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       # taz.de -- Aktivistin über umstrittenes Uni-Seminar: "Kein Tierversuch ist sinnvoll"
       
       > Nach Protesten stoppt die Uni Ulm einen Näh- und Operationskurs an
       > lebenden Schweinen. Tierschützerin Corina Gericke spricht über die Aktion
       > und warum sie Tierversuche ablehnt.
       
   IMG Bild: Schweine leben besser, wenn man sie lässt.
       
       taz: Frau Gericke, ist es nicht sinnvoll, angehende Chirurgen erstmal an
       Schweinen üben zu lassen, bevor man sie an Menschen lässt? 
       
       Corina Gericke: Nein, gewiss nicht! Von den ethischen Gründen abgesehen,
       ist das schon deshalb unsinnig, weil das Schwein eine ganz andere Anatomie
       hat. Die einzige vernünftige Art, chirurgische Eingriffe zu erlernen, ist
       die Übung an lebensechten Modellen, die heute schon sehr weit entwickelt
       sind, gefolgt von der Assistenz bei einem erfahrenen Chirurgen. Ich möchte
       mich nicht von einem Arzt operieren lassen, der nur an Tieren geübt hat.
       
       War der Näh- und Operationskurs in Ulm eine Ausnahme oder sind Tierversuche
       die übliche Praxis in der Ärzteausbildung? 
       
       Es gibt verschiedene Übungen an Tieren, die auch an anderen Universitäten
       durchgeführt werden. Aber der Kurs in Ulm war der einzige seiner Art. Das
       gilt jedoch nur für das Studium. Bei der Fortbildung von bereits
       ausgebildeten Ärzten gibt es so etwas immer noch. In Ulm kam aber dazu,
       dass unerfahrene Studenten an den Tieren üben sollten.
       
       Sind weitere Aktionen wie die gegen den Kurs in Ulm geplant? 
       
       Ja, solche Aktionen sind durchaus wieder möglich. Wir wissen, dass es
       einige Firmen gibt, die solche Kurse aus rein kommerziellen Gründen
       anbieten. Diese Firmen verdienen damit viel Geld und lassen sich schwerer
       unter Druck setzen als eine Universität, die ja eine öffentliche
       Einrichtung ist.
       
       Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da, was Tierversuche
       angeht? 
       
       Wenn man Ausbildung und Forschung zusammenzählt, liegt Deutschland beim
       Verbrauch von Tieren im Labor nach Frankreich und Großbritannien an dritter
       Stelle in der EU.
       
       Steht die mediale Aufmerksamkeit, die Tierversuche bekommen, nicht im
       Missverhältnis zu den abermillionen Tieren, die für die
       Nahrungsmittelproduktion gequält werden? 
       
       Im Gegenteil! Tierversuche werden in den Medien oft falsch oder positiv
       dargestellt. Gleichzeitig erlebt der Vegetarismus eine Renaissance und wird
       derzeit stark thematisiert. Man denke nur an die Proteste gegen die
       zahlreichen neuen Schweine- und Hähnchenmastanlagen, die große mediale
       Aufmerksamkeit bekommen. Außerdem kann ein Unrecht nicht mit einem anderen
       aufgewogen werden. Wenn in Deutschland 60 Millionen Schweine pro Jahr für
       die Nahrungsmittelproduktion getötet werden und an der Uni Ulm vielleicht
       20 bis 30 Tiere, wirkt das zunächst wie ein verschwindend geringer Teil. Es
       geht hier aber auch um ein Symbol, wie wir mit Tieren in unserer
       Gesellschaft umgehen.
       
       Gibt es Ausnahmen, bei denen Sie sagen: Ja, hier sind Tierversuche
       sinnvoll? 
       
       Nein, es gibt keine Ausnahmen! Weder aus ethischen noch aus
       wissenschaftlichen Gründen sind Tierversuche in irgendeiner Form zu
       rechtfertigen. Warum sie dennoch durchgeführt werden, hat kommerzielle und
       dogmatische Gründe. Als wissenschaftlich gilt nur, was in Tierversuchen
       erprobt wurde. Wer das schon seine ganze Karriere lang so gemacht hat, hat
       kein Interesse, das zu ändern.
       
       25 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Fischer
       
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