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       # taz.de -- Zugeständnisse für die Euro-Rettung: Kotau vor der Opposition
       
       > Hebel für den Rettungsfonds, Schuldenschnitt für Griechenland und eine
       > Abstimmung im Plenum. Die Regierung gibt in etlichen Punkten nach.
       
   IMG Bild: Wieder eingehebelt? Der Bundestag wird nun über die Eurorettung entscheiden.
       
       BERLIN taz | Am Sonntagabend, nach dem EU-Gipfel in Brüssel, hatten die
       Journalisten noch vergeblich auf Informationen über konkrete Beschlüsse
       gewartet. Kredithebel? Schuldenschnitt? Eigenkapitalquote? Fehlanzeige. Am
       Montagnachmittag wurden sie dann doch verkündet - aber nicht von den
       europäischen Regierungschefs, sondern eher nebenbei von der deutschen
       Opposition: Im eisigen Wind vor dem Zaun des Kanzleramts berichteten
       Frank-Walter Steinmeier (SPD), Jürgen Trittin (Grüne) und Klaus Ernst
       (Linke), was die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihnen gerade
       mitgeteilt hatte.
       
       Und das war erstaunlich konkret. Der Schuldenschnitt für Griechenland solle
       zwischen 50 und 60 Prozent betragen. Um das ohne Probleme für die
       Gläubigerbanken zu ermöglichen, soll das Eigenkapital der Banken in ganz
       Europa auf 9 Prozent aufgestockt werden. Und auch der sogenannte Hebel, mit
       dem die Wirksamkeit des Eurorettungsfonds EFSF erhöht werden soll, sei
       konkret bestätigt worden.
       
       Das Volumen, das zum Aufkauf von Staatsanleihen zur Verfügung stehe, werde
       durch eine Versicherungslösung auf über eine Billion Euro gesteigert
       werden, berichtete Trittin. Schriftliche Eckpunkte dazu sollten noch am
       Montagabend vorgelegt werden, so dass am Dienstag der Haushaltsausschuss
       und am Mittwoch der Bundestags darüber entscheiden könne.
       
       ## Bundestag entscheidet
       
       Noch am Freitag hatten Union und FDP es abgelehnt, dass sich das
       Bundestagsplenum mit dem Thema befasst. Nun konnte die Opposition
       triumphieren: Es sei eine gute Nachricht, "dass nicht heimlich irgendwo in
       Ausschüssen, sondern im Plenum des Bundestages debattiert und entschieden
       wird", sagte Steinmeier. Auch inhaltlich fühlten sich Grüne und SPD als
       Sieger: Einen größeren Schuldenschnitt und eine höhere Eigenkapitalquote
       fordern sie schon länger. Und auch dass der Rettungsschirm vermutlich nicht
       groß genug ist, hatten die Finanzpolitiker der Parteien schon lange
       eingeräumt - während die FDP einen Hebel bislang explizit abgelehnt und die
       Union eine Debatte darüber als Spekulation bezeichnet hatte.
       
       Nun scheint klar, dass es einerseits zu einem stärkere Engagement des
       Internationalen Währungsfonds und andererseits zu der diskutierten
       Versicherungslösung kommt. Statt direkt die Staatsanleihen von
       Krisenstaaten aufzukaufen, würde der EFSF dann als Versicherung agieren und
       Privatinvestoren oder ausländische Staatsfonds gegen einen teilweisen
       Ausfall der Staatsanleihen absichern. Würde etwa ein Verlust von 25 Prozent
       abgesichert, blieben Staatsanleihen für Investoren eine sichere Anlage.
       
       Im Vergleich zum direkten Aufkauf durch durch den EFSF könnte so ein
       viermal so großes Volumen erreicht werden; allerdings würde sich auch das
       Ausfallrisiko für den Fonds entsprechend erhöhen, wie Steinmeier und
       Trittin betonten. Das Abstimmungsverhalten ihrer Fraktionen ließen sie noch
       offen, bis die Details bekannt sind. Zudem fordern sie eine verbindliche
       Zusage von Merkel zur Finanztransaktionssteuer im Euroraum.
       
       ## Geringer Kapitalbedarf
       
       Weniger umstritten dürfte die höhere Eigenkapitalquote von 9 Prozent sein:
       Wenn die Banken im Verhältnis zu ihren Investments mehr eigene Mittel
       bereithalten müssen, sind sie bei Ausfällen weniger anfällig. Für die
       Aufstockung des Eigenkapitals sollen EU-weit 100 Milliarden Euro nötig
       sein, sagte Trittin unter Berufung auf Merkel. In Deutschland wird eine
       vergleichsweise moderate Summe von 5,5 Milliarden Euro erwartet; diese
       können die Banken vermutlich ohne staatliche Hilfe aufbringen. Wichtige
       Details, etwa zu veränderten Berechnungsgrundlagen der Eigenkapitalquote,
       sind aber auch bei diesen Thema noch offen.
       
       Die nun angekündigte Höhe des Schuldenschnitts für Griechenland von 50 bis
       60 Prozent liegt ebenfalls im Rahmen dessen, was zuvor von vielen Experten
       gefordert worden war. Durch einen Forderungsverzicht in dieser Höhe könnte
       das Land zumindest langfristig wieder in die Lage gelangen, seine Schulden
       aus eigener Kraft zu bedienen.
       
       Am Mittwochmittag wird Angela Merkel diese Pläne in ihrer
       Regierungserklärung vermutlich präzisieren und verteidigen. Wenn dann wie
       erwartet der Bundestag den Regelungen zustimmt, können am Mittwochabend die
       Regierungschefs der Eurostaaten die offiziellen Entscheidungen treffen.
       
       24 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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