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       # taz.de -- Geldanlagen in edle Rohstoffe: Vom Glück des großen Geldes
       
       > Seit Jahren bringen Menschen ihre Ersparnisse nach Bremen in der
       > Hoffnung, hier eine sichere Anlageform zu finden. Nun ist die Firma
       > Crystal insolvent - das Geld ist weg.
       
   IMG Bild: Der Bunker Muggenburg war ein Goldturm - vor allem für Vater und Tochter Gläser.
       
       "Da tut sich nix", sagt Frau D., "das interessiert doch niemanden." Seit
       einigen Jahren ist Bremen die Drehscheibe von Geldanlagebetrügern, die
       Staatsanwaltschaft hat die Vorgänge im Auge, im November 2010 hat sie der
       Wirtschaftskammer des Landgerichts sogar eine Anklageschrift übermittelt.
       Anklage erhoben ist bis heute nicht, der Betroffene versucht gerade einen
       Neu-Einstieg. Seit 2008 hat seine Tochter das Geschäft mit dem klingenden
       Namen "Crystal international consultants" geführt, im August hat sie
       Insolvenz angemeldet. Ihr haben Dutzende von Anlegern bundesweit ihr Geld
       anvertraut, bei Frau D. waren es mehr als 200.000 Euro aus einer Erbschaft,
       und als sie dann die Erbschaftssteuern bezahlen sollte, war alles weg. "Ich
       war viel zu gutgläubig", sagt sie.
       
       Wie viel Geld da zusammengetragen wurde, weiß niemand - es gibt keine
       ordentliche Buchhaltung, sagt der vorläufige Insolvenzverwalter. Vielleicht
       waren es 20 Millionen Euro, vielleicht mehr. Das Geld sollte in wertvollen
       Rohstoffen in dem Bunker Auf der Muggenburg im Überseehafengebiet angelegt
       werden - er habe dort keine mehr vorgefunden. In einem zweiten Lager bei
       der Firma Wandel hatte der Gerichtsvollzieher vor einigen Wochen alles
       gepfändet. Zwar hat die Geschäftsführerin Deborah Gläser angegeben, sie
       habe Silber und andere Rohstoffe im Wert 20 Millionen Euro beiseite
       geschafft - wohin, das wollte sie dem Insolvenzverwalter aber nicht sagen.
       Ob die Werte auffindbar sind, ist also offen - wenn es diese Summe wirklich
       gäbe, hätte sie nicht Insolvenz anmelden müssen, sagt der
       Insolvenzverwalter.
       
       Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. Im April 2008 hatten die
       Bremer Wirtschaftsförderer an die Firma Crystal den Bunker Muggenburg
       verkauft, er wurde mit Safes und Sicherheitstüren ausgestattet. In dem
       Bunker sollten im Auftrag von Crystal die wertvolle Edelmetalle der Kunden
       eingelagert werden, die perfekte Alternative zu krisenhaften
       Aktien-Geschäften. Der Weser-Kurier schwärmte von "Dagoberts Turm". Die
       Edelmetall-Preise steigen seit Jahren, das lockte Anleger aus der ganzen
       Republik. In dem komplizierten Vertragsgeflecht stand etwas von
       Sicherheitsübereignung, nach der die Geldanleger ihre Metalle als "Pfand"
       quasi besitzen sollten.
       
       Die Crystal-Gesellschaft ist eine "Ltd." und hat ihren Firmensitz in
       London. Das machte genauso wenig misstrauisch wie die Tatsache, dass
       Mehrheits-Gesellschafter der Crystal Ltd. eine Firma Cofino Invest S.A mit
       Sitz im fernen Marokko war. Diese marokkanische Firma nennt der
       Firmengründer, der heute 77-jährige Manfred Gläser, sein eigen. Weil er
       einschlägig vorbestraft ist, konnte er nur mit Strohmännern agieren - und
       dafür nutzte er diverse Freundinnen und Familienangehörige. Auffallend
       viele weibliche Anleger oder Anlage-Vermittlerinnen konnte Gläser
       überzeugen.
       
       Heute spalten sie sich in zwei Lager: die eignen, die sich von ihm
       hereingelegt fühlen, andere, die ihm weiter voll vertrauen. Seine Tochter
       habe seine Lebensidee zerstört, sagt er, und wirbt um neues Vertrauen, um
       frisches Geld zu bekommen. Mit dem, so sagt er, will er dafür sorgen, dass
       alle Anleger ihr Geld - zumindest das eingezahlte - zurückbekommen. So
       erklärte er es der taz. Das wird aber dauern - derzeit hat er keine
       Einkünfte.
       
       Was die Anleger nicht wussten: Eine zweite Firma, Base Metal Ltd., sollte
       für die geordnete Lagerung der Metalle sorgen, aber die gehörte auch
       Gläser. Optisch waren Vertragsabschluss und Sicherung der Rohstoffe also
       getrennt, de facto lag beides in denselben Händen. Eine Lagerhaltung, in
       der verzeichnet worden wäre, wann welches Edelmetall mit welchem Wert für
       welchen Besitzer gelagert oder eventuell verkauft worden ist, gibt es
       genauso wenig wie eine ordentliche Buchhaltung. Schon in den ersten zwei
       Jahren des Geschäftes, so stellte die Staatsanwaltschaft fest, hat Gläser
       rund 900.000 Euro als "Honorar" aus der Kasse genommen.
       
