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       # taz.de -- V-Leute in der Naziszene: Braune Spitzel, die wir kennen
       
       > Vier Rechtsextremisten sind bislang als Vertrauensleute des
       > Verfassungsschutzes aufgeflogen. Wie viele Spitzel heute tatsächlich in
       > der NPD tätig sind, ist unklar.
       
   IMG Bild: NPD-Anhänger und Spitzel: Es ist unklar, wieviele V-Leute in der rechtsextremen Partei aktiv sind.
       
       Tino Brandt 
       
       Tino Brandt wird 1994 als 19-Jähriger vom Thüringer Verfassungsschutz als
       V-Mann angeheuert. Damals gilt er als Mitläufer in der rechtsextremen
       Szene. Er macht aber schnell Karriere und steigt zum Vizelandeschef der NPD
       auf. Brandt baut während seiner Spitzeltätigkeit den "Thüringer
       Heimatschutz" (THS) auf, die Kameradschaft, in der auch die rechtsextremen
       Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Mitte der
       neunziger Jahre aktiv sind.
       
       Brandt gilt zu dieser Zeit als Schnittstelle zwischen NDP und freien
       Kameradschaften. Bis zum Jahr 2000 soll Brandt (Deckname "Otto")
       umgerechnet 100.000 Euro vom Verfassungsschutz erhalten haben. Wie er
       später in Interviews erklärt, habe er das Geld vor allem in
       THS-Werbekampagnen fließen lassen. Die Informationen, die er dafür
       weitergab, seien lapidar gewesen. Dafür sei er vom Geheimdienst vor
       Abhörmaßnahmen gewarnt worden. (PW) 
       
       Wolfgang Frenz 
       
       Für den Verfassungsschutz ist Wolfgang Frenz in der rechtsextremen Szene
       schon vor der Gründung der NPD 1964 aktiv. Der frühere NPD-Landesvize in
       NRW räumte selbst unlängst ein, dass er von 1959 bis 1989 intensiv, später
       sporadisch Kontakt mit dem Geheimdienst hatte. Alle 14 Tage will sich
       Frenz, der auch im NPD-Bundesvorstand war, mit seinen Kontaktmann getroffen
       haben, dem er aber nur öffentlich zugängliche Informationen lieferte.
       
       Die Berichte stimmte er mit dem Parteivorstand ab, sagt Frenz 2002. Für die
       Informationen bekam er vom Verfassungsschutz im Monat 600 bis 800 DM. Er
       gab die Einnahmen bei der Steuer an, weil er sie so der NPD als Spende
       zukommen lassen konnte. 1995 soll der Heilpraktiker aus Solingen
       "abgeschaltet" worden sein. Nach 36 Jahren VS-Zuarbeit mit Parteisegen.
       Nach seiner Enttarnung verklagte der Heilpraktiker die Behörden auf
       Schadenersatz. (AS) 
       
       Udo Holtmann 
       
       Der 2006 verstorbene Udo Holtmann war ein Mann der alten Garde. Bereits
       1967 wird er NPD-Kreischef in Duisburg. Seit 1977 gehört er dem
       NPD-Bundesvorstand an. Holtmann gilt als Integrationsfigur für das offen
       nazistische Spektrum von Freien Kameradschaften und Skinheads. In den
       NPD-Verbotsanträgen dienen auch seine Aussagen als Beleg für die
       kämpferisch-aggressive, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
       gerichtete Haltung der NPD.
       
       Als Herausgeber und Chefredakteur der Parteizeitung Deutsche Stimme lobt
       Holtmann 1998 die Parteimitglieder, die, auseinanderdividiert von Spitzeln
       des Geheimdienstes, treu zur NPD stünden. Er weiß, wovon er spricht: 2002
       kommt heraus, dass er einer von ihnen ist. Seit 1978 dient Holtmann dem
       Verfassungsschutz als V-Mann. Davon wusste die NPD spätestens seit Anfang
       der 90er Jahre. Das Spitzel-Honorar steckt er in seine rechtsextreme
       politische Arbeit. (PB) 
       
       Carsten Szczepanski 
       
       Schon Anfang der 90er Jahre gilt der heute 40-jährige Carsten Szczepanski
       als einer der gefährlichsten Neonazis in Brandenburg. 1995 wird er wegen
       Mordversuchs an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt, wobei ihm
       das Gericht eine "tiefverfestigte rechtsradikale" Gesinnung" bescheinigt.
       Noch im Gefängnis wird er vom Brandenburger Verfassungsschutz angeworben,
       1997 kommt Szczepanski (Deckname "Piato") frei.
       
       Er eröffnet in Königs Wusterhausen einen Laden für rechte Musik, ist am
       Aufbau des rechtsextremen Netzwerks "Blood&Honour" beteiligt und gehört zum
       Umfeld der Terrortruppe "National-Revolutionäre Zellen". Zugleich tritt er
       - offenbar im Auftrag des Verfassungsschutzes, von dem er im Monat etwa 500
       bis 750 Euro erhält - in die NPD ein, wird Ortsvorsitzender, Beisitzer im
       Landesvorstand und Leiter des Ordnungsdienstes der Brandenburger NPD. Im
       Sommer 2000 wird er enttarnt. (DZY) 
       
       … und heute? 
       
       Wie viele Vertrauensleute in der NPD heute für das Bundesamt für
       Verfassungsschutz und die entsprechenden Landesämter tätig sind, ist
       unklar. Laut Medienberichten sollen es um die hundert sein und damit mehr
       als im Jahr 2003, als das NPD-Verbotsverfahren scheiterte. Andere Berichte
       gehen davon aus, dass heute jeder sechste Führungskader der NPD ein V-Mann
       ist.
       
       In der NPD selbst ist die Angst vor Spitzeln groß, wie interne Mails aus
       der Partei belegen, die der taz im Februar dieses Jahres zugespielt wurden.
       So warnt etwa die 19-seitige Broschüre "Spitzel-Ex" vor der
       "Anwerberfalle", gibt Tipps zum "Schutz vor Bespitzelung" und listet Fälle
       enttarnter V-Leute auf. In innerparteilichen Auseinandersetzungen wird der
       Spitzel-Vorwurf als Mittel der Diskreditierung verwendet. (PW)
       
       22 Nov 2011
       
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