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       # taz.de -- FDP-Befragung zu Euro-Rettungskurs: Urdemokratisch basisdemokratisch
       
       > Die Unterschriften reichen aus, die Mitgliederbefragung wird also kommen.
       > Die FDP-Parteibasis wird somit über die weiteren Euro-Rettungspläne
       > abstimmen.
       
   IMG Bild: Euro-Rebell Schäffler hat genügend Unterschriften für eine FDP-Mitgliederbefragung gesammelt.
       
       BERLIN rtr | Einem Mitgliederentscheid der FDP über die milliardenschweren
       Euro-Rettungsmaßnahmen steht nichts mehr im Wege. "Wir haben 3650
       Unterschriften zusammen", sagte Initiator Frank Schäffler am Dienstagabend
       in Berlin. Dies sind rund 400 Unterschriften mehr als zur Einleitung der
       Befragung notwendig sind. Damit habe erstmals in der Parteigeschichte die
       Basis einen solchen Entscheid erzwungen, zeigte sich der Finanzexperte
       zufrieden. Geplant sei, die Unterschriftenliste am Montag vor der
       Präsidiumssitzung an Generalsekretär Christian Lindner zu übergeben.
       
       Schäffler geht nach eigenen Worten davon aus, dass die Abstimmung im
       Dezember stattfinden wird. Im Oktober und November hätten die Mitglieder
       dann Zeit, über den Antrag seiner Gruppe und den angekündigten
       Alternativantrag der Parteiführung zu diskutieren.
       
       Die Initiatoren um Schäffler wenden sich gegen "unbefristete
       Rettungsmaßnahmen, bei denen Deutschland für Schulden anderer Staaten
       haftet". Dies richtet sich insbesondere gegen den geplanten dauerhaften
       Euro-Rettungsmechanismus ESM, über den der Bundestag im Januar abstimmen
       soll.
       
       Die FDP-Satzung sieht vor, dass fünf Prozent und damit 3236 Mitglieder
       unterschreiben müssen, um die Befragung durchzusetzen. Dass Schäffler die
       erforderlichen Unterschriften zustandebringen würde, war in der
       Parteiführung bereits erwartet worden. Die Spitze der Liberalen hat
       zugesagt, das Verfahren sauber durchzuführen und konstruktiv zu begleiten.
       
       ## Parteispitze ist trotzdem optimistisch
       
       FDP-Chef Philipp Rösler und Generalsekretär Lindner hatten sich zudem
       zuversichtlich gezeigt, dass in einem Alternativantrag am Ende der Kurs der
       Parteispitze bestätigt werden wird. Dieser stützt die Euro-Rettungsschirme,
       knüpft die Auszahlung von Hilfsgeldern aber an strenge Bedingungen.
       
       Die stellvertretende Parteivorsitzende Cornelia Pieper forderte die
       Mitglieder auf, gegen die Initiative zu stimmen. Zwar sei der
       Mitgliederentscheid ein "urdemokratischer Vorgang", sagte die
       Staatsministerin im Auswärtigen Amt der Mitteldeutschen Zeitung. Die FDP
       dürfe aber "als Europapartei mit großer Tradition auf keinen Fall
       populistischen Stimmungen nachjagen". Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing
       zeigte sich gelassen. "Ich halte das für unproblematisch", sagte er dem
       Sender Phoenix. Fest stehe, dass es für eine Regierungspartei nicht
       ausreiche zu sagen, wogegen man sei. "Man muss auch die Frage beantworten,
       wie man in der gegenwärtigen Krise den Euro stabilisiert."
       
       Schäffler hat stets betont, es gehe ihm bei seiner Aktion um eine
       "Graswurzelbewegung". Beim Parteitag im Mai hatte er für seine Haltung in
       geheimer Abstimmung ein Drittel der Delegierten hinter sich vereinen
       können. Inzwischen macht er nach eigenen Worten einen klaren
       Stimmungsumschwung in der Partei aus, die etwa durch die zugespitzte Lage
       in Griechenland bedingt sei. Einige Befürworter des Mitgliederentscheids,
       etwa aus dem Landesverband Schleswig-Holstein, haben allerdings betont,
       dass sie den Entscheid zwar unterstützen, die Positionen Schäfflers aber
       nicht teilen.
       
       ## Ur-Abstimmung beim Lauschangriff
       
       Für die Parteispitze und die Regierung kommt die Aktion der Kritiker
       einerseits zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da ohnehin viel Unruhe
       in der Partei, der Regierung und auf den Finanzmärkten herrscht. Auf der
       anderen Seite könnte die FDP-Führung gestärkt aus einer Befragung
       hervorgehen, sollte Schäfflers Position keine Mehrheit finden.
       
       Die Bundestagsabgeordneten wären an das Votum der Mitglieder ohnehin nicht
       gebunden. Allerdings kämen sie bei der für Dezember geplanten Entscheidung
       über den neuen dauerhaften Rettungsmechanismus ESM in eine politisch heikle
       Situation, wenn sie ein Nein der Mitglieder ignorieren wollten.
       
       Schon einmal hat die FDP-Basis eine Position der Parteiführung zum Wanken
       gebracht. 1995 etwa gab es eine Urabstimmung, bei der sich eine Mehrheit
       für den "Großen Lauschangriff" aussprach. Als Reaktion darauf trat
       Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zurück.
       
       5 Oct 2011
       
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