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       # taz.de -- Debatte Polen und die Eurozone: Hände weg vom Złoty
       
       > In den frühen 1990ern ging es Polen ähnlich wie heute Griechenland.
       > Inzwischen prosperiert das Land und hält Distanz zum Euro.
       
   IMG Bild: Eurobeitritt auf unbestimmte Zeit verschoben: Polen hält am Złoty fest.
       
       Die Wahlen sind vorbei, der Wahlkampf auch und damit kann sich die
       polnische Politik wieder den langfristigen Problemen widmen: Der Złoty ist
       nämlich ins Schlingern geraten. Dreimal hintereinander musste Polens
       Nationalbank nun schon Währungsreserven in dreistelliger Millionenhöhe
       verkaufen, um den Kurs des Złoty zu stützen. Damit wehrte sie allerdings
       erfolgreich Spekulanten ab, die mit Wetten auf den Verfall der polnischen
       Währung schnelles Geld machen wollten. Warschau hält sich penibel an die
       selbstgesetzten Regeln. So hat es Polen als einziges EU-Land geschafft,
       ohne größere Blessuren durch die Wirtschafts- und Finanzkrise zu kommen.
       
       Doch trotz der Schwäche der eigenen Währung denkt Warschau nicht daran, den
       Złoty gegen den Euro einzutauschen. Denn die Griechenlandkrise zeigt den
       Polen, wie verhängnisvoll es für ein Land sein kann, wenn es mit der
       eigenen Währung einen Teil seiner Souveränität aufgibt und in Krisenzeiten
       weder die Notenpresse anwerfen noch die eigene Währung abwerten kann. Dass
       Griechenland an seiner prekären Finanzsituation selbst schuld ist, sehen
       auch die Polen so.
       
       Allerdings gibt es für sie mindestens noch zwei Mitschuldige: Deutschland
       und Frankreich. Deren Banken haben den Großteil der Milliardenkredite
       gegeben, die Griechenland aus eigener Kraft kaum wird zurückzahlen können.
       Dass nun ausgerechnet deutsche Politiker aus FDP und CSU Griechenland ins
       Zeitalter der Drachme zurückstoßen wollen, statt das Land mit allen
       verfügbaren Mitteln aus dem Euro-Schulden-Sumpf zu ziehen, ist aus
       polnischer Sicht nichts anderes als ein Verrat an der Idee Europas.
       
       ## Ohne die EU "droht der nächste Krieg"
       
       Polens Finanzminister Jacek Rostowski hat recht, wenn er sagt, es sei
       keinem Land zuzumuten, einem Währungsverbund beizutreten, der die
       selbstgegebenen Regeln nicht einhält. In einer spektakulären Rede vor dem
       EU-Parlament in Straßburg mahnte er die Euroländer, endlich ihr
       Währungssystem in Ordnung zu bringen. Wenn die gemeinsame Währung
       zerbrösele, zerfalle über kurz oder lang auch die EU.
       
       Ohne die wirtschaftliche und politische Union aber drohe Europa der nächste
       Krieg. Mehr Solidarität sei nicht nur von den Ländern einzufordern, die
       finanziell stark den notleidenden zu Hilfe kommen müsste, sondern auch von
       denjenigen, die diese Hilfe erhielten. Eigentlich eine Binsenweisheit,
       sollte man meinen. Dennoch scheint sie von Zeit zu Zeit wiederholt werden
       zu müssen. Die EU-Parlamentarier würdigten die Rede mit Standing Ovations.
       
       ## Bindet Polens Kompetenz ein
       
       2004 hatte sich Polen im EU-Beitrittsvertrag verpflichtet die
       Gemeinschaftswährung zu übernehmen, sobald es alle Maastricht-Kriterien
       erfülle. Vor gut zwei Jahren kündigte Polens soeben wiedergewählter
       liberalkonservativer Premier Donald Tusk an, dass Polen im Jahre 2011 diese
       Bringschuld erfüllen und dem Euro beitreten werde. Doch dann häuften sich
       nicht nur die Hiobsnachrichten aus Euroland.
       
