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       # taz.de -- CDU in Baden-Württemberg: Die Basis will mitdiskutieren
       
       > Der neue Vorsitzende der baden-württembergischen CDU will eine neue
       > Diskussionskultur etablieren. Doch die Partei fällt immer wieder in alte
       > Verhaltensmuster zurück.
       
   IMG Bild: Eine "lebendige, diskutierende Partei": Der neue Vorsitzende Strobl will auch eine neue Parteikultur.
       
       Als Thomas Strobl im Juli zum neuen Chef der baden-württembergischen CDU
       gewählt wurde, trat er mit dem Versprechen an, eine "lebendige,
       diskutierende Partei" führen zu wollen. Ein hoher Anspruch. Denn in den
       zurückliegenden 58 Jahren, in denen die Christdemokraten das Land
       regierten, konzentrierte sich fast alles auf die Machtzentrale in
       Stuttgart. Doch jetzt geht Strobl neue Wege, um die Parteikultur zu
       erneuern. Die CDU ist dabei, Opposition zu lernen - und fällt teilweise
       doch noch in alte Verhaltensmuster zurück.
       
       Im Juli zielte Strobl bei seiner Wahl vor allem auf die Basis und die über
       70.000 Mitglieder ab. In ihnen sah er ein großes Potenzial, und genau das
       will er jetzt erstmals wirklich nutzen.
       
       Wenn sich die Südwest-CDU am Samstag zum Parteitag trifft, um über die
       Bildungspolitik zu diskutieren, verzichtet der Landesvorstand erstmals
       darauf, mit einem Leitantrag die Richtung vorzugeben. Stattdessen sollen
       die Mitglieder gemeinsam eine Position erarbeiten. Die Betonung liegt auf
       Mitglieder. Denn ebenfalls neu ist, dass nicht nur gewählte Delegierte am
       Parteitag teilnehmen können, sondern dieser für alle Mitglieder offen ist.
       "Alle sind herzlich willkommen, mitzudiskutieren und schließlich auch
       abzustimmen", sagte Strobl der taz.
       
       ## Der Unterschied ist massiv spürbar
       
       Am Ende soll ein gemeinsamer Standpunkt zu den Bildungsplänen stehen, die
       auf dem Bundesparteitag im November diskutiert werden. "Von unten nach
       oben, von der Basis an die Spitze", lautet das neue Motto Strobls. Im
       Vorfeld des Landesparteitags fanden bereits in Stadt-, Kreis- und
       Bezirksverbänden bildungspolitische Diskussionen statt, deren Ergebnisse in
       die Debatte am Samstag einfließen sollen.
       
       Und eine Woche später geht es gleich weiter. Bei einem Bürgerdialog am
       Freitagabend will die CDU in Rottweil mit Bundesfinanzminister Wolfgang
       Schäuble über den Euro und Europa diskutieren.
       
       An der Basis sei der Unterschied massiv spürbar, erklären verschiedene
       CDU-Orts- und Kreisvorsitzende. Besonders das Tempo, das die neue
       Landesführung an den Tag legt. "Es ist schon langsam so, dass wir sagen:
       Uff!", meint Sylvia Felder vom Kreisverband Rastatt im Gespräch mit der
       taz. Der neue Kurs bedeute eben, dass jedes einzelne Mitglied ganz neue
       Möglichkeiten habe, sich zu beteiligen - und diese auch nutze. Das bedeutet
       mehr Arbeit für die Verbände.
       
       Kreisparteitage oder Informationsveranstaltungen etwa zu Energie seien
       "überdimensional gut besucht". "Die Mitglieder haben einfach dieses
       Diskussionsbedürfnis", sagt Felder. Sie habe aber auch die Befürchtung, "ob
       man auf Dauer dieses Tempo so durchhalten kann".
       
       Auch Otto Deeng, Vorsitzender des Stadtverbandes in Biberach, sagte der
       taz, dass die Wandlung manch einem Mitglied sogar zu schnell gehe. Aber der
       Landesvorstand sei auf dem richtigen Weg. "Die CDU öffnet sich gewaltig.
       Ich bin überrascht, wie offen Herr Strobl mit der Basis umgeht." Die Rolle
       als Oppositionspartei zu finden, sei ein längerer Prozess und "schon ein
       schwieriger Weg".
       
       ## Denkzettel für den Fraktionsvorsitzenden
       
       "Wenn wir künftig Positionen von unten nach oben erarbeiten wollen,
       bedeutet das natürlich auch mehr Arbeit und Anstrengung", sagt Strobl. Und
       er selbst weiß: "Wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses."
       
       Wie viel Wahrheit in diesen Worten liegt, zeigt die aktuelle
       Auseinandersetzung mit dem Gerichtsurteil zum verfassungswidrigen
       EnBW-Deal. Infolge des Urteils hatte Willi Stächele (CDU) sein Amt als
       Landtagspräsident am Mittwoch niedergelegt, weil er als früherer
       Finanzminister eine zentrale Rolle bei dem Kauf der EnBW-Aktien gespielt
       hatte. Seit Stächeles Rücktritt gerät nun der christdemokratische
       Fraktionschef im Landtag, Peter Hauk, immer stärker in die Defensive.
       
       Zum einen verärgerte Hauk einige Fraktionsmitglieder mit einer voreiligen
       Nominierung eines neuen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten -
       ohne vorherige Diskussion. Dafür bekam er prompt einen Denkzettel, indem
       sich überraschend zwei andere Fraktionsmitglieder bewarben. Erst im zweiten
       Durchgang schaffte Hauks Kandidat Guido Wolf die Wahl durch eine Mehrheit
       der Fraktion.
       
       Vor allem aber steht Hauk in der Kritik, weil er kein Eingeständnis über
       die Lippen bringt, dass die CDU beim EnBW-Aktienkauf einen Fehler gemacht
       hat. Stattdessen beschwert er sich über Versuche, "die gesamte alte
       Landesregierung regelrecht zu kriminalisieren". Von Einsicht keine Spur. Im
       Stuttgarter Landtag herrscht deshalb gerade ein wenig verkehrte Welt. Die
       grün-roten Landtagsabgeordneten sticheln und treiben die schwarze
       Opposition vor sich her. Eigentlich sollte es seit der
       baden-württembergischen Landtagswahl wohl eher andersherum sein.
       
       13 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Michel
       
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