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       # taz.de -- Übergangsregierung in Griechenland: Sympathisanten der Militärjunta
       
       > Mit der rechtsnationalen Laos-Partei sind in Athen zwielichtige Gesellen
       > in hohe Ämter gekommen. Ihr Einfluss könnte noch gefährlich wachsen.
       
   IMG Bild: Fand eine Nische rechts außen: Laos-Chef Giorgos Karatzaferis.
       
       ATHEN taz | Koalitionsregierungen sind in Griechenland ein Kuriosum. Nur
       sechsmal in den letzten 140 Jahren konnten sich alle wichtigen Parteien des
       Landes zu einer gemeinsamen Regierung zusammenraufen. In der neuen
       Übergangsregierung von Lucas Papademos sind sogar die Rechtspopulisten der
       Nationalen Volksbewegung (Laos) mit von der Partie – sehr zum Befremden der
       linken Opposition. Wie konnte es so weit kommen?
       
       Gegründet wurde die Laos-Partei im Jahr 2000 von konservativen Abweichlern,
       angeführt vom ehemaligen Journalisten, Bodybuilder und Modellagenturinhaber
       Giorgos Karatzaferis. Während damals die bürgerlich-konservative Opposition
       unter dem späteren Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis sich deutlich der
       politischen Mitte annäherte, sah der opportunistische Pragmatiker
       Karatzaferis seine Nische im rechten Lager.
       
       Zu seinen Weggefährten der ersten Stunde gehörten Politiker, die sonst nie
       eine Chance gehabt hätten, ins griechische Parlament zu kommen; so etwa
       Mavroudis Voridis, einst Mitglied der rechten Nationalen Politischen Union,
       die mit der griechischen Militärjunta sympathisierte. Oder auch Adonis
       Georgiadis, der als Verleger völkisch-nationales Gedankengut pflegt.
       
       Mit solchem Polit-Personal konnte die Laos-Partei bei der Europawahl 2004
       Erfolge feiern und sah sich auf einer Stufe mit der österreichischen FPÖ.
       Von linken Kommentatoren wurde Karatzaferis daraufhin wegen seiner
       rechtsnationalen Ansichten als "Karatzaführer" verspottet.
       
       ## Man gibt sich moderat
       
       Doch seitdem hat der Volkstribun erneut die Zeichen der Zeit erkannt und
       eine taktische Kehrtwende versucht. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als
       die konservative Opposition unter dem Exaußenminister Antonis Samaras
       ihrerseits nach rechts driftet, gibt er sich auf einmal betont moderat und
       hat auch kein Problem damit, Exsozialisten wie den Abgeordneten Alexandros
       Chryssanthakopoulos in seine Partei aufzunehmen.
       
       Nur die wenigsten würden Karatzaferis heute einen Rechtsradikalen nennen
       und wer das tut, wird sofort angezeigt. Schlimmer noch: Während Sozialisten
       und Konservative in den letzten Jahren Schulden angehäuft haben, gibt der
       begabte Schauspieler Karatzaferis den besonnenen Staatsmann, stimmt den
       meisten Sparvorgaben von Giorgos Papandreou zu und appelliert immer wieder
       an den Staatspräsidenten, eine Regierung der nationalen Einheit zu
       etablieren.
       
       Am vergangenen Freitag durfte er seine Gegenleistung fordern und vier
       Laos-Politikern wichtige Posten in der neuen Übergangsregierung sichern:
       Mavroudis Voridis wird das Ministerium für Infrastruktur und Verkehr
       leiten, zwei Parteifreunde werden Staatssekretäre und der Exdiplomat
       Giorgos Georghiou wird zum stellvertretenden Verteidigungsminister gekürt.
       
       Erstmals seit über knapp 40 Jahren sind in Athen damit rechtsnationale
       Politiker wieder an der Macht. Sie erhoffen sich noch mehr Macht, wenn die
       Volksparteien sich dauerhaft gegenseitig schwächen.
       
       15 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Papadimitriou
       
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