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       # taz.de -- "Besonders heikel" im Ausländerstadtteil: Undercover-Neonazi in Kasseler CDU
       
       > Ein Mitglied der Neonazigruppierung "Freier Widerstand Kassel" saß
       > jahrelang als Schriftführer im Vorstand der CDU. Nun wurde ein
       > Parteiausschlussverfahren eingeleitet.
       
   IMG Bild: Daniel B. (4.v.l.) nimmt an einer rechtsradikalen Kundgebung zum so genannten "Tag der deutschen Zukunft" in Peine teil.
       
       "In der Nordstadt, wo viele Menschen mit ausländischer Herkunft wohnen, ist
       so ein Fall besonders heikel", meint Stefan Weidelich, Vorsitzender des
       Stadtbezirksverbandes der CDU Kassel Nord-Holland. Und hochnotpeinlich dazu
       – für die gesamte hessische Union.
       
       Dass da über zwei Jahre hinweg ein Mitglied der vom Landesamt für
       Verfassungsschutz schon lange beobachteten Neonazigruppierung "Freier
       Widerstand Kassel" (FWK) im Vorstand des christdemokratischen
       Bezirksverbandes sitzen und dort als Schriftführer (!) fungieren konnte,
       hat die Vorsitzende der Kasseler CDU, die Hessische Ministerin für
       Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann, jedenfalls "entsetzt".
       
       Kassel Nord, Holländische Strasse. Dort befindet sich auch das
       Internetcafé, in dem Halit Yozgat mutmaßlich von den Rechtsterroristen des
       "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) ermordet wurde.
       
       Die Staatsministerin, die den 25 Jahre alten Freien Kameraden Daniel B.
       "nicht persönlich gekannt" haben will, trommelte noch am Sonntagabend –
       nach einem Bericht des Hessischen Rundfunks (HR) zum Thema – die Mitglieder
       des Kreisvorstandes zusammen, die beschlossen, umgehend ein
       Parteiausschlussverfahren gegen Daniel B. einzuleiten. "Wir orientieren uns
       am christlichen Menschenbild und dulden kein rassistisches und
       nationalsozialistisches Gedankengut in unseren Reihen", hieß es dazu in
       einer Erklärung von Kühne-Hörmann (49).
       
       ## "Mangelndes Engagement"
       
       Angeblich sollte der Undercover-Neonazi wegen "mangelndem Engagement" auf
       dem nächsten Bezirksverbandsparteitag der CDU Kassel-Nord ohnehin nicht
       wieder zum Schriftführer gewählt werden. Tatsächlich war Kamerad Daniel B.
       vor mehr als einem Jahr abgetaucht. Auch an der Uni Kassel – dort war er
       für einen Masterstudiengang Politik eingeschrieben – ward er nicht mehr
       gesehen. Im Internet bot der mit einer Russlanddeutschen verheiratete
       Neonazi allerdings weiter Nachhilfestunden für Schüler an. Daneben
       verbreitete er dort unter dem Namen "Daniel Budze" rechtsextremistische
       Propaganda.
       
       Wie der HR weiter recherchierte, soll Daniel B. nach der Veröffentlichung
       von Details zu den Morden des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU)
       in der Presse sein Profilbild auf Facebook durch ein Bild von Paulchen
       Panther ersetzt haben, jener Comicfigur also, die durch den widerlichen
       Film der mörderischen Neonazitruppe führt.
       
       Letzten Mittwoch dann warnte Daniel B. die wohl tatsächlich ahnungslose CDU
       Kassel vor sich und dem Bericht des "HR", der am Sonntag im TV zu sehen
       sei, und in dem er als Neonazi enttarnt werde. In diesem Gespräch mit dem
       Bezirksvorsitzenden Weidelich habe Daniel B. angekündigt, vom Amt des
       Schriftführers zurückzutreten. Mitglied der CDU aber wolle er bleiben.
       
       Warum es das Hessische Landesamt Verfassungsschutz, das den "Freien
       Widerstand Kassel" schon lange beobachtet, unterlassen hat, die CDU in
       Kassel vor Daniel B. zu warnen, ist eine noch offene Frage. Der
       rechtspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Andreas Jürgens, sagte
       dazu im Gespräch mit der taz, dass man sich über die Qualität der
       hessischen Verfassungsschützer spätestens seit der Kasseler
       Verfassungsschützeraffäre im Zusammenhang mit den Morden des NSU "keine
       Illusionen mehr" mache.
       
       Geklärt werden müsse auch noch, wie eng die Verbindung zwischen dem
       Rechtsextremisten Daniel B. und dem Bezirksverbandschef der CDU Kassel
       Nord, Weidelich, tatsächlich gewesen sei. Schließlich hätten beide zusammen
       studiert und seien befreundet gewesen. Jürgens (Grüne): "Und Weidlich will
       nicht gewusst haben, dass sein Kommilitone bei den Freien Kameraden ist!?"
       
       Die Linke im Landtag wundert sich nicht. Die CDU Hessen sei seit den Tagen
       von Alfred Dregger und Manfred Kanther schließlich immer ein "rechter
       Kampfverband" gewesen, heißt es in einer Stellungnahme der Landtagsgruppe.
       
       28 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR K.-P. Klingelschmitt
       
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