       Im Jahre 2008 kam es zu einer ersten Krise, als die taz veröffentlichte,
       dass der Gründer, der sich Henry Lewy nennt und offiziell nur als
       "Generalbevollmächtigter" in Erscheinung trat, identisch ist mit jenem
       Manfred Gläser, über dessen abenteuerliche Verhaftung in Casablanca der
       Focus 1995 berichtet hatte. Gläser war 1993 zu mehr als sieben Jahren Haft
       verurteilt worden - wegen des strafrechtlichen Vorwurfs der "Untreue" bei
       erheblichen Summen, 1995 war noch ein Jahr hinzugekommen. Auch in Marokko
       hat er dann fünf Jahre im Gefängnis gesessen. Alles Vorgänge, sagt er
       heute, hinter denen Intrigen, Fehl-Urteile und schlechte Menschen steckten.
       "Lewys Märchenstunde", sagt die betrogene Geldanlegerin D., die diese
       Geschichten früher einmal geglaubt hatte. Gläser erzählt, er sei in
       Wahrheit der Erbe des Julius Lewy, ein 500 Milliarden-Erbe warte auf ihn in
       der Schweiz. "Wer Unrecht, das ihm zugefügt wird, schweigend hinnimmt,
       macht sich mitschuldig", steht auf seiner Internetseite
       [1][www.henry-lewy.de].
       
       Selbst seine eigene Familie, die sich gern und großzügig von ihm mit Geld
       versorgen ließ, hält die Lewy-Geschichte für Spinnerei. "Meine Familie
       sagt: Entweder du stirbst, oder du gehst in die Irrenanstalt oder in den
       Knast", erzählt Manfred Gläser selbst. Im Jahre 2008 nutzte die Tochter
       Deborah Gläser die Chance, den Alten aus seiner eigenen Firma zu drängen -
       er sei wegen seiner Vergangenheit eine Belastung bei der Anleger-Akquise,
       erklärte sie damals. Seine damalige Geschäftsführerin zeigte ihn bei der
       Staatsanwaltschaft an.
       
       Aber offenbar ist die Tochter in die Fußstapfen des Vaters getreten. Die
       Firma Crystal räumte im Jahre 2010 in Bremen ihre Geschäftsräume ohne
       mitzuteilen, wohin sie verzogen war. Irgendwann tauchte eine Hamburger
       Adresse im Internet auf, an der sich aber weder Briefkasten noch
       Klingelschild fanden.
       
       Immer mehr Crystal-Kunden nahmen sich Rechtsanwälte, Sammelklagen wurden in
       einige Fällen sogar mit Erfolg eingereicht. Über 100 Versäumnisurteile
       kassierte Crystal unter der Geschäftsführerin Deborah Gläser - was äußerst
       verwunderlich ist, solange man unterstellt, dass die Edelmetalle als
       Sicherheit vorhanden sind und nur für Rückforderungen - zu einem deutlich
       gestiegenen Preis - hätten verkauft werden müssen.
       
       Nachdem er von seiner Tochter vor die Tür gesetzt worden war, hatte Vater
       Gläser eine neue Firma gegründet - eine neue Freundin diente als Strohfrau.
       "Die hat sich von meinem Geld ein teures Schlafzimmer und Brillanten
       gekauft", ärgert sich Frau D. heute noch. Diese "J. Stern
       Metallgesellschaft" hat nur wenige Kunden gewonnen, Gläser konnte in Bremen
       zuletzt seine Miete nicht mehr zahlen und musste einer Zwangsräumung
       weichen. Nun wirbt er um das Vertrauen der alten Crystal-Kunden - und um
       Anleger für seine neue Stern-GmbH.
       
       Neuerdings ist im Handelsregister als neue Crystal-Firmenadresse die Bremer
       Sögestraße 42-44 eingetragen. Dort allerdings residiert das Café Knigge,
       von Crystal ist dort nichts zu sehen. Allerdings findet sich ein
       Firmenschild des Anwaltes Werner Degenhardt neben dem Schaufenster von
       Knigge, durch die Konditorei hindurch kommt man zu dem Notar. Degenhardt
       arbeitet seit Jahren für Gläser, er hat die neuen Vertragsentwürfe
       formuliert. Wer dem alten Betrüger sein Geld anvertrauen will, zahlt es
       zunächst auf ein Treuhandkonto bei Degenhardt ein.
       
       Die Bremer Wirtschaftsförderer haben übrigens in den Kaufvertrag für den
       Bunker Muggenburg die Auflage hineingeschrieben, dass dessen Fassade
       verkleinert und verschönert werden müsse binnen eines Jahres. Vor einem
       Jahr haben sie an Crystal einen Brief geschrieben mit der Frage, wann das
       denn nun passiere. Der Brief kam damals unzustellbar zurück. Die
       Wirtschaftsförderer ließen die Sache daraufhin auf sich beruhen.
       
       Seit bald einem Jahr liegt beim Landgericht Bremen die Anklageschrift gegen
       Manfred Gläser. Sieben Punkte umfasst sie, darunter Gründungsschwindel,
       Insolvenzverschleppung, Betrug. Seit einem Jahr warten betrogene Anleger
       wie Frau D. auf die Eröffnung des Strafverfahrens.
       
       23 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.henry-lewy.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
       ## TAGS
       
   DIR Marokko
       
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