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       # taz.de -- Wahlkampfthriller "The Ides of March": Vogelzwitschern nach Grundsatzrede
       
       > George Clooneys neuer Film "The Ides of March - Tage des Verrats" als
       > Charakterstudie des Homo politicus: Ryan Gosling spielt einen
       > aufstrebenden Pressesprecher.
       
   IMG Bild: Ein paar Illusionen hat er noch zu verlieren: Ryan Gosling in "The Ides of March".
       
       Der kurze Zeitraum zwischen der Präsidentschaftswahl 2008 und der
       Verabschiedung von Obamas Gesundheitsreform im März 2010 wird für längere
       Zeit wohl die letzte Phase amerikanischer Politik gewesen sein, die von so
       etwas wie Aufbruchsstimmung und Optimismus geprägt war.
       
       Den Normalzustand beschreibt George Clooneys vierte Regie-Arbeit "Ides of
       March - Tage des Verrats". Von der gezielten Verleumdung über
       Hinterzimmer-Taktierereien bis zum unverhohlenen Postengeschacher zieht er
       alle politischen Register.
       
       Schauplatz ist der Bundesstaat Ohio; es geht um die Vorausscheidung für den
       demokratischen Präsidentschaftswahlkampf. "As goes Ohio, so goes the
       nation", heißt es im amerikanischen Politjargon. "The Ides of March"
       interessiert sich gar nicht so sehr für eine Zustandsbeschreibung der
       Nation; der Film versucht sich vielmehr an einer Charakterstudie des Homo
       politicus.
       
       Clooney selbst spielt den Präsidentschaftskandidaten Mike Morris, einen
       charismatischen Politprofi, der es mit radikalen Forderungen zum linken
       Quotenbringer im demokratischen Wahlkampf gebracht hat.
       
       ## Für eine bessere Politik
       
       Die Vorstellung von Clooney als Präsident bedient natürlich Sehnsüchte, die
       viel mit seinen persönlichen politischen Standpunkten zu tun haben und
       zugleich an seine Starpersona gekoppelt sind. Denn Clooney hat in den
       vergangenen Jahren sein Image bewusst nach dem Vorbild klassischer
       Hollywoodgrößen modelliert.
       
       Er steht sozusagen für eine bessere Politik und ein besseres Kino. Es liegt
       also nicht ganz zufällig ein leicht missionarischer Geist über "The Ides of
       March". Unweigerlich muss man an die Filme Frank Capras denken.
       
       Clooney hat gut daran getan, die zweite zentrale Figur des Films mit einem
       vielversprechenden Darsteller zu besetzen. Ryan Gosling verfügt als
       aufstrebender Pressesprecher Stephen Meyers über einen ähnlich einnehmenden
       Charme wie Clooney. Meyers ist mit einem grenzenlosen Idealismus
       ausgestattet und hat eine glänzende Karriere in Aussicht. Dass aber auch
       die politischen Leidenschaften im profanen Alltag, der von Kalkül und
       stillen Übereinkünften gezeichnet ist, einmal erkalten, gehört zu den
       Weisheiten, für die man das Kino heute wahrlich nicht mehr benötigt.
       
       "The Ides of March" beruht auf dem Theaterstück "Farragut North" von Beau
       Willimon. Der Dramentitel bezieht sich auf eine Gegend von Washington, in
       der Consultingfirmen und Lobbyisten die Drecksarbeit verrichten. Es ist das
       Abstellgleis für all diejenigen, die es in der richtigen Politik nicht
       geschafft haben. Clooney aber bringt noch eine historische Referenz ins
       Spiel. An den Iden des März wurde Julius Caesar von einer Gruppe
       Verschwörer im römischen Senat ermordet.
       
       So geht es in "The Ides of March" denn auch eher um politische Ränkespiele
       und machthungrige Ziehsöhne als um politische Programme. Clooney hält die
       Politik seines Präsidentschaftskandidaten abstrakt genug, um seinem Film
       über die Amtszeit Obamas hinaus Gültigkeit zu verleihen. Ganz nebenbei wird
       geschildert, welch gegensätzlichen Dynamiken und Kräfteverhältnissen
       Parteipolitik, je ambitionierter sie sich darstellt, ausgesetzt ist.
       
       Im Ringen um einen von Jeffrey Wright gespielten Senator, dessen Delegierte
       die Vorwahl für die eine oder die andere Seite entscheiden könnten,
       entspinnt sich ein Intrigenspiel, aus dem niemand unbeschädigt hervorgehen
       wird. Wie "The Ides of March" die Mechanik der Politik offenlegt, erinnert
       ein wenig an eine heruntergekochte Version von "West Wing". Da Clooney
       Politik in erster Linie aber als ein Feld von Loyalitätskonflikten
       behandelt, verkommen die politischen Inhalte bald zur bloßen
       Verhandlungsmasse.
       
       ## Aus Hotel- und Hinterzimmern
       
       Was Clooney in erster Linie kritisiert, ist die Performanz von Politik.
       "The Ides of March" eröffnet mit einem solchen Bild der Selbstinszenierung.
       Gosling tritt in einem dunklen Raum vor ein Mikrofon und beginnt eine kurze
       Grundsatzrede, die er mit einem ironischen Vogelzwitschern ausklingen
       lässt. Die Lichter im Saal gehen an; es laufen die letzten Vorbereitungen
       für eine Wahlkampfveranstaltung. An selber Stelle wird Clooney später
       dieselben Sätze in das Mikrofon sprechen. Doch je länger Gosling mit
       spitzbübischem Lächeln seinen Text herunterspricht und sich die Rede seines
       Vorbildes damit zu eigen macht, desto mehr tritt auch der Zynismus der
       politischen Inszenierung zu Tage.
       
       In Szenen wie dieser macht sich die Theaterherkunft des Films am
       deutlichsten bemerkbar. Wie schon in Clooneys Film "Good Night and Good
       Luck" über die McCarthy-Ära dominieren Close-ups und Dialoge; das
       Klaustrophobische der Geschichte (der Film spielt fast ausschließlich in
       Hotel- und Hinterzimmern, Wahlkampfbüros und gastronomischen
       Etablissements) findet seine Entsprechung in der altmodischen Raumlosigkeit
       von Clooneys Inszenierung.
       
       In "Good Night and Good Luck" funktionierte diese formale
       Selbstbeschränkung noch ausgezeichnet. "Ides of March" hätte dagegen etwas
       mehr Offenheit gut verkraftet. Clooney aber will sich auf das sublime Spiel
       der Andeutungen nicht einlassen. Bei ihm klingt noch der offensichtlichste
       Drehbuchsatz wie eine in Stein gehauene Erkenntnis.
       
       "The Ides of March - Tage des Verrats". Regie: George Clooney. Mit Ryan
       Gosling, George Clooney, Evan Rachel Wood u. a. USA 2011, 97 Min.
       
       21 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Busche
       
       ## TAGS
       
   DIR Bangkok
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
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