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       # taz.de -- Angst vor neuem Bankencrash: EU drängt auf neue Bankenhilfen
       
       > Die EZB pumpt noch mehr Geld auf den Markt. In Europa wächst die Sorge
       > vor einem Bankenkollaps. Und Kanzlerin Merkel ist offen für staatliche
       > Hilfen.
       
   IMG Bild: Erleuchtet: Euro-Symbol vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
       
       BERLIN taz | 
       
       Vieles erinnert derzeit an den Sommer 2008, die Zeit der Lehman-Pleite: Die
       Banken haben das Vertrauen zueinander verloren und leihen sich gegenseitig
       kaum noch Geld. Die Aktienmärkte sind nervös, vor allem Bankaktien fallen.
       Eine erste Bank steht vor der Pleite. Und die Politik bereitet hektisch die
       nächste große Rettungsaktion für die Finanzinstitute vor. 
       
       Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss am Donnerstag, wie zu
       Hochzeiten der Krise, wieder besonders langfristige Kredite an Banken zu
       vergeben; das soll helfen, eine Kreditklemme zu verhindern. Zudem stellt
       sie 40 Milliarden Euro für den Rückkauf gedeckter Anleihen zur Verfügung.
       Die EU-Kommission drängt ihre Mitgliedstaaten offen zur Hilfe für den
       Finanzsektor: Präsident José Manuel Barroso sagte am Donnerstag, man
       schlage "den Mitgliedstaaten eine koordinierte Aktion vor, die Banken zu
       rekapitalisieren". Details nannte er nicht. Die EU-Finanzminister erteilten
       derweil der Europäischen Bankenaufsicht den Auftrag, die europäischen
       Banken auf ihre Widerstandskraft gegen einen möglichen Schuldenschnitt für
       Griechenland zu prüfen.
       
       Während die Bundesregierung bisher eher bemüht war, das Problem
       herunterzuspielen, zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am
       Mittwochabend erstmals offen für neue Finanzhilfen. "Die Bundesregierung
       steht bereit, wenn notwendig eine solche Kapitalisierung durchzuführen",
       sagte sie in Brüssel. Am Donnerstag, nach einer Sitzung mit den Spitzen von
       IWF, Weltbank und EZB in Berlin, bekräftigte sie dies. "Wir sollten die
       Hinweise der Fachleute, dass die europäischen Banken nicht ausreichend
       kapitalisiert sind, sehr ernst nehmen." Den möglichen Einsatz von
       Steuermitteln verteidigte sie als "vernünftig investiertes Geld." Die
       Schäden im Fall eines Zusammenbruchs von Banken seien viel höher.
       
       Grund für die aktuelle Sorge ist, dass viele Banken große Bestände an
       Anleihen der europäischen Krisenstaaten haben. Niemand weiß, wie viel von
       ihren Forderungen sie je wiedersehen -und wie gut sie die möglichen
       Ausfälle verkraften. Mit der Dexia steht ein erstes Institut vor der
       Pleite; die Ratingagentur Moody's hat zudem gerade die Bonität der
       italienischen Banken herabgestuft.
       
       Die Frage ist nun, wie die Kapitalspritzen konkret erfolgen sollen. Zuerst
       sollen die Anteilseigner der Banken ran, hieß es. Doch wenn sie kein neues
       Kapital mehr zuschießen können oder wollen, müssen wohl oder übel wieder
       die Staaten zahlen. Bereits überschuldete Staaten wie Irland oder Spanien
       könnten sich das Geld womöglich beim Eurorettungsfonds EFSF beschaffen.
       Oder die Europäische Investitionsbank springt als Finanzier ein. Offen ist
       auch, ob alle Banken gezwungen werden, Geld zu nehmen, um zu verhindern,
       dass einzelne Institute als Krisenbanken geoutet werden und neue Probleme
       bekommen. Entschieden werden könnte dies beim nächsten EU-Gipfel am 17. und
       18. Oktober.
       
       ##
       
       6 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR M. Kreutzfeldt
   DIR N. Liebert
       
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