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       # taz.de -- Deutsch-Französisches Führungsduo: Treffen von Merkel und Sarkozy
       
       > Kanzlerin und Präsident haben trotz eines Treffens keine gemeinsame
       > Position zum Schuldenschnitt. Frankreichs Spitzenbonität ist weiter
       > bedroht.
       
   IMG Bild: Präsident unter Druck: Die Spitzenbonität Frankreichs steht vor dem EU-Gipfel infrage.
       
       BRÜSSEL taz | Kurz vor dem EU-Gipfel am Sonntag knirscht es im
       deutsch-französischen Getriebe. Bundeskanzlerin Angela Merkel und
       Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy trafen sich am Mittwoch überraschend
       zu einem Gespräch in Frankfurt am Main. Über den Inhalt drang jeoch nichts
       nach außen. Der Elysée-Palast in Paris hatte zuvor von einem "informellen
       Treffen" gesprochen.
       
       An den Gesprächen nahmen auch der scheidende Präsident der Europäischen
       Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sein Nachfolger Mario Draghi,
       EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel
       Barroso, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine
       Lagarde, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sowie die Finanzminister
       Deutschlands und Frankreichs, Wolfgang Schäuble (CDU) und François Baroin,
       teil.
       
       Der erhoffte Durchbruch bei der Eurorettung sei unterdessen weiter
       fraglich. Zudem sind die Gipfelvorbereitungen überschattet von der Drohung
       der Ratingagentur Moodys, Frankreich das Spitzenrating "AAA" abzuerkennen.
       
       Moodys hatte am Montag angekündigt, das Top-Rating Frankreichs zu prüfen.
       Die US-Agentur begründete dies mit dem Mangel an Reformeifer von Präsident
       Sarkozy und den steigenden Lasten durch die Eurorettung. Zwar ließ Sarkozy
       sofort verkünden, seine Regierung werde alles tun, die Spitzenbonität zu
       verteidigen. Man müsse "kühlen Kopf" bewahren, sekundierte Finanzminister
       François Baroin - doch die Nerven liegen blank.
       
       So fürchten Brüsseler EU-Diplomaten, der Gipfel könne scheitern und den
       Euro in noch größere Turbulenzen stürzen. Wenn Sarkozy die Lage nicht in
       den Griff bekomme, drohe sogar eine "Kernschmelze".
       
       Denn sollte Frankreichs Bonität abgewertet werden, könnte es die Eurozone
       nicht mehr auf Augenhöhe mit Deutschland führen, und auch der
       Rettungsschirm EFSF dürfte dann Probleme bekommen. Damit geriete die
       gesamte Eurostützung aus den Fugen.
       
       Dabei hatte vor zehn Tagen alles so schön angefangen: Bei einem Besuch in
       Berlin stimmte Nicolas Sarkozy mit Angela Merkel den Fahrplan für den
       nächsten Rettungsversuch ab. Griechenland solle über einen Schuldenschnitt
       entlastet werden, hieß es danach. Damit die Banken, die griechische
       Staatsanleihen halten, nicht ins Schleudern geraten, sei eine
       Rekapitalisierung der Institute geplant. Außerdem solle der EFSF
       schlagkräftiger gemacht werden.
       
       Doch kurz danach stritten Merkel und Sarkozy schon über die Höhe des
       Schuldenschnitts - Berlin strebt mindestens 50 Prozent an, Paris will bei
       den beim letzten Krisengipfel im Juli beschlossenen, aber immer noch nicht
       umgesetzten 21 Prozent bleiben. Dann stritten sie darüber, wer die Banken
       rekapitalisieren soll. Als sich die Gemüter gerade beruhigt hatten, ließ
       Merkel erklären, vom Gipfel am kommenden Sonntag sei kein Durchbruch zu
       erwarten.
       
       ## "Unser Schicksal entscheidet sich in zehn Tagen"
       
       "Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langen Weg", ließ sie ihren
       Sprecher Steffen Seibert erklären. Damit brüskierte die Kanzlerin Sarkozy,
       der nicht müde wird, eine definitive Antwort auf die Eurokrise
       anzukündigen. "Unser Schicksal entscheidet sich in den nächsten zehn
       Tagen", prophezeite Sarkozy am Dienstag in Nizza. Beim G-20-Gipfel Anfang
       November in Cannes will Gastgeber Sarkozy die Krise ausgestanden haben.
       
       Doch stattdessen ist Sarkozy nun selbst in Bedrängnis. Da der konservative
       Staatschef bis auf eine Rentenreform nicht viel zustande gebracht hat,
       gerät er ins Visier der Märkte. Wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl
       2012 muss er nachbessern und zugleich die französischen Großbanken stützen,
       die wegen der Griechenlandkrise besonders unter Druck stehen. Das kann
       teuer werden und das französische Defizit erhöhen, was wiederum die Märkte
       noch stärker verunsichert.
       
       Sollte Frankreich sein Top-Rating verlieren, wäre das auch ein Problem für
       Deutschland. Dann würde die Eurorettung noch schwerer auf Berlin lasten -
       und auf den deutschen Steuerzahlern.
       
       20 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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