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       # taz.de -- Gentrifizierung schädlich für Kinder: "Prenzlauer Berg ist Apartheid"
       
       > Der Soziologe Heinz Bude glaubt, dass gentrifizierte Stadtteile und
       > Privatschulen "für die Kinder nicht gut" sind. Er wirft aber Eltern ihre
       > Bildungspanik nicht vor.
       
   IMG Bild: Der Soziologieprofessor Heinz Bude hält gentrifizierte Stadtteile für schädlich für die kindliche Entwicklung.
       
       Gentrifizierte Stadtteile mit hohen Mieten und milieuhomogenen Schulen wie
       Berlins Prenzlauer Berg sind nach Einschätzung des Soziologen Heinz Bude
       nicht etwa gut für die dort lebenden Mittelschichtskinder, sondern
       schädlich. "Prenzlauer Berg ist Apartheid, die noch nicht mal weiß, dass
       sie Apartheid ist. Die Segregationsprämie bezahlt man hier mit dem
       Mietpreis", sagte Bude der sonntaz.
       
       Auch Privatschulen seien "auf die Dauer für die Kinder nicht gut: Die
       müssen lernen, mit Kindern zusammenzuleben, die anders als sie sind." Es
       sei Aufgabe der Schule, Kinder auf die Gesellschaft vorzubereiten und sie
       mit "Lebensweisen" zusammenzubringen, "die nicht die eigenen sind". Das,
       sagt Bude, sei notwendige "Einübung in einen belastbaren Pluralismus."
       
       Bei dem Versuch, die eigenen Kinder auf "gute Schulen" zu bringen, handele
       sich allerdings nicht um einen perfide geplanten Selektionsprozess von
       Mittelschichtseltern, auch wenn es eine "sozialmoralische Ansteckungsangst"
       gegenüber anderen Teilen der Gesellschaft gebe. Hauptmotivation für das
       Handeln der Eltern sei "Bildungspanik" und Sorge um die Zukunft ihrer
       Kinder. Das wirft ihnen Bude nicht vor. Im Gegenteil: "Ich halte es für
       völlig absurd, den Eltern ihre anthropologische Disposition auf Familie
       auszureden. Man muss mit Familien arbeiten, nicht gegen sie.
       
       Bude, 57, ist Soziologieprofessor in Kassel, arbeitet am Hamburger Institut
       für Sozialforschung und hat soeben das Buch "Bildungspanik"
       veröffentlicht.Grund für diese Panik ist für ihn die Situation dieser
       Eltern, die selbst als Bildungsgewinner des Nachkriegsdeutschlands soziale
       Aufsteiger sind, ordentlich verdienen, aber in einem Angestelltenverhältnis
       stehen, sodass sie weder Festanstellung, noch den damit verbundenen
       gesellschaftlichen Status weitervererben können. Und fünf Mietshäuser
       besäßen sie auch nicht. "Das ist das Grundmerkmal der Klientel der Grünen",
       sagt Bude. "Sie sind relativ privilegiert, aber auch relativ vulnerabel."
       
       Dieses Wissen um die eigene Verletzbarkeit führt zum alljährlich
       nervenaufreibender werdenden Kampf der Eltern um einen Gymnasiums-Platz für
       ihre Kinder - und laut Bude zu einer Spaltung der Gesellschaft.
       
       Seine Lösung für den Konflikt zwischen Priviligienverteidigern und
       Privilegienlosen: "Den Konflikt als Lebenselexier der Gesellschaft
       akzeptieren und nicht denken, dass die Selbstähnlichkeit uns rettet." Aber:
       "Man darf dabei keine Bildungspolitik machen, die das
       Statuserhaltungsinteresse der gebildeten Mehrheitsklasse unserer
       Gesellschaft delegitimiert. Man sollte diesen Eltern vielmehr zu verstehen
       geben: Es ist völlig in Ordnung, dass du das Beste für dein Kind willst.
       Dann hat man auch die Berechtigung zu sagen: Seid doch nicht so furchtbar
       aufgeregt."
       
       Grundsätzlich basiere die grassierende Bildungspanik auf einer
       Fehleinschätzung der Zukunft, weil sich der demografische Faktor auf den
       Arbeitsmarkt der kommenden Jahrzehnte positiv auswirke. Das Problem sei:
       "Die Leute glauben es nicht."
       
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       12 Nov 2011
       
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