URI: 
       # taz.de -- Debatte Eurokrise: Plan B zur Bankenrettung
       
       > Die Bürger müssen nicht unbedingt mit weiteren Bürgschaften belastet
       > werden. Stattdessen könnten Zwangsanleihen für Aktionäre und Manager
       > eingeführt werden.
       
   IMG Bild: Die Banker sollen haften, das fordern auch die Demonstranten der Occupy Wall Street-Bewegung.
       
       Nein, die gegenwärtig diskutierten Pläne, wie mit der Schuldenkrise in der
       Eurozone umzugehen ist, sind nicht optimal. Besser wäre es, man würde den –
       endlich allgemein als unvermeidlich angesehenen – radikalen Schuldenschnitt
       Griechenlands über eine lange Zeit strecken.
       
       Wenn man die hellenischen Staatspapiere in von den Eurostaaten garantierte
       Bonds mit niedrigem Zinssatz und einer hohen Wiederanlageverpflichtung
       umtauschen würde, käme man um formale Abschreibungen bei den Banken herum.
       Trotzdem würde wegen der langen Frist über viele Jahrzehnte der Beitrag des
       Privatsektors erheblich steigen. Griechenland bekäme eine realistische
       Perspektive der Krisenlösung, statt sich einem brutalen Panikregime
       unterwerfen zu müssen, wie man jetzt von ihm verlangt.
       
       Besser wäre auch, man würde die an den Kapriolen des Finanzsystems
       unbeteiligte Mehrheit der BürgerInnen nicht weiter mit
       Bürgschaftsverpflichtungen belasten, um überhöhte Zinsen bei den anderen
       Wackelkandidaten zu garantieren. Stattdessen sollte man Zwangsanleihen für
       Vermögende und Einkommensstarke einführen. Das ist in Notzeiten schon
       häufig geschehen, und die seit 2008 bestehende Finanzkrise ist einer
       Naturkatastrophe ökonomisch gleichwertig.
       
       ## Die marktfreundliche Eurozone
       
       Aber eine solche so vernünftige wie gerechte Lösungskombination ist in
       absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Deutschland und auch der Rest der
       Eurozone sind politisch ähnlich marktfreundlich aufgestellt. Stattdessen
       will die Achse Merkel-Sarkozy wohl einen Schuldenschnitt in Griechenland
       mit einer Bankenrettung aus öffentlichen Mitteln verbinden, sei es auf
       nationalstaatlicher Ebene, sei es über den Rettungsschirm EFSF. Und wieder
       wird es heißen, eine solche Politik sei alternativlos. Und irgendwie
       eigentlich auch egal, weil am Ende der Steuerzahler so oder so hafte. Das
       aber darf man, das muss man bestreiten.
       
       Wenn denn die Stärkung der Kapitalausstattung der Banken im Moment das
       vielleicht einzige kurzfristig zur Verfügung stehende Instrument in der
       Eurozone darstellt, ist ein Plan B gefordert, der aufzeigt, wie auch dieses
       zweitbeste Instrument sinnvoll gestaltet werden könnte. Dass der wackelnde
       Bankensektor nicht einfach fallen gelassen werden kann, ist dabei die erste
       Einsicht. Man mag es empörend finden, dass hier schon wieder die Politik
       tätig werden muss, aber eine Welle von Bankenzusammenbrüchen kann sich
       niemand wünschen.
       
       Zweites Ziel einer Alternativlösung sollte aber sein, die
       durchschnittlichen SteuerzahlerInnen so wenig wie möglich zu belasten. Also
       auf die Märkte setzen? Das ist wenig erfolgversprechend. Denn InvestorInnen
       mögen nicht immer mit rationalen Einsichten glänzen, sie haben aber klare
       Interessen und werden deshalb zusätzliches Eigenkapital für die Banken kaum
       einfach in der notwendigen Höhe bereitstellen. Denn mehr Eigenkapital
       mindert die Höhe der Gewinnaussichten, dazu kommt weiter die häufig unklare
       Risikoposition.
       
       ## Aktien statt Einkommen
       
       Wer bleibt übrig, wenn man auch den Staat und überstaatliche Einrichtungen
       ausschließt? Die Aktionäre und Manager des Finanzsektors selbst. Sie haben
       in der Vergangenheit profitiert, sie müssen in der Zukunft tätige
       Wiedergutmachung leisten. Deshalb sollten erstens, bis zu einer bestimmten
       zu erfüllen Eigenkapitalquote, alle Dividenden nur in Form von Zusatzaktien
       an die AktionärInnen ausgegeben und die Gewinne in Eigenkapital überführt
       werden.
       
       Zweitens sollten alle Beschäftigten und Pensionäre der Banken ab einem
       bestimmten Schwellenwert (z. B. 50.000 Euro jährlich) alle weiteren
       vereinbarten Einkommen, ob nun Gehalt oder Boni oder üppige Abfindung,
       ebenfalls nur in Form von Aktien erhalten. Auch hier würde der Geldwert
       dieses Entlohnungsanteils dem Eigenkapital zugeführt.
       
       Ein zweites Problem ist die ungleiche Verteilung der Risiken bei den
       Banken. Hier wäre ein wenig "kapitalistischer Kommunismus" (Karl Marx)
       angebracht. Hat eine Bank ihr Eigenkapitalziel erfüllt, aber der
       Bankensektor insgesamt noch nicht, könnten die oben genannten Vorschriften
       zwar abgemildert werden - so viel Belohnung vorsichtigeren Investierens
       darf schon sein -, aber sie dürften nicht vollständig wegfallen.
       
