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       # taz.de -- 1.000 Dächerprogramm für Palästina: Unabhängig machen von Israel
       
       > Im Westjordanland gibt es immer mehr Solaranlagen. Dahinter steckt der
       > Wunsch, unabhängig von Israel zu werden. Das reagiert mit
       > Abrissdrohungen.
       
   IMG Bild: Vision vom eigenen Strom: Ali Mohammad Ali Hreizat vor einer Solaranlage in Imneisil.
       
       RAMALLAH/IMNEISIL taz | Ali Mohammad Ali Hreisat versteht nicht, warum
       Solarzellen ein Sicherheitsproblem darstellen sollen. Die israelische
       Zivilverwaltung droht, sie abzureißen – keine Baugenehmigungen. Hreisat ist
       der Vorsitzende des Dorfrates von Imneisil, einer Beduinensiedlung in den
       kargen Bergen Hebrons im Westjordanland. Ein paar hundert Meter entfernt
       ragen schwere Wachtürme zum Schutz einer israelischen Siedlung mit modernen
       Einfamilienhäusern in den Himmel.
       
       Viele der 400 Einwohner von Imneisil wohnen noch in dickwandigen, schwarzen
       Zelten, deren neueste Errungenschaft seit Mitte 2010 elektrisches Licht und
       Kühlschränke sind. Den Strom liefern Solarzellen, die spanische Regierung
       hat sie samt Batterien für rund 300.000 Euro finanziert. Die spanische
       Hilfsorganisation Seba, die das Projekt koordiniert, sagt: Abgerissen
       werden darf nach internationalem Recht nur, wenn ein Sicherheitsproblem
       vorliegt.
       
       Mit derartigen Schwierigkeiten hat Omar Kittaneh oft zu kämpfen. Er ist
       Energieminister der Palästinensischen Autonomiebehörde und erzählt in
       seinem Büro in Ramallah von einem Traum, den viele Palästinenser hegen:
       Unabhängigkeit von Israel. Kittaneh will das mit Hilfe von oben schaffen,
       mit Solarstrom.
       
       Zwar sind 99,9 Prozent der Bevölkerung im Westjordanland ans Stromnetz
       angeschlossen, allerdings kommt der Strom fast komplett aus Israel. Einzige
       Ausnahme sind zwei kleinere Leitungen aus Jordanien und Ägypten und ein
       Kraftwerk in Gaza. Allerdings kommt auch der Diesel für das Kraftwerk aus
       Israel.
       
       ## Die Betreiber sollen den Strom gegen Geld ins Netz speisen
       
       In dieser Woche hat Kittaneh seinen Sonnenplan vorgestellt. Mithilfe von
       internationalen Geldgebern will er zunächst auf 1.000 Dächern Solarzellen
       installieren, mit einer Leistung von 5 Megawatt. Die Betreiber sollen Geld
       bekommen, wenn sie ihren Strom ins öffentliche Netz einspeisen – so, wie es
       auch in Deutschland üblich ist.
       
       Das Programm ist bescheiden, aber mehr Geld glaubt Kittaneh nicht
       zusammenzubekommen. Er hängt komplett am Tropf internationaler Geldgeber.
       "1.000 Dächer sind wenig, aber ein Anfang. Keine Besetzung kann die Sonne
       daran hindern, zu scheinen", sagt Kittaneh schlicht. Mit Besetzung meint er
       Israel: 62 Prozent des Westjordanlands stehen unter israelischer
       Verwaltung, Palästinenser bekommen so gut wie nie eine Baugenehmigung –
       genauso wie in Imneisil.
       
       Die Anlage dort sei ohnehin Peanuts, sagt Gerschon Baskin. Der Leiter eines
       israelisch-palästinensischen Thinktanks und Friedensaktivist ist in Israel
       momentan ein Held. Er hat Gilad Schalit nach Hause gebracht, den von der
       Hamas verschleppten Soldaten.
       
       ## Die Vision riesiger Solarfelder
       
       Jetzt liegt in Baskins Büro eine mit Solarzellen bedruckte palästinensische
       Fahne bereit, zusammen mit einer großen Vision. Baskin will mit der Firma
       Palestine Power Solarfelder von 200 Megawatt Leistung im Westjordanland
       errichten. Investitionsvolumen: eine Milliarde Dollar. Baskin dient als
       Berater, die Teilhaber der Firma sind ausnahmslos Palästinenser.
       
       "Alles, was ich von der israelischen Regierung erwarte, ist, dass sie uns
       keine Steine in den Weg legt", sagt er. Die Geldgeber habe er bereits
       zusammen, falls die Bedingungen stimmen: ein Vertrag mit der
       Autonomiebehörde über die Abnahme des Stroms, zudem günstige Kredite, die
       als Entwicklungshilfe an die Autonomiebehörde vergeben werden müssten.
       
       In Imneisil würden sie davon nicht profitieren, weil es keine Genehmigung
       gibt, das Dorf an die öffentliche Stromversorgung anzuschließen. Selbst das
       Wasser muss mit Tanklastern herangeschafft werden. Immerhin ist der
       Beschluss zum Abriss momentan eingefroren.
       
       Die israelische Organisation Rabbis for Peace hat eine Klage gegen den
       Abriss vor dem Obersten Gerichtshof in Israel eingereicht. Die
       Verhandlungen könnten den Abriss um Jahre verzögern - bis sich die
       politische Situation viellicht geändert hat, hoffen sie im Dorf.
       
       18 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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