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       # taz.de -- Cholesterinsenkende Lebensmittel: Medikamente im Kühlregal
       
       > Foodwatch warnt: Cholesterinsenkende Lebensmittel wie
       > Becel-pro.aktiv-Margarine könnten für Menschen ohne Cholesterinproblem
       > riskant sein.
       
   IMG Bild: Kann gefährlicher sein, als man denkt: Margarine.
       
       BERLIN taz | Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert von der
       Industrie, wegen möglicher Gesundheitsgefahren keine cholesterinsenkenden
       Lebensmittel wie die Margarine Becel pro.activ mehr zu verkaufen.
       
       Zu viel Cholesterin im Blut kann sich an den Gefäßwänden ablagern und so
       Herzinfarkte oder Schlaganfälle verursachen. Deshalb setzt etwa der
       Nahrungsmittelkonzern Unilever einigen Produkten Pflanzensterine zu –
       Substanzen, die den Cholesterinspiegel senken sollen. Das Unternehmen
       suggeriert in seiner Werbung, dass sich so Herz-Kreislauf-Erkrankungen
       verhindern ließen.
       
       Doch die Nebenwirkungen der Pflanzensterine könnten das Risiko sogar
       erhöhen, kritisiert Foodwatch und verweist unter anderem auf ein Gutachten
       des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Demnach entwickelten
       Versuchstiere Anzeichen von Gefäßschäden, nachdem sie große Mengen
       Pflanzensterine gefressen hatten.
       
       Das sei ein Hinweis darauf, "dass der Verzehr von hohen Mengen an
       Pflanzensterinen möglicherweise negative Auswirkungen auf die Gesundheit
       haben könnte", schreibt das BfR – auch wenn sich aus den vorliegenden
       Studien kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Dosis und der Wirkung
       ableiten lasse. Die Behörde kommt aber zu dem Schluss: "Menschen mit
       normalen Cholesterinwerten sollten auf den Verzehr von Lebensmitteln mit
       zugesetzten Pflanzensterinen verzichten."
       
       Vielen Verbrauchern ist das nicht bekannt. 45 Prozent derer, die
       Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen essen, haben ihren
       Cholesterinspiegel nicht messen lassen. Das ergab eine Umfrage im Auftrag
       der Verbraucherzentralen und des BfR. Diese Produktnutzer wissen also
       nicht, ob sie ihren Cholesterinspiegel senken müssen.
       
       Unilever zum Beispiel ist daran nicht ganz unschuldig. Zwar schreibt er auf
       seine Margarinepackungen: "Exklusiv bestimmt für Personen mit überhöhtem
       Cholesterinspiegel". Doch in einem Werbespot lässt der Konzern eine Frau
       sagen: "Ich war ein wenig besorgt über meinen Cholesterinspiegel. Deshalb
       habe ich angefangen, täglich Becel pro.activ zu essen." Foodwatch hält es
       für eine Aufforderung zu einer womöglich gefährlichen Selbstmedikation,
       "Becel pro.activ für jedes Kind zugänglich neben Rama und Lätta im
       Supermarkt anzubieten".
       
       ## Margarine in die Apotheke
       
       Die Organisation verlangt deshalb, die Margarine "nur auf ärztliche
       Empfehlung in der Apotheke" zu verkaufen. Unilever sollte versuchen, das
       Produkt als Medikament zuzulassen, sodass die Behörden den umstrittenen
       gesundheitlichen Nutzen sowie die Risiken und Nebenwirkungen beurteilen
       müssen.
       
       Unilever wies das in E-Mails an Foodwatch zurück. "Grundsätzlich können
       Menschen nach Ansicht der Wissenschaft auch keinen zu niedrigen
       Cholesterinspiegel aufweisen", erklärte das Unternehmen. Eine Untersuchung
       der Wirtschaft habe gezeigt, dass "das Produkt von der Zielgruppe gekauft
       wird". Und Unilever weise immer darauf hin, dass die Margarine für Personen
       mit erhöhtem Cholesterinspiegel gedacht sei.
       
       Der Streit über das Produkt hat grundsätzliche Bedeutung. Denn die
       Lebensmittelindustrie investiert Milliarden Euro in teures "Functional
       Food" wie Becel pro.aktiv – also Lebensmittel mit einem angeblichen
       Zusatznutzen für die Gesundheit. Nestlé rechnet nach Medienberichten bis
       2050 mit einem Anteil von 50 Prozent am gesamten Lebensmittelmarkt.
       
       10 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Brot
   DIR Foodwatch
       
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