# taz.de -- Übergangsregierung in Griechenland: Alles, nur nicht links
> Loukas Papademos ist als neuer Regierungschef im Gespräch. Finanzminister
> Venizelos bleibt offensichtlich im Amt - er reiste nach Brüssel.
IMG Bild: Wer übernimmt in Athen? Die Zeitungen spekulieren, alle anderen warten.
ATHEN taz | Es ist bezeichnend für den Ernst der Lage: Noch bevor der Name
des neuen Ministerpräsidenten durchsickert, steht schon der Name des
Finanzministers fest, der offenbar auch der alte ist, nämlich Evangelos
Venizelos.
Der Vizeregierungschef der letzten Papandreou-Regierung machte sich gleich
auf den Weg nach Brüssel, wo sich am Montagabend die Finanzminister der
Eurozone trafen, um auch über Griechenland zu beraten. Für Dienstag steht
außerdem ein Treffen der EU-Finanzminister in der belgischen Hauptstadt an.
Ansonsten wird in Athen weiter gepokert. Einig sind sich die verhandelnden
Sozialisten und Konservativen darüber, dass die neue Übergangsregierung das
Land zu Neuwahlen führen soll, voraussichtlich am 19. Februar 2012. Auch
auf die Person des Ministerpräsidenten habe man sich geeinigt, hieß es noch
am Montagabend.
Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Bankier und ehemalige EZB-Vizechef
Loukas Papademos, der in Deutschland hohes Ansehen genießt und schon heute
die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou gelegentlich in
Wirtschaftsfragen berät. Offenbar ahnt Papademos, welche Herkulesaufgaben
auf ihn zukämen, denn er soll in der Vergangenheit schon mehrmals den Job
des Finanzministers abgelehnt haben.
## Verfassungsrechtliche Probleme
Und auch am Montag wollte der ehemalige EZB-Vize wohl die eine oder andere
Bedingung diktieren. Im Gespräch für die Führung der Übergangsregierung bis
zu den Neuwahlen im Februar war außerdem der ehemalige EU-Umweltkommissar
Stavros Dimas, ein Konservativer.
Die Verzögerung der Athener Verhandlungen ist allerdings nicht auf
Papademos, sondern vor allem auf verfassungsrechtliche Probleme und
parteipolitisches Manöver zurückzuführen. Immerhin betreten Politiker und
Verfassungsjuristen Neuland.
Erstmals in der Geschichte Griechenlands soll nämlich ein Ministerpräsident
die Macht übergeben, ohne selbst offiziell zurückgetreten zu sein. Dieser
neue Griff Papandreous in die politische Trickkiste soll offenbar seine
eigene politische Zukunft sichern: Mitte November läuft seine Amtszeit als
Parteivorsitzender aus, aber er könnte sich wieder zum Parteichef wählen
lassen und bei den Neuwahlen 2012 erneut kandidieren mit dem
triumphierenden Hinweis, sein Gegenspieler Samaras habe die kritische
Einstellung zur drastischen Sparpolitik der Sozialisten ohnehin aufgegeben
und vertrete mittlerweile dieselbe wirtschaftspolitische Linie wie
Papandreou.
## Linksparteien alleine in der Opposition
Genau diesen Eindruck will die konservative Nea Dimokratia um jeden Preis
vermeiden, um ihre durch die Sparmaßnahmen gebeutelten Stammwähler bloß
nicht zu verlieren. Aus diesem Grund weigert sich Parteiführer Samaras,
hochkarätige Abgeordnete der Konservativen in die neue Regierungsmannschaft
aufnehmen zu lassen.
Am Montagnachmittag durfte auch der Vorsitzende der rechtspopulistischen
Orthodoxen Volksbewegung, Giorgos Karadzaferis, beim Staatspräsidenten
vorsprechen. Seit einigen Jahren gibt er sich betont moderat, pflegt aber
auch sein Gedankengut, wenn es darauf ankommt. Folgerichtig machte er als
Voraussetzung für seine Unterstützung geltend, die Regierung müsste das
Ausländerrecht modifizieren, um den Zugang zur griechischen
Staatsangehörigkeit zu erschweren.
Kaum anzunehmen, dass Papandreou auf diese Forderung eingeht. Die
Rechtspopulisten werden wohl weiterhin auf Distanz bleiben und sich mit
bissiger Kritik zurückhalten, um wertkonservative Wähler nicht
abzuschrecken.
Die Folge: Linksparteien müssen im Alleingang die Rolle der Opposition
übernehmen. Der Abgeordnete der gemäßigten Linken Allianz, Dimitris
Papadimoulis, kritisierte bereits die Bildung einer Einheitsregierung aus
Sozialisten und Konservativen und erklärte in einem TV-Interview, zweimal
falsch würde doch nicht einmal richtig ergeben.
Noch viel drastischer fällt die Kritik der einst moskautreuen
Kommunistischen Partei Griechenlands aus: Die neue Regierung sei eine
gemeinsame Front Brüsseler und griechischer Plutokraten, die gegen das Volk
mit Feuer und Schwert kämpfen, erklärte Parteisprecher Panayotis Mendrekas.
7 Nov 2011
## AUTOREN
DIR Jannis Papadimitriou
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