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       # taz.de -- Kampagne für mehr Transparenz: Wo kommt das Lohngefälle her?
       
       > Frauen verdienen für die gleiche Arbeit weniger Geld als Männer. Wie
       > lässt sich das ändern? Eine Kampagne soll die Gründe für die
       > unterschiedlichen Löhne transparent machen.
       
   IMG Bild: Reicht schon ein männliches Aussehen für mehr Kohle?
       
       BERLIN taz | Die Zahlen sind lange bekannt: 23 Prozent verdienen Frauen
       hierzulande im Durchschnitt weniger als Männer. Damit liegt Deutschland an
       drittletzter Stelle in der EU. Das wollen die Frauen vom Bündnis "Business
       and Professional Women" (BPW) ändern. Aber seit der Verein am 25. Mai 2008
       den Equal Pay Day ins Leben rief, um auf das ungerechte Lohngefälle
       zwischen den Geschlechtern aufmerksam zu machen, ist nichts passiert.
       
       Warum ist das so? Zwar gibt es Analyseinstrumente wie Login-D und eg-Check.
       Aber beide Softwareprogramme weisen die strukturell bedingten
       Lohnunterschiede nur marginal aus. "Das Problem ist der Mangel an
       Transparenz", sagte die BPW-Präsidentin Henrike von Platen am Mittwoch in
       Berlin. Und verkündete: Beim Equal Pay Day am 23. März 2012, der mit fünf
       Foren noch im Dezember und im Februar schon mal starten soll, werde es um
       "Lohnfindung" gehen.
       
       Wie kommen die unterschiedlichen Löhne zustande? Wer legt sie fest? Welche
       Rolle spielen dabei Tarifverträge und welche die einzelnen
       Verhandlungspartner?
       
       In 67 Prozent der Unternehmen gab es im vergangenen Jahr keine
       Tarifverträge, das heißt, ArbeitnehmerInnen müssen ihr Gehalt selbst
       aushandeln. Dabei haben Frauen die schlechteren Karten: Sie verhandeln in
       der Regel nicht so gut wie Männer. Aber viele ArbeitgeberInnen bewerten die
       Arbeit von Frauen von vornherein geringer. Sie begründen das mit der
       "Familienphase", die für Frauen meist länger dauert aus für Männer.
       
       ## "Familienministerium muss für die Frauen sein"
       
       Auch klassische Rollenstereotype spielen da mit hinein. Mit fatalen Folgen:
       Arbeiten Frauen nach einer längeren Auszeit verstärkt Teilzeit, kann aus
       der Lohnlücke von 23 Prozent rasch eine Rentenlücke von 59 Prozent werden.
       
       Das nannte Josef Hecken, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, eine
       "gewaltige Schieflage". Das Haus von Ministerin Kristina Schröder (CDU)
       unterstützt den Equal Pay Day, Hecken griff seine Chefin indirekt an: "Das
       federführende Ministerium muss sich klar auf die Seite der Frauen stellen.
       Es darf die Lohndiskriminierung nicht verniedlichen und möglicherweise
       durch eine Herdprämie noch verlängern."
       
       Aber auch dort, wo es scheinbar monetär gerechter zugeht - bei
       Tarifverträgen -, werden gleiche und gleichwertige Arbeit fast überall
       unterschiedlich bezahlt. So wird ein Job im Baugewerbe deutlich höher
       vergütet als einer in der Pflegebranche. Und das, obwohl in beiden Fällen
       gleiche "faktische" Voraussetzungen vorliegen, darunter eine Fachausbildung
       von drei Jahren. Auch die körperliche Belastung ist direkt vergleichbar.
       
       Das nennt Martin Franzen, Professor für Internationales und Europäisches
       Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, eine
       "mittelbare Ungleichbehandlung". "Eine solche Ungleichbehandlung ist nicht
       einfach zu beweisen", erklärt Franzen: "Diese Last obliegt den
       Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich benachteiligt fühlen."
       
       ## Gleichwertige Arbeit, unterschiedliches Geld
       
       So wie eine Sozialpädagogin, die 1997 vor dem Arbeitsgericht in
       Mecklenburg-Vorpommern klagte. Sie hatte einen Fachhochschulabschluss und
       bestand darauf, den gleichen Lohn zu bekommen wie Ingenieure mit
       Fachschulabschluss. Alle ArbeitnehmerInnen mit Fachhochschulabschluss waren
       damals in dieselbe Vergütungsstufe des seinerzeit geltenden
       Bundesangestelltentarifvertrags im öffentlichen Dienst eingestuft. Die
       Ingenieure, in der Regel mehr Männer als Frauen, bekamen aber dafür mehr
       Geld, wie die Sozialpädagogin herausfand.
       
       Das Arbeitsgericht entschied damals, beide Berufsgruppen würden
       "gleichwertige Arbeit" verrichten. Die Klage scheiterte dennoch. Der Grund:
       Die Sozialpädagogin hätte nicht nur SozialarbeiterInnen und IngenieurInnen
       vergleichen müssen, urteilte das Gericht, sondern auch alle anderen
       Arbeitnehmergruppen mit Fachhochschulabschluss.
       
       30 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
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