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       # taz.de -- Steigende Zinsen: Nun bibbert selbst Kerneuropa
       
       > Die Zockerei gegen den Euro weitet sich immer weiter aus. Jetzt müssen
       > auch stabile Länder wie Belgien, Österreich und die Niederlande
       > Rekord-Zinsen zahlen
       
   IMG Bild: Jetzt hängen auch in Kerneuropa die Europa-Sterne schief.
       
       BRÜSSEL taz | Bisher waren von steigenden Zinsen für Staatsanleihen vor
       allem Krisenstaaten wie Griechenland oder Italien betroffen. Vergangene
       Woche gerieten mit Italien wirtschaftlich eng verknüpfte Länder wie
       Frankreich oder Österreich in den Sog der Krise. Nun hat sie auch den Kern
       der Eurozone erfasst: Stabile Länder wie Österreich, Belgien oder die
       Niederlande müssen quasi über Nacht Rekordzinsen zahlen. Nur Deutschland
       bleibt von der Panikwelle bisher verschont.
       
       Selbst Insider sind von der Entwicklung überrascht. Allianz-Finanzchef
       Oliver Bäte sprach von "reinen Marktverwerfungen". Es gebe einfach keine
       Nachfrage für Anleihen aus der Eurozone. Daher gelinge es einzelnen
       Investoren leicht, die Anleihekurse zu drücken, so Bäte. "Es gibt
       Teilnehmer am Kapitalmarkt, die an fallenden Preisen verdienen."
       
       Auf einer Sondersitzung des Europaparlaments warnte EU-Kommissionspräsident
       José Manuel Barroso vor einer "systemischen Krise" und kündigte einen
       erneuten Vorstoß für gemeinsame Euroanleihen an, um die betroffenen Länder
       zu stützen. Auch der Chef der liberalen Fraktion, der Belgier Guy
       Verhofstadt, sprach sich für Eurobonds aus. "Nur eine komplette
       Wirtschaftsunion mit Eurobonds kann uns jetzt noch helfen", so Verhofstadt.
       
       ## EU-Parlament warnt vor Spaltung
       
       Bislang kauft die Europäische Zentralbank (EZB) nur in begrenztem Umfang
       italienische, spanische und portugiesische Staatsanleihen auf, um die
       Zinsen zu drücken. Doch europaweit fordern Ökonomen, die EZB soll
       angesichts der weiteren Zuspitzung der Krise dauerhaft und unbegrenzt für
       alle Kredite der Schuldenländer einstehen. Indirekt signalisierte sie
       jedoch den jüngsten Opfern der Eurokrise, dass sie nicht auf Hilfe aus
       Berlin oder Frankfurt - dem Sitz der EZB - rechnen dürfen. 
       
       Zugleich sprach sich Barroso für ein hartes Durchgreifen gegen
       "Schuldensünder" aus. Die Kommission werde die Überwachung überschuldeter
       Länder verschärfen und auch nicht davor zurückschrecken, ein bereits
       beschlossenes Staatsbudget zurückzuweisen, sagte Barroso.
       
       Auch der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy forderte eine stärkere
       Integration der Eurozone. Dazu seien weitere Reformen notwendig, etwa
       strengere Sanktionen für Defizitsünder und eine bessere Harmonisierung der
       Steuer- und Sozialpolitik. Er unterstütze den Vorschlag, Eurobonds
       einzuführen. Dies setze aber Haushaltsdisziplin voraus, betonte er.
       
       Das Europaparlament warnte vor einer Spaltung der Europäischen Union. Die
       17 Mitglieder der Eurozone dürften die übrigen 10 EU-Länder nicht
       ausgrenzen, sagte der Fraktionschef der Konservativen, Joseph Daul. Ähnlich
       äußerte sich der Chef der Sozialisten, der deutsche SPD-Politiker Martin
       Schulz. Zwar dürften Staaten angesichts der Krise schon einmal eigenmächtig
       Entscheidungen treffen. Dies dürfe jedoch nicht zum Dauerzustand werden,
       das Parlament müsse beteiligt werden.
       
       16 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Finanzkrise
       
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