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       # taz.de -- Chinesische Wirtschaft: Dem Drachen geht die Puste aus
       
       > Der Wirtschaftsboom in China dürfte sich abschwächen. Denn der Export
       > leidet unter der Eurokrise, die Industrieproduktion schrumpft und die
       > Kluft zwischen Arm und Reich wächst.
       
   IMG Bild: Die Stimmung in der chinesischen Wirtschaft ist deutlich gedämpft.
       
       PEKING taz | Im dicken Pekinger Verkehr streiten sich die vielen nagelneuen
       Audis, VWs und Hondas um das letzte freie Fleckchen Straße. In den
       Geschäften und Restaurants drängen sich die Gäste. Für dieses Jahr erwarten
       Ökonomen denn auch wieder Erfolgszahlen: Die Wirtschaft dürfte um über 9
       Prozent wachsen; im dritten Quartal waren es 9,4 Prozent.
       
       Doch schon im nächsten Jahr könnte Chinas Boom schwächeln. Das
       Bruttoinlandsprodukt dürfte dann nur noch um gut 8 Prozent zulegen -
       ausreichend, um für deutlich gedämpfte Stimmung unter Chinas
       Wirtschaftspolitikern zu sorgen. Vizefinanzminister Zhu Guangyao warnt vor
       einer Situation, die "düsterer und schwerer zu bewältigen" sein könnte als
       die globale Finanzkrise von 2008.
       
       Kurz zuvor hatte Vizepremier Wang Qishan die "Ankurbelung des Wachstums"
       zur höchsten Priorität erklärt. Schon senkte die Zentralbank jetzt die
       geforderten Mindestreserven, die jede Bank vorrätig halten muss. Damit
       haben die Geldinstitute umgerechnet rund 45 Milliarden Euro mehr zur
       Verfügung, die sie als Kredite vergeben können.
       
       Nach neuesten offiziellen Berechnungen ist Chinas Industrieproduktion in
       den vergangenen Monaten zum ersten Mal seit dem Krisenjahr 2008
       geschrumpft. Die Krise in Europa und den USA trifft die chinesische
       Exportwirtschaft auch jetzt wieder hart. In den Industriezentren der
       Provinz Guangdong und am Yangtse streiken immer wieder Arbeiter.
       
       ## Dinge des täglichen Bedarfs verteuern sich
       
       In einigen Betrieben fordern sie einen Lohnausgleich, weil sie wegen
       ausbleibender Aufträge weniger bezahlte Überstunden machen sollen. Anderswo
       wollen sie verhindern, dass ihre Betriebe ins Hinterland abwandern, weil
       dort nicht so hohe Löhne gezahlt werden müssen.
       
       Für Lebensmittel, Strom und andere Dinge des täglichen Bedarfs müssen die
       Chinesen derweil immer tiefer in die Tasche greifen. Nach offiziellen
       Angaben stiegen die Verbraucherpreise in den letzten Monaten um 5,5
       Prozent. Das Wall Street Journal vermutet die wahre Teuerungsrate "näher
       bei 10 Prozent".
       
       Gleichzeitig wächst die Kluft zwischen Arm und Reich sowie zwischen
       wohlhabenden und ärmeren Regionen. Chinesische Bauernfamilien verdienten
       2010 laut einer Regierungsstudie im Schnitt 5.919 Yuan (knapp 700 Euro).
       Dies sind weniger als 2 Euro am Tag. Städtische Familien kamen auf 19.109
       Yuan im Jahr (2.230 Euro). Besonders gut geht es demnach den Beschäftigten
       des chinesischen Finanzsektors. Ein durchschnittlicher Schanghaier
       Bankangestellter verdiente 2010 umgerechnet über 43.700 Euro.
       
       Erst vor wenigen Tagen entschloss sich die Regierung, ihre Statistiken zu
       korrigieren: die Zahl der offiziell als arm bezeichneten Chinesen um 100
       Millionen auf insgesamt mehr als 120 Millionen. Für die will die Regierung
       künftig Sozialhilfen bereitstellen. Aus welchem Topf die kommen sollen, ist
       jedoch nicht klar. Laut Weltbank gibt es in China ungleich mehr Bedürftige.
       Nach ihren Kriterien leben dort 150 Millionen Menschen unter der
       Armutsgrenze.
       
       4 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jutta Lietsch
       
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