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       # taz.de -- Reformen in Italien: Die schnelle Sparnummer
       
       > Rentenreform, Grundsteuer, Mehrwertsteuer: Der neue Regierungsschef Mario
       > Monti hat sein Sparprogramm vorgestellt. Und es trifft wieder die breite
       > Masse.
       
   IMG Bild: Hebt die Einkommensteuer für Besserverdiener nicht an: Mario Monti.
       
       ROM taz | Es ist ein Sparprogramm, das im Budget der italienischen
       Durchschnittsfamilien mit hunderten Euro jährlich zu Buche schlagen wird:
       Das am Sonntagabend vom Kabinett verabschiedete Paket sieht Schnitte und
       Steuererhöhungen von insgesamt 30 Milliarden Euro vor, die vor allem die
       breite Masse der Bevölkerung treffen. Doch die schnelle Verabschiedung im
       Parlament gilt als sicher, während breite soziale Proteste unmittelbar
       nicht zu erwarten sind.
       
       Die Technikerregierung unter Mario Monti beschloss die neuen Schnitte -
       Italien erlebt die nunmehr vierte Sparrunde allein im Jahr 2011 - nur gut
       zwei Wochen nach der Amtsübernahme, und vor Weihnachten schon sollen beide
       Kammern des Parlaments die Gesetze absegnen.
       
       Da wäre zuerst die Rentenreform: Schon ab 2012 wird das Eintrittsalter für
       die Altersrente für alle Männer sowie für Frauen im öffentlichen Dienst auf
       66 Jahre, für Frauen in der Privatwirtschaft auf 62 Jahre hochgesetzt. Und
       auch in den Folgejahren soll die Anpassung weitergehen; die Perspektive
       heißt Rente mit 70. Zudem wird für alle Renten über 936 Euro pro Monat im
       nächsten Jahr die Anpassung an die Lebenshaltungskosten suspendiert.
       
       ## Deutlich erhöhte Grundsteuer
       
       Das Gros der Italiener wird in Zukunft auch wieder Grundsteuer entrichten
       müssen. Im Jahr 2008 war diese für selbst bewohnte Eigentumswohnungen
       abgeschafft worden; 80 Prozent der Italiener leben im Eigenheim. Jetzt
       kommt die Grundsteuer wieder - und wird zugleich deutlich erhöht. Die Werte
       nämlich, mit denen Immobilien im Kataster eingetragen sind, sollen um 60
       Prozent angehoben werden, um der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt
       Rechnung zu tragen. Allein die Rückkehr zur Grundsteuer soll 11 Milliarden
       Euro in die Kassen spülen.
       
       Ab September 2012 dann soll auch die Mehrwertsteuer, die im September erst
       von 20 auf 21 Prozent erhöht wurde, um weitere 2 Prozent steigen. Dagegen
       verzichtete die Regierung auf eine Anhebung der Einkommensteuer für
       Besserverdiener. Ebenso wenig konnte sie sich zur von der Linken
       geforderten Einführung einer Vermögensteuer durchringen.
       
       Als Gerechtigkeitskomponente bleibt so im Wesentlichen ein
       Kfz-Steueraufschlag für Autos mit über 170 kW Leistung. Zudem sollen
       Besitzer von Booten mit über 10 Meter Länge sowie von Privatflugzeugen und
       -hubschraubern von 2012 an Sondersteuern zahlen. Und jene
       Kapitalflüchtlinge, die nach 2008 dank einer von Berlusconi erlassenen
       Amnestie gegen Zahlung von nur 2,5 Prozent der Kapitalsumme ihre Reichtümer
       wieder nach Italien transferiert hatten, müssen jetzt noch einmal 1,5
       Prozent nachzahlen. Und um die Steuerhinterziehung bekämpfen zu können,
       soll es in Zukunft nur noch möglich sein, Rechnungen von über 1.000 Euro
       bargeldlos zu begleichen.
       
       ## Auch Kitas dürften deutlich teurer werden
       
       Ergänzt wird das Paket mit weiteren Schnitten im Gesundheitswesen, die
       höhere Patientenzuzahlungen nach sich ziehen werden, sowie mit Kürzungen
       der Überweisungen des Zentralstaats an Regionen und Gemeinden. Auch
       kommunale Dienstleistungen wie Kindertagesstätten dürften damit deutlich
       teurer werden.
       
       Regierungschef Monti rechnet vor, dass den 30 Milliarden Sparvolumen 10
       Milliarden Euro auf der Ausgabenseite gegenüberstehen, die das Wachstum
       ankurbeln sollen, zum Beispiel über Steuersenkungen für Unternehmen, die
       neue Arbeitskräfte einstellen, über Investitionen in Energieeffizienz von
       Gebäuden, über öffentliche Infrastrukturaufträge.
       
       Doch die Gewerkschaften zeigten sich schwer enttäuscht vor allem von den
       Eingriffen bei der Rente. Mit Kampfmaßnahmen ist jedoch nicht zu rechnen -
       allein schon, weil die drei großen Bünde weiterhin untereinander
       zerstritten sind.
       
       Auch im Parlament ist Monti die Mehrheit sicher. Sowohl die
       Berlusconi-Rechte als auch der gemäßigt linke Partito Democratico zeigten
       sich zwar mit diversen Punkten des Sparpakets unzufrieden, schlossen aber
       parlamentarische Obstruktion aus.
       
       5 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
       ## TAGS
       
   DIR Vesuv
       
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