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       # taz.de -- Rettungsschirm auch für Versicherer: Der Schuldenschnitt wird teuer
       
       > Eine Pleite Griechenlands trifft auch vermeintlich sichere
       > Versicherungen. Die EU debattiert darüber, wie den Unternehmen geholfen
       > werden kann.
       
   IMG Bild: Die Versicherungen müssen jetzt Zahlen vorlegen, inwieweit sie von der Griechenland-Krise betroffen sind.
       
       HAMBURG taz | Auch die Versicherungswirtschaft droht in den Sog der
       Schuldenkrise zu geraten. Der diskutierte Schuldenschnitt für Griechenland
       von 50 Prozent würde neben den Banken auch diese Branche treffen. Wie den
       Assekuranzen geholfen werden kann, dazu wird auf dem zweiten
       Eurokrisengipfel am Mittwoch eine Entscheidung erwartet.
       
       Bereits am Montag reagierte die Bundesanstalt für
       Finanzdienstleistungsaufsicht: Die großen in Deutschland tätigen
       Versicherer müssen der Behörde bis zum 7. November die genaue Höhe ihrer
       Geldanlagen bei Banken offenlegen.
       
       Die Finanzkrise hat gezeigt, dass selbst Finanzinstitute mit einem relativ
       sicheren Geschäftsmodell in existenzielle Schwierigkeiten geraten können.
       Versicherungsgesellschaften pflegen an sich ein solches Geschäftsmodell:
       Sie schätzen die Risiken eines Autounfalls in Hamburg oder einer Flutwelle
       in Thailand ab und kalkulieren entsprechend die Prämien, die ihre privaten
       Kunden und Firmen zahlen müssen.
       
       Die Assekuranzen selbst sichern sich bei Rückversicherern weltweit ab.
       Zudem werden die vielen Milliarden Euro, die sie an Prämien kassieren, auch
       wegen strenger gesetzlicher Vorgaben überwiegend in vermeintlich
       gefahrlosen Finanztiteln angelegt, etwa in Staatsanleihen. Doch diese
       gelten mittlerweile zum Teil als "Schrottpapiere" und stecken - siehe
       Griechenland - voll unwägbarer Gefahren.
       
       Noch ist unklar, ob die EU-Staaten am Mittwoch einen weiteren
       Schuldenerlass für Griechenland verkünden werden. Betroffen wären dann
       neben den Banken vor allem Versicherer.
       
       ## Intakte Risikostreuung
       
       Das Engagement der Assekuranz in Papieren der "PIIGS-Staaten", gemeint sind
       Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien, liegt laut der
       Finanzaufsicht Bafin je nach Staat in einer Bandbreite von rund 0,3 bis 3
       Prozent der gesamten Kapitalanlagen.
       
       Die Risikostreuung scheint damit intakt zu sein; dass ein Versicherer an
       einem Schuldenschnitt für Griechenland verbluten könnte, schließen
       Beobachter aus. Doch ein Schuldenschnitt käme teuer, letztlich auch die
       versicherten Kunden.
       
       Dazu trifft die Versicherer schon die andauernde Zinsflaute hart. Wer sein
       Kapital in sicheren Wertpapieren anlegt wie die Versicherer, setzt auf
       Zinseinnahmen. Doch durch die Finanzkrise sind die Leitzinsen in den USA,
       Japan und Europa mit 1,5 bis 0 Prozent im Keller und gleichen nicht einmal
       die Inflation aus. Aufgrund der weltweiten Rezessionsangst dürften die
       Leitzinsen noch lange niedrig bleiben.
       
       Die Branche wirkt angesichts dieser Zwickmühle ratlos. Von der EU soll sie
       nun ein Jahr mehr Zeit bekommen, die neuen, strengeren Kapitalregeln nach
       "Solvency II", bereits 2009 verabschiedet, erst 2014 anzuwenden.
       
       Demnach sollen Versicherer wie nun auch die Banken für riskante Anlagen
       einen zusätzlichen Kapitalpuffer einbauen. Die EU-Kommission hat zudem eine
       Krisenklausel ins Gespräch gebracht, um im Notfall die strengen
       Bilanzregeln zu lockern.
       
       ## Versteckte Reserven
       
       An den endgültigen Bestimmungen für die Assekuranz wird derzeit noch unter
       Hochdruck gefeilt. Besonders erfolgreich erscheint die deutsche Lobby: So
       sollen die Kunden von den versteckten Reserven in den Bilanzen künftig
       weniger abbekommen.
       
       Das würde die Kapitalbasis der Unternehmen stärken - und Lebens- und
       Rentenversicherungen noch weniger attraktiv machen. Ob die Versicherer
       damit in einem Teufelskreis stecken, soll ein sechster Stresstest im
       kommenden Jahr ergeben.
       
       Verbraucher müssen sich um ihre Renten- und Lebensversicherungen nicht
       sorgen, versichert die Finanzaufsicht Bafin. Aber um die Renditen ihrer
       Geldanlage: Im Januar sinkt der Garantiezins, den Versicherte für eine neue
       Lebensversicherung erhalten, von bescheidenen 2,25 auf mickrige 1,75
       Prozent. Versicherte verlieren also Geld, denn die Inflationsrate liegt
       deutlich darüber.
       
       24 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermannus Pfeiffer
       
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