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       # taz.de -- Nobelpreis in Physik: Neumöblierung des Universums
       
       > Drei US-Astrophysiker erhalten dieses Jahr den Physiknobelpreis. Sie
       > entdeckten, dass sich das Weltall immer schneller ausdehnt.
       
   IMG Bild: Astrophysiker Saul Perlmutter erklärt eine Supernova.
       
       BERLIN taz | Für Gott wird es allmählich eng. Vor Kolumbus glaubten die
       meisten Menschen, sich auf einer Scheibe zu befinden. Drumherum war genug
       Platz für spirituell nutzbare Räume. Die Entdeckung des Weltalls machte
       manchem Theologen schon zu schaffen. Spätestens seit Bekanntgabe der
       diesjährigen Physiknobelpreisträger am vergangenen Dienstag ist sogar das
       vorherrschende Weltbild eines Universums, das sich allmählich ausdehnt,
       obsolet geworden. Alles wird nicht nur immer größer, alles wird immer
       schneller immer größer.
       
       Die drei US-Amerikaner Brian Schmidt, Adam Riess und Saul Perlmutter, die
       sich den Preis aus Schweden teilen, erforschten bereits Anfang der 1990er
       Jahre Supernovä, sehr lichtstarke, ferne, explodierende Sterne. Perlmutter
       fotografierte mit riesigen Digitalkameras an Neumond einen kleinen Teil des
       Himmels.
       
       Nach 27 Tagen machte er von demselben Ausschnitt wieder ein Foto und
       subtrahierte die eine Aufnahme von der anderen. So konnte er sehen, ob in
       diesem Zeitraum eine Supernova explodiert war.
       
       Die drei Astrophysiker durchsuchten auf diese Weise Tausende von Galaxien
       und beobachteten Dutzende von Supernovä.
       
       Lutz Wisotzki von der Universität Potsdam erklärte am Dienstag auf einer
       Veranstaltung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin, dass
       durch diese Forschung der drei Preisträger eine "kosmische Messlatte"
       verfügbar wurde.
       
       Er verglich die gigantischen Explosionen mit einer Kette von Glühlampen der
       gleichen Baureihe "Je weiter sie weg sind, desto schwächer erscheinen sie",
       so Wisotzki. Da Supernovä etwa gleiche Lichtmengen abgeben, aber
       unterschiedlich hell hier am Nachthimmel erscheinen, lassen sich auf diesem
       Weg Rückschlüsse auf ihre Entfernungen ziehen. Daraus ergibt sich, dass das
       Universum in einer Art und Weise expandiert, die niemand zuvor erwartet
       hatte.
       
       In der Vergangenheit ging man davon aus, dass sich die Ausdehnung des
       Universum seit dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren wegen der
       Anziehungskraft der Materie verlangsamt. Inzwischen aber nimmt man an, dass
       für die Ausdehnung des Universums die sogenannte Vakuumenergie
       verantwortlich ist, die auch als Dunkle Energie bezeichnet wird.
       
       ## Dunkle Materie
       
       Auf der Grundlage der Beobachtung der Sternenexplosionen wurde nun
       berechnet, dass die Dunkle Energie 73 Prozent der gesamten Energie des
       Universums ausmacht. Weitere 23 Prozent entfallen auf die sogenannte Dunkle
       Materie, nur etwa 4 Prozent der Energie hat etwas mit Materie wie zum
       Beispiel den Atomen zu tun, also mit der uns bekannten Welt.
       
       So spricht der Astrophysiker Christian Spiering, Astrophysiker am
       Forschungszentrum DESY in Zeuthen bei Berlin, bezüglich der Leistung der
       drei ausgezeichneten Wissenschaftler bereits von einer "Neumöblierung des
       Universums".
       
       So neu sind die nun prämierten Erkenntnisse übrigens nicht. Albert Einstein
       hatte in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie schon 1915 vorhergesagt,
       dass sich das Universum entweder ausdehnt oder zusammenzieht. Er stellte
       die sogenannte Kosmische Konstante auf, die er später als größte Eselei
       bezeichnet haben soll.
       
       Ein sich stetig vergrößerndes Universum passte nämlich nicht in die
       Weltsicht jener Epoche. Nach den Ergebnissen der diesjährigen Preisträger
       könne man jedoch sagen, dass Einsteins Konstante brillant war, schreibt die
       Nobelstiftung.
       
       Eines allerdings erscheint inzwischen unvermeidlich: Wenn die Ausweitung
       sich weiter beschleunigt, wird das Universum im Eis enden. Auch ist noch
       weitgehend unklar, was genau die Dunkle Energie und die Dunkle Materie
       sind. Es ist also noch Raum für jede Menge Forschungen und Entdeckungen und
       natürlich auch wieder Raum für theologische Betrachtungen.
       
       7 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lutz Debus
       
       ## TAGS
       
   DIR Nobelpreis
       
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