       Dessen Premierminister rümpften auch noch verächtlich die Nase, wenn
       Beitrittskandidaten wissen wollten, wie es denn nun in der
       krisengeschüttelten Eurozone weitergehen solle. Als Polen, das zurzeit die
       EU-Ratspräsidentschaft innehat, an den Euro-Krisengesprächen teilnehmen
       wollte, kam aus Frankreich ein entschiedenes "Non". Dass möglicherweise
       auch ein Finanzminister aus einem Nicht-Euro-Land Fachkompetenz in die
       Diskussion zur Eurorettung einbringen könnte, wurde glatt verneint. So kann
       Europa tatsächlich nicht funktionieren. So kann auch der Euro nicht
       gerettet werden. Ein dermaßen engstirniges und unkooperatives Verhalten der
       Eurostaaten kann nur in die Pleite führen.
       
       So hat nun Polen seinen Eurobeitritt erst einmal auf unbestimmte Zeit
       verschoben. Die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaftswährung ist durch die
       zaudernde Politik der Euroländer bereits schwer beschädigt.
       
       Als Bundespräsident Christian Wulff die Europäische Zentralbank für das
       Aufkaufen von Staatsanleihen verschuldeter Euroländer kritisierte und
       Wirtschaftsminister Philipp Rösler von einer Pleite Griechenlands sprach,
       mahnte Rostowski, dass die politischen Eliten Europas sich endlich
       entscheiden müssten, ob sie den Euro behalten wollten oder nicht. Sollten
       sie sich für einen geordneten Konkurs Griechenlands entscheiden, sollten
       sie auch gleich die geordnete Auflösung der Eurozone in Gang setzen. Mit
       der Pleite Griechenlands sei der Euro als glaubwürdige Währung endgültig
       passé. Wer dies nicht verstehe, begreife die Logik des Systems nicht.
       
       ## Die Politik ist das Problem
       
       Das Grundproblem des Euro sei kein ökonomisches, sondern ein politisches.
       Die Pleite eines oder mehrerer schlecht wirtschaftender Euroländer werde
       das Bankensystem der reichen Euroländer mit in den Abgrund ziehen. Von
       einer Pleite Italiens werde sich auch Deutschland lange nicht erholen. Die
       gesamte Eurozone werde in eine tiefe Rezession rasseln.
       Massenarbeitslosigkeit und Armut wären die Folge. Die einzige Lösung
       bestehe darin, in den sauren Apfel zu beißen und einen Teil der Schulden
       Griechenlands zu übernehmen.
       
       Im Gegenzug müsse Griechenland seine öffentlichen Finanzen völlig neu
       strukturieren. Das Land müsse in die Lage versetzt werden, sich
       wirtschaftlich wieder zu erholen und dann auch seine Restschulden selbst
       bedienen zu können. Ein Schritt in die richtige Richtung sei die
       Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die das EU-Parlament
       gerade verabschiedet hat.
       
       ## Psychologisch wichtiger Schuldenschnitt
       
       Im Westen weitgehend vergessen ist, dass Polen Anfang der 1990er in einer
       ähnlichen Situation war wie heute Griechenland. Polen wurde damals
       geholfen. Das Land musste einen Teil der Altschulden aus der
       kommunistischen Zeit nicht mehr zurückzahlen, ging aber auch nicht pleite.
       Psychologisch war der Schuldenschnitt ungeheuer wichtig.
       
       Die Menschen in Polen schöpften neuen Mut und bauten sich ein neues Leben
       auf. Noch hat das Land den Anschluss an den Westen nicht geschafft, doch es
       ist bereits absehbar, dass dies in den nächsten Jahren gelingen wird. Dann
       wird Polen nicht nur zu den Zugpferden der EU gehören, sondern auch dem
       Euro beitreten. Wenn die Währung dann noch existieren sollte.
       
       12 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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