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       # taz.de -- ZUHÄLTER-RAP: Kollegah ist nicht willkommen
       
       > Eine Bremer Initiative will den dortigen Auftritt des Rappers Kollegah
       > verhindern - wegen der Verherrlichung von Vergewaltigungen und Gewalt
       > gegen Schwule.
       
   IMG Bild: "Kunstfigur ohne Straßenvergangenheit": Kollegah auf einem PR-Foto aus dem Jahr 2008.
       
       BREMEN taz | Bis auf Platz 5 der deutschen Charts ist der Rapper Kollegah
       im Oktober mit seinem Album "Bossaura" vorgestoßen. "Hochkreative
       Wortspiele gepaart mit einer herausragenden Raptechnik, verpackt in
       humorvollen, unterhaltsamen Texten", So bewerben die Veranstalter einen für
       nächsten Mittwoch geplanten Kollegah-Auftritt in Bremen.
       
       Ein Blick in Kollegahs Booklets zeigt: Zeilen wie "Ich bau Aggressionen ab
       durch Vergewaltigungen von Bordsteinschlampen" finden sich in vielen Songs
       des selbsterklärten "Zuhälter-Rappers", der eigentlich Felix Antoine Blume
       heißt. Er rappt über den Missbrauch Minderjähriger, Mord an Prostituierten
       oder Angriffe auf Schwule.
       
       Gegen das Konzert in Bremen regt sich Protest: Die DGB-Jugend, die
       Landesgleichstellungsstelle und eine Initiative aus der Queer-Szene wollen,
       dass der Auftritt abgesagt wird. Eine Kollegah-Show sei eine "zutiefst
       menschenverachtende" Veranstaltung, heißt es in einem offenen Brief an die
       Veranstalter des Konzerts. Blume schreibe "ausschließlich abscheuliche
       Texte, in denen Frauen und nicht heterosexuell Orientierte bis zum tiefsten
       denkbaren Niveau degradiert und beleidigt werden".
       
       Der Club Modernes, in dem Kollegah spielen soll, hat im Internet eine
       Erklärung veröffentlicht. "Wir wissen um die Problematik bezüglich des
       Auftritts von Kollegah", heißt es da. Man habe gemeinsam mit dem
       Veranstalter eine Stellungnahme des Rappers angefordert - danach werde man
       entscheiden, ob er wirklich kommen dürfe.
       
       Kollegahs Texte allerdings seien nur im Kontext des "Battle Rap" zu
       verstehen. Adressat sei da stets ein anderer, dem Publikum bekannter
       Rapper. "Alle Aussagen beziehen sich auf ihn persönlich." Eine
       "muttergefickte Schlampe" ist demnach "tatsächlich keine Frau, der
       ,stockschwule Rapper' kein Homosexueller", so die Erklärung weiter. "Auch
       wenn sich uns bei solchen Texten die Haare sträuben, sind sie in der Szene
       üblich und werden nicht als Aufforderung zu Gewalt gegen Frauen,
       Homosexuelle etc. verstanden."
       
       Im übrigen sei Kollegah seit 2007 im Geschäft, seine Veröffentlichungen
       aber nie auf dem Index gelandet. "Wo findet am 14. Dezember die neue
       Qualität statt", fragt der Club, "die plötzlich und in Bremen ein
       Auftrittsverbot seitens des Veranstaltungsortes zwingend notwendig macht?"
       
       Ähnlich äußert sich Kollegahs Tourmanager, Ilke Ulusoy gegenüber der taz:
       Dass die Texte "für Außenstehende nicht vertretbar" seien, könne er
       "komplett nachvollziehen". Allerdings sei Rap eine "Kunstform, bei der
       bewusst polarisiert und provoziert" werde.
       
       Initiiert hat den Protest gegen das Konzert in Bremen das Mädchenkulturhaus
       (MKH). Dass im Battle-Rap gar keine Frauen gemeint, sondern andere Rapper
       mit sexistischen Metaphern herabgesetzt werden sollen, sei einerlei, sagt
       die pädagogische Leiterin des MKH, Roberta Menendez. "Diese Beleidigungen
       bleiben Beleidigungen." Kollegah transportiere zutiefst frauen- und
       schwulenfeindliche Bilder, "da ist es völlig egal, wer der Adressat der
       Beleidigung ist".
       
       Ihre Kollegin Maren Hauck versteht nicht, warum das Modernes sich zwar
       gegen rassistische Inhalte verwahrt, Kollegah aber auftreten lassen will:
       "Offensichtlich gibt es für sie eine Grenze, aber ich verstehe nicht, warum
       Homophobie und sexistische Äußerungen weniger schlimm sind." Man müsse die
       Musik von Kollegah nicht verbieten, "aber man muss ihm deswegen noch lange
       keine Bühne geben", sagt Hauck.
       
       In Bielefeld hatte eine ähnliche Auseinandersetzung dazu geführt, dass ein
       geplanter Kollegah-Auftritt wegen der hohen Nachfrage vom kommunalen
       Jugendzentrum Kamp in einen größeren Club verlegt wurde. Das Kamp hatte
       zuvor erklärt, sich dem Druck von außen nicht beugen zu wollen. Dass auch
       die Bremer Debatte dem Rapper zusätzliche Popularität bescheren dürfte,
       nennt Menendez einen "bedauerlichen Kollateraleffekt". Wichtiger sei aber,
       sich zu positionieren. "Was menschenverachtend und diskriminierend ist,
       muss auch so kritisiert werden."
       
       Auch Ulrike Hauffe, Leiterin der Gleichstellungsstelle des Landes Bremen,
       hat beim Veranstalter interveniert. "Es ist wirklich keine gute Idee,
       jemandem, dessen Texte überwiegend Gewalt gegen Frauen und Schwule
       propagieren, eine Bühne zu geben", sagt sie. Kollegahs Texte hätten "nichts
       mit künstlerischer Freiheit zu tun, das ist menschenverachtend". Die Stelle
       prüfe, ob sie sich an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
       wende.
       
       Der Bochumer Soziologe Martin Seeliger hat den deutschen Gangsta-Rap
       erforscht. "Kollegah überzeichnet sehr, sehr stark", sagt Seeliger. Im
       Gegensatz zu anderen Rappern sei er eine "reine Kunstfigur ohne
       Straßenvergangenheit" und deshalb in der Szene "nicht so angesehen". Die
       Herabwürdigung von Minderheiten sei da ein "kalkulierter Tabubruch". Dass
       Kollegah dabei nur andere Rapper dissen wolle, nennt Seeliger allerdings
       eine "bewusst geschönte" Darstellung des Managements.
       
       Wer aber seine Konzerte skandalisiere, der "besorgt das Geschäft von ihm",
       sagt der Rap-Experte. Auch einem Verbot steht Seeliger ablehnend gegenüber:
       "Jugendliche sind medienkompetenter, als man denkt. Die glauben nicht, dass
       Kollegah auch vergewaltigt, nur weil er davon rappt."
       
       5 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
   DIR Christian Jakob
       
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