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       # taz.de -- Rechter Terror beschäftigt Bund und Länder: "Erschreckende Einblicke"
       
       > Der Bundestag befasst sich mit dem NSU-Gruppe. Und in Thüringen wird eine
       > Sonderkommission eingesetzt, die Versäumnisse der Landesbehörden
       > untersuchen soll.
       
   IMG Bild: Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, soll Licht in die Affäre bringen.
       
       BERLIN/ERFURT taz | In Bund und Ländern läuft die Aufklärung der Verbrechen
       der rechten Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) an. Am
       Dienstag tagte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags,
       das die bundesdeutschen Geheimdienste überwacht. Die Abgeordneten ließen
       sich von Vertretern des Bundeskriminalamts, der Regierung und des
       Bundesamts für Verfassungsschutz auf den aktuellen Stand bringen.
       
       "Wir wollen eigenständige Untersuchungen führen", sagte der PKG-Vorsitzende
       Thomas Oppermann (SPD) nach der Sondersitzung. Dazu werde man aus Hessen
       und Thüringen Akten anfordern.
       
       Die Thüringer Behörden scheinen an einer gemeinsamen Aufklärung aber bisher
       noch nicht interessiert. Der Aufforderung, Vertreter des dortigen
       Innenministeriums und des Verfassungsschutzes in die Sitzung der
       Kontrolleure nach Berlin zu schicken, kam das Land am Dienstag jedenfalls
       nicht nach.
       
       Zu laufenden Ermittlungen sagte Oppermann wenig, da die Sitzungen des
       Kontrollgremiums stets geheim sind. Er ließ jedoch durchscheinen, dass die
       Zwickauer Zelle noch mehr Unterstützter haben könnte als bisher bekannt.
       "Es gibt Hinweise auf weitere Helfer", sagte Opperman. Er schloss nicht
       aus, dass das PKG einen Sonderermittler einsetzen werde. Hartfrid Wolff von
       der FDP brachte zudem die mögliche Einsetzung eines
       Untersuchungsausschusses ins Gespräch.
       
       Ohne konkrete Details zu nennen, sagte Hans-Christian Ströbele, der für die
       Grünen die Geheimdienste kontrolliert, er habe am Dienstag "erschreckende
       Einblicke" bekommen. "Es steht jetzt schon fest, dass der Verfassungsschutz
       versagt hat."
       
       In der kommenden Woche wird neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium
       auch der Innenausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung
       zusammenkommen. Zu der Unterrichtung sollen auch der neue
       Generalbundesanwalt Harald Range und der heutige Chef des Thüringer
       Verfassungsschutzes kommen, dessen Behörde im Zentrum der Kritik steht.
       
       ## Sonderkommission in Thüringen
       
       Um die Versäumnisse der Thüringer Sicherheitsbehörden im Umgang mit den
       Ende der neunziger Jahre in Jena untergetauchten drei mutmaßlichen
       "NSU"-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. zu untersuchen,
       hat das Land am Dienstag eine eigene Kommission eingesetzt.
       
       Leiten soll sie der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard
       Schäfer. Landesinnenminister Jörg Geibert (CDU) sprach von einem
       "allumfassenden Untersuchungsauftrag", der nicht auf einen bestimmten
       Zeitraum beschränkt sei. Auch über Ländergrenzen hinweg solle ermittelt
       werden. Eine enge Zusammenarbeit mit Sachsen sei bereits vereinbart.
       
       Inwieweit die Kommission dabei auch auf staatsanwaltschaftliche Akten
       zugreifen darf, war zunächst noch unklar. Ungeachtet dessen kündigte die
       Generalstaatsanwaltschaft Jena an, dass sie die damaligen Ermittlungen
       überprüfen wird. Möglicherweise wird in Erfurt auch ein parlamentarischer
       Untersuchungsausschuss eingerichtet.
       
       ## Ex-Bundesrichter soll aufklären
       
       Schäfer sei eine "völlig unangreifbare Persönlichkeit", sagte Geibert und
       sicherte ihm absolute Unabhängigkeit zu. Der 74-Jährige war viele Jahre
       Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, zuletzt Vorsitzender Richter des
       ersten Strafsenats. Mit Geheimdienstaffären hat er sich ausführlich
       beschäftigt, zweimal war er Sachverständiger des Parlamentarischen
       Kontrollgremiums des Bundestags, als es darum ging, BND-Affären
       aufzuklären. 2004 ging es um Spionagevorwürfe gegen einen hochrangigen
       Beamten, 2006 um die Bespitzelung von Journalisten.
       
       24 Aktenordner über das Terrortrio liegen laut Geibert beim
       Landeskriminalamt Thüringen. Darüber hinaus dürfe die Kommission auf alle
       Akten und Vorgänge zugreifen, die dem Minister zur Verfügung stehen.
       Schäfer hat keine rechtliche Befugnis, Aussagen zu erzwingen, Betroffene
       sind aber möglicherweise dienstrechtlich verpflichtet, sich zu äußern. Ob
       er auch mit Personen aus dem Umfeld der Rechtsterroristen sprechen wird,
       ließ Schäfer offen. Die dreiköpfige Kommission soll kommende Woche ihre
       Arbeit aufnehmen, zunächst für drei Monate.
       
       15 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR S. Erb
   DIR W. Schmidt
   DIR P. Wrusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rechter Terror
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