klar. "Wir werden niemals erlauben,
       dass das Blut der Opfer des Aufstandes gegen Mubarak umsonst geflossen
       ist."
       
       28 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim Gawhary
   DIR Karim El-Gawhary
       
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