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       # taz.de -- Krisengipfel zum Neonazi-Terror: Zwei weitere Neonazis beschuldigt
       
       > Innen- und Justizminister von Bund und Ländern diskutieren über die
       > Pannenserie bei Fahndung zum Zwickauer Neonazi-Terrortrio. Unterdessen
       > gibt es zwei weitere mutmaßliche Zellenmitglieder.
       
   IMG Bild: Möglicherweise auch Teil des Nazi-Terrors: Anschlag auf eine S-Bahn in Düsseldorf.
       
       BERLIN rtr | Im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle haben die
       Ermittler zwei weitere Verdächtige im Visier. Dies sagte der neue
       Generalbundesanwalt Harald Range am Freitag in Berlin. Zusätzlich zu den
       beiden bereits in Untersuchungshaft sitzenden Verdächtigen Holger G. und
       Beate Zschäpe werde gegen zwei weitere Personen ermittelt. Insgesamt stieg
       so die Zahl der Verdächtigen auf vier.
       
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich plädierte unterdessen im Kampf
       gegen den Rechtsextremismus für die Einrichtung eines gemeinsamen
       Terrorismus-Abwehrzentrums, wie es zur Abwehr des islamistischen
       Extremismus bereits seit 2004 in Berlin existiert. Im Kanzleramt berieten
       die Innen- und Justizminister aus Bund und Ländern sowie die
       Sicherheitsbehörden bei einem Krisengipfel über Konsequenzen aus der
       Neonazi-Affäre.
       
       Friedrich betonte im Deutschlandfunk, ein Abwehrzentrum sei auch im Kampf
       gegen den Rechtsextremismus nötig. Er werde die Einrichtung eines solchen
       Zentrums daher bei dem Treffen vorschlagen. Die Zusammenarbeit zwischen
       Polizei und Verfassungsschutz sowie den einzelnen Verfassungsschutzbehörden
       müsse verbessert werden.
       
       ## Zahl der Verfassungsschütze verringern
       
       Der CSU-Politiker zeigte sich zudem offen für den Vorschlag von
       Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die
       Verfassungsschutzbehörden mehrerer Bundesländer zusammenzulegen. Es müsse
       in Ruhe erörtert werden, inwieweit Kompetenzen auf ein Nachbarland oder den
       Bund übertragen werden sollten, sagte Friedrich.
       
       Hintergrund der Diskussion sind mindestens zehn Morde vorwiegend an
       Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund, die der Zwickauer
       Neonazi-Zelle zu Last gelegt werden. Der offenbar rechtsextreme Hintergrund
       der Mordserie zwischen 2000 und 2007 kam erst ans Licht, als Anfang
       November zwei Mitglieder der Zelle in einem Wohnmobil in Eisenach
       Selbstmord begingen und später in ihrer Zwickauer Wohnung Tatwaffen
       entdeckt wurden. Ein mutmaßliches Mitglied und ein mutmaßlicher Komplize
       sitzen in Untersuchungshaft.
       
       Leutheusser-Schnarrenberger warb erneut für eine Konzentration der
       Verfassungsschutzbehörden. Statt über 16 Landesämter "könnte man auch über
       drei oder vier nachdenken", sagte die FDP-Politikerin der Süddeutschen
       Zeitung. Es gehe darum, Doppelzuständigkeiten zu verringern und die
       Effizienz zu erhöhen. Im Fall der Neonazi-Zelle äußerte die FDP-Politikerin
       harsche Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden: "Das gesamte
       Alarmsystem gegen Rechts hat nicht funktioniert."
       
       Es sei unfassbar, dass die Zwickauer Zelle mehr als zehn Jahre habe morden
       können. "32 Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter haben es nicht
       geschafft, eine rechtsextreme Mordserie zu verhindern", beklagte die
       Ministerin. Auch die Politik habe Fehler begangen, indem sie die Dimension
       des Rechtsextremismus unterschätzt habe. So seien die
       Verfassungsschutzberichte "offensichtlich unzureichend" gewesen.
       
       ## BKA für "engere Verzahnung"
       
       Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, forderte ebenfalls eine
       engere Verzahnung der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden von Bund und
       Ländern. Dabei müsse aber das verfassungsrechtliche Trennungsgebot gewahrt
       werden, sagte er der Welt. Zudem zeigte er sich offen für den Vorschlag,
       ein Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus zu gründen. Bei der Bekämpfung
       des islamistischen Terrorismus habe sich die Einrichtung bewährt.
       
       Die im Bundestag vertretenden Parteien sollen unterdessen nach dem Willen
       der Fraktionschefs der Regierungsparteien gemeinsam gegen den
       Rechtsextremismus in Deutschland auftreten. Die Fraktionschefs von CDU/CSU
       und FDP, Volker Kauder und Rainer Brüderle, würden ihren Kollegen und den
       Parteichefs am Dienstag ein Spitzengespräch vorschlagen, sagte ein
       Unionsfraktionssprecher. Ziel solle eine Erklärung aller Fraktionen sein.
       
       Darin solle nicht nur das Entsetzen über die Mordserie, sondern auch die
       Entschlossenheit im Kampf gegen den Rechtsterrorismus bekräftigt werden.
       Auch das Plenum des Bundestages wird sich wahrscheinlich mit dem Thema
       befassen. Derzeit sei geplant, dass das Parlament am Dienstag noch vor den
       Haushaltsberatungen darüber diskutiere, hieß es.
       
       18 Nov 2011
       
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