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       # taz.de -- Unternehmen unterrichten: Lobbyisten an der Uni
       
       > Die Leuphana Universität in Lüneburg hat für ihre Projektwoche
       > Interessenvertreter aus dem Gesundheitswesen eingeladen. Die
       > studentischen Vertreter fürchten um Wissenschaftlichkeit und Neutralität.
       
   IMG Bild: Schöne neue Uni-Welt: Schon um den Bau eines neuen Audimax nach diesem Entwurf von Star-Architekt Daniel Libeskind wurden Korruptionsvorwürfe laut.
       
       HAMBURG taz | Der Asta Lüneburg wirft ihrer Hochschulleitung vor, den
       Lobbyismus an der Leuphana Universität zu fördern. Anlass der Kritik ist
       die heute endende Projektwoche "Gesundheit" für Erstsemester. In einem
       Planspiel waren die Studierenden angehalten für Deutschland ein
       Gesundheitssystem der Zukunft zu entwickeln und dann zu verhandeln. Durch
       diese Übung sollten sie unter anderem ein nachhaltiges "Verständnis für die
       Gesellschaft, in der sie Leben" entwickeln, so die Vorstellung der
       Organisatoren.
       
       Dass dies gelingen kann, bezweifelt der Asta. Die dazu eingeladenen
       Experten, die die Studenten während ihrer Projektarbeit beraten und
       unterstützen sollen, seien hauptsächlich Lobbyisten aus Wirtschaft und
       Politik. Studentensprecher Julian Frey vermisst "die unabhängigen
       Wissenschaftler und Patientenvertreter unter den anwesenden Experten".
       
       Er fürchtet eine zu einseitige, interessengeleitete Sicht auf die Dinge. Es
       könne auch nicht sein, "dass Studenten aus einer Broschüre über das
       deutsche Gesundheitswesen aufgeklärt werden, die maßgeblich von der
       Unternehmensberatung Boston Consulting Group erstellt wurden ist", so Frey.
       Eine ausgewogene Darstellung könne da nicht erwartet werden.
       
       Holm Keller, Vizepräsident für die Universitätsentwicklung, kann diese
       Kritik nicht nachvollziehen. Lerneffekt dieser Veranstaltung solle gerade
       sein, sich in Begegnung mit den verschiedensten Interessenvertretern eine
       eigene Meinung zu bilden. "Aussagen haben immer eine Richtung, es kommt
       darauf an, kenntlich zu machen, von wem sie kommen", so Keller. Er meint,
       die Studienanfänger seien "mündig". Auf der Broschüre sei klar zu sehen,
       von wem sie ist.
       
       "Deutlich problematisch" findet das Jacob Fricke von Lobby Control, einem
       gemeinnützigen Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in
       Deutschland und der EU aufklären will. "Gerade Studienanfänger sind noch
       nicht geübt, kritisch mit Inhalten umzugehen", so Fricke. Es bestehe die
       Gefahr, dass hier "Lobbyisten zukünftige Entscheidungsträger für eine
       bestimmte politische Richtung gewinnen wollen".
       
       Die Gefahr sieht Hochschulmanager Keller nicht: "Wir sind dankbar für die
       Unterstützung der Unternehmen, auch in der Lehre." Der Staat dürfe sich
       zwar aus der Hochschulfinanzierung nicht rausstehlen, aber "wenn wir etwas
       bekommen können, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, dann gibt es für
       uns keinen Grund abzulehnen", argumentiert Keller.
       
       Der Asta der Leuphana Universität fürchtet um "die Wissenschaftlichkeit und
       Neutralität der Lehre" und hat als Protest- und Gegenveranstaltung die
       "Startwoche Plus" ins Leben gerufen. Die Studierenden werden aufgefordert
       herauszufinden, wie viel Lobbyismus in der Erstsemester-Projektwoche
       steckt.
       
       Die Fragen sind: "Wer steht oder stand warum bereits miteinander in
       Beziehungen?" und "Was bringen diese personellen Netzwerke an inhaltlichem
       Einfluss mit? Welche Inhalte werden behandelt - oder eben nicht?" Die
       aufbereiteten Rechercheergebnisse werden veröffentlicht und die ersten drei
       Plätze sollen prämiert werden.
       
       13 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Niels Holsten
       
       ## TAGS
       
   DIR Lüneburg
       
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