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       # taz.de -- Morden im Kongo: Selektiert, erschossen und zerstückelt
       
       > Milizionäre töten im Osten des Landes gezielt sieben Tutsi-Mitarbeiter
       > einer Hilfsorganisation. Ein Politiker warnt: "Dieses Massaker nützt
       > Brandstiftern."
       
   IMG Bild: Muss im November 2011 um seine Wiederwahl fürchten: Kongos Staatschef Joseph Kabila.
       
       GOMA taz | Auf einem Treffen internationaler Hilfswerke wird eine
       Schweigeminute eingelegt, zivilgesellschaftliche Aktivisten sind schockiert
       über einen außergewöhnlich brutalen Mord an Mitarbeitern einer
       kongolesischen Nichtregierungsorganisation im Ostkongo, dessen Details erst
       nach Tagen bekannt geworden sind.
       
       Am Dienstagabend vergangener Woche, bestätigen die lokalen Behörden,
       starben sieben Menschen, als Milizionäre unweit der Stadt Fizi in der
       Provinz Südkivu nahe dem Tanganyika-See einen Kleinbus angriffen. Unter den
       12 Passagieren selektierten sie die neun Banyamulenge-Tutsi, befahlen den
       anderen drei zu fliehen, eröffneten dann auf die Tutsi das Feuer und
       zerstückelten die Leichen der Toten im Alter von 24 bis 77 Jahren. Von den
       neun überlebte eine alte Frau schwerverletzt sowie ein junger Mann, dem die
       Flucht gelang und der in Fizi Alarm schlagen konnte.
       
       "Es war ein organisierter, geplanter Mord", sagt in Goma Mathieu Munyakazi
       von der lokalen Friedensorganisation Adepae (Aktion für Entwicklung und
       Frieden von innen), der bei dem Massaker einen Schwager verlor - die Toten,
       beziehungsweise was von ihnen übrig blieb, wurden am Donnerstag in der
       Stadt Uvira beigesetzt.
       
       Munyakazi zufolge war der Kleinbus der Nichtregierungsorganisation
       Ebenezer, die in der Provinz Südkivu Schulen baut und Lehrer ausbildet,
       unterwegs in das Minembwe-Hochland, wo die Banyamulenge traditionell leben.
       Vier Kilometer vor Fizi, wo die Delegation übernachten wollte, sei der Bus
       in einen Hinterhalt geraten. "Sie sind da", hätten sich die Angreifer
       zugerufen, wie aus den Berichten der Überlebenden hervorgehe.
       
       Dass die Opfer ausgesondert wurden, um sie dann zu erschießen und auch noch
       mit Macheten zu köpfen, zeuge davon, dass es ein gezielter Angriff gegen
       Tutsi gewesen sei, so Munyakazi: "Menschen aufgrund ihrer ethnischen
       Zugehörigkeit zu töten - das ist, wie hier im Ostkongo Kriege beginnen."
       
       Als Täter vermutet er ebenso wie die lokalen Behörden in Fizi Angehörige
       der burundischen Hutu-Rebellenarmee FNL (Nationale Befreiungsfront), die
       auf dem Burundi gegenüberliegenden kongolesischen Ufer des Tanganyika-Sees
       nahe Fizi Basen unterhält. Die Gruppierung, die erst vor Kurzem in Burundi
       ein Massaker in einer Sportbar beging, arbeitet mit einer lokalen
       kongolesischen Miliz namens Mai-Mai-Yakutumba zusammen und auch mit der
       ruandischen Hutu-Miliz der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung
       Ruandas), die aus den für den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994
       verantwortlichen Kräften hervorgegangen ist.
       
       "Dieses Massaker nützt Brandstiftern, die von solchen Konflikten leben",
       warnte in Kinshasa Erick Ruberangabo, selbst Banyamulenge und Mitglied des
       kongolesischen Senats. Gezielte Verfolgung der Banyamulenge-Tutsi war 1996
       Auslöser für die Kongokriege gewesen, die erst den Sturz der
       Mobutu-Diktatur und später den Zerfall des Landes herbeiführten. Andauernde
       Verfolgung von Tutsi durch Hutu-Milizen war bis 2009 Beweggrund für die
       Rebellion des heute in Ruanda inhaftierten kongolesischen Tutsi-Generals
       Laurent Nkunda im Ostkongo.
       
       Das Massaker ereignet sich in einem Umfeld zunehmender Spannungen im Kongo
       kurz vor den Wahlen am 28. November. Amtsinhaber Joseph Kabila, der vor
       fünf Jahren seinen Wahlsieg vor allem der massiven Unterstützung der
       Ostkongolesen verdankte, muss um seine Wiederwahl fürchten, weil im
       Ostkongo heute massive Enttäuschung über seine Bilanz vorherrscht. Nicht
       wenige fürchten, dass das Regime daher entweder vor oder nach der Wahl
       gezielt Unsicherheit schüren könnte.
       
       Seit mehreren Monaten sind weite Teile der ostkongolesischen Kivu-Provinzen
       ohne reguläre Armeepräsenz, weil die Regierungsarmee in "Regimenter"
       neugegliedert wird, viele Soldaten zu diesem Zweck kaserniert sind und ihre
       Neustationierung sich immer weiter verzögert. Daher können Milizen wie die
       FNL relativ ungestört agieren.
       
       9 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
   DIR Dominic Johnson
       
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   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Kongo
       
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