       So könnte man etwa festlegen, dass für jeden dann wieder erlaubten
       ausgezahlten Dividenden-Euro ein zweiter in Neuemissionen von
       Geschäftsanteilen anderer, noch unterkapitalisierter Finanzinstitute im
       Land anzulegen wäre; und dass auch die Hälfte des Einkommens der
       Bankmanager über 50.000 Euro nur in dieser Form ausgezahlt werden dürfte.
       Zu den solcherart kollektiv gestützten Kreditinstituten sollten natürlich
       dann auch die diversen Bad Banks gezählt werden, sodass die
       SteuerzahlerInnen real von Verpflichtungen entlastet würden.
       
       ## Finanzsektor ver-haften
       
       Und wenn Kreditinstitute damit drohen, das Land zu verlassen? Das muss man
       nicht allzu ernst nehmen. Ihre Finanziers wie ihre Kunden sitzen
       mehrheitlich hier, und selbstverständlich könnte man ein entsprechendes
       Gesetz auch so formulieren, dass eine Sitzverlagerung erst nach der
       vollständigen Erfüllung der Eigenkapitalquote des Bankensektors möglich
       ist. So lange bliebe man als Bank haftbar. Haftbar sollten auch die Manager
       bleiben.
       
       Natürlich wäre für manche Banker die Verlockung groß, sich einen neuen Job
       etwa in London oder Zürich zu suchen, wo sie ihr Gehalt und Boni zur freien
       Verfügung bekommen. Aber erstens ist das kaum Zehntausenden möglich, und
       zweitens könnte man auch da vorsorgen; etwa durch eine gesetzliche
       Regelung, die für die zum Stichtag 1. 1. 2012 an Deutschlands Banken
       Beschäftigten eine Verpflichtung auf Zeit einführt, ihr Gehalt von jedwedem
       Arbeitgeber in jedwedem Land zu bestimmten Anteilen in Geschäftsanteilen
       von Banken anzulegen.
       
       Gerade weil noch vergleichsweise wenig betroffen, könnte Deutschland hier
       mit gutem Beispiel vorangehen. Und den Regierungen Sarkozys und
       Berlusconis, die zu gern ihre maroderen Banken über den EFSF, sprich zu
       Lasten der BürgerInnen Europas sanieren möchten, damit eindeutig
       signalisieren, dass erst einmal eine Ver-Haftung des Finanzsektors auf der
       Agenda stehen muss.
       
       20 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gerd Grözinger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Zugeständnisse für die Euro-Rettung: Kotau vor der Opposition
       
       Hebel für den Rettungsfonds, Schuldenschnitt für Griechenland und eine
       Abstimmung im Plenum. Die Regierung gibt in etlichen Punkten nach.
       
   DIR Angeschlagener Silvio Berlusconi: Eurokrise rettet vor Gerichtstermin
       
       Italiens Premier bleibt am Montag einem Korruptionsprozess gegen ihn fern:
       Er versucht, die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Und in seinem
       Sex-Prozess gibt es derweil Hickhack um die Zeugenliste.
       
   DIR Kommentar Eurogipfel: Europa lernt in der Krise
       
       Weil der gehebelte Rettungsschirm so ein Murks ist, dürfte der
       entscheidende Kulminationspunkt der Krise demnächst erreicht sein. Am Ende
       kommen die Eurobonds.
       
   DIR Die Wut-Griechen über ihre Krise: Ein Land hat sich ruiniert
       
       Griechenland ist lahmgelegt. Aber was bedeutet der Bankrott für die
       Einheimischen? Vier Wut-Griechen erzählen aus ihrem Alltag und erklären,
       wie es so weit kommen konnte.
       
   DIR Rettungsschirm mit Hebel: Zoff um das Billionending
       
       Finanzminister Schäuble hat offenbar lang gehegte Pläne verschwiegen, den
       Rettungsschirm per "Hebel" zu tunen. Auch sonst wirkt die Regierung konfus.
       
   DIR Wirtschaftskrise in Argentinien: Als nichts mehr ging, ging alles weiter
       
       Vor zehn Jahren brach Argentinien zusammen. Eine, die da war, erzählt von
       plötzlicher Armut, Tauschwirtschaft und Arbeiterinnen, die Betriebe in
       Eigenregie übernahmen.
       
   DIR Deutsch-Französisches Führungsduo: Treffen von Merkel und Sarkozy
       
       Kanzlerin und Präsident haben trotz eines Treffens keine gemeinsame
       Position zum Schuldenschnitt. Frankreichs Spitzenbonität ist weiter
       bedroht.
       
   DIR Vorsorge gegen Bankenpleiten: Zwang zum Eigenkapital
       
       Um den "Teufelskreis des Misstrauens" zu durchbrechen, fordert die EU eine
       verpflichtende Rekapitalisierung der Banken. Deutschland hingegen bremst.
       
   DIR Maßnahmen zur Eurorettung: Pakete und Pleiten
       
       Hilfspakete, Rettungsschirme, Schuldenschnitte und andere mögliche
       Maßnahmen, um Griechenland, den Euro und die Großbanken zu retten. Ein
       Überblick.