URI: 
       # taz.de -- Debatte Wege aus der Euro-Krise: Euro und Drachme
       
       > Es gibt einen dritten Weg aus der Krise: Die Drachme fungiert als
       > Binnenwährung, indessen internationale Geschäfte weiter über Euros
       > laufen.
       
   IMG Bild: Wie wirken sie sich auf lokale Wirtschaftskreisläufe aus? Bunte Farinet-Scheine
       
       Der Ablauf ist mittlerweile bekannt: Um Gehälter, fällige Rechnungen und
       den Schuldendienst zahlen zu können, benötigt der mittellose griechische
       Staat frische Kredite. Diese können wegen der fragwürdigen
       Rückzahlungsfähigkeit nur noch gegen Garantie der Euroländer bereitgestellt
       werden. Damit deren Risiko überschaubar bleibt, verlangen die Bürgen
       größtmögliche Sparanstrengungen, die eine Kommission (die "Troika")
       regelmäßig prüft. Teuflisch schließt sich der Kreis, weil und wenn die
       dramatischen Einschränkungen bei Personal und Investitionen das
       gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zum Erliegen und die
       Staatseinnahmen weiter nach unten bringen.
       
       So verwundert es nicht, dass sich Euroland hin und her gerissen fühlt
       zwischen der Insolvenz mit sicherem Verlust und dem Schrecken ohne Ende,
       der unbegrenzten Alimentation Griechenlands. In Verbindung mit der
       Insolvenz wird zudem ein Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone
       diskutiert. Dieser Vorschlag dürfte wesentlich daher rühren, den
       bedrohlichen Fall aus der Eurowelt zu schaffen. Doch weist er einen
       attraktiven Aspekt auf: Der Staat wäre wieder Souverän über seine Währung
       und könnte seinen inländischen Verpflichtungen quasi "aus der Notenpresse"
       nachkommen.
       
       ## Rapide abstürzende Wechselkurse
       
       Ein zweiter Blick offenbarte jedoch schnell verhängnisvolle Fallen, wie man
       sie aus Ländern mit weichen Währungen kennt: Inflationsgefahren durch eine
       aufgeblähte Geldmenge und einen vermutlich rapide abstürzenden Wechselkurs,
       fehlendes Interesse ausländischer Investoren, ungeregelte und
       undurchsichtige Eurobewegungen im Lande, Flucht der verbliebenen
       Eurokapitalien ins Ausland (wie hoch mögen die bereits transferierten
       Euroguthaben sein?); nur die Devisenspekulanten und die Schwarzmärkte
       würden aufblühen, Europa erlitte einen unübersehbaren Vertrauensverlust
       nach innen und außen.
       
       Dabei wird eine nahe liegende Lösung kaum bis gar nicht behandelt: Die
       Beibehaltung des Euro als Leitwährung und (!) die (Wieder-)Einführung der
       Drachme, nun aber als nicht konvertible Zweitwährung. Auf lokaler Ebene ist
       dieser dualistische Ansatz schon auf einen Hirtenweg gebracht worden. Die
       unter [1][www.ovolus.gr] firmierende Initiative in der Hafenstadt Patras
       hat den "Ovolus" in die Welt gesetzt, mit dem Anbieter und Nachfrager auch
       ohne Besitz von Euros ins Geschäft kommen können. (vgl. Handelsblatt online
       vom 25. 8. 2011). Auf diese Weise kann Wirtschaften, das sinnvolle und
       effiziente Zusammenführen von Bedarf und dessen Deckung, auch ohne Besitz
       "echten" Geldes in Gang gesetzt werden.
       
       ## Keiner hortet Drachmen
       
       Die Protagonisten des Ovolus und anderer Regionalwährungen sehen gerade in
       dem minderen Wert ihres Geldes einen entscheidenden Vorteil: Während harte
       Währung gerne gehortet oder in Gold umgeschmolzen wird und damit
       leistungsfördernde Nachfrage mindert, werden die Besitzer des Ovolus diesen
       möglichst bald gegen reale Güter und Dienstleistungen eintauschen wollen
       und so die Wirtschaft ihrer Region befördern.
       
       Diesem Stimulus von Regionalwährungen stehen das fehlende Vertrauen und
       ihre geringe Reichweite gegenüber. Sie sind privater, für Außenstehende
       leicht obskur wirkender Herkunft, ihre Zukunft ist ungewiss und sie sind
       auf bestimmte Regionen und deren Leistungsangebot beschränkt. Doch
       erweitert auf ganz Griechenland stünde der gesamte Staat hinter der
       Währung, und ihre Begrenzung auf die Nation würde sich als ein Segen
       erweisen: Sie ermöglichte der griechischen Wirtschaft eine Erholung und
       Weiterentwicklung, ohne sofort und überall von der übermächtigen Konkurrenz
       der starken Euroländer überrollt zu werden.
       
       Eine solche "Neue Drachme" käme als anteilige Zahlung des Staats bei
       Gehältern und inländischen Rechnungen auf den Markt und würde staatliche
       Euroguthaben für Importe und den Schuldendienst schonen. Ein Wechselkurs
       zum Euro mit all seinen skizzierten Problemen sollte nicht festgelegt
       werden, stattdessen würden individuell, je nach Verfügbarkeit und Bedarf,
       die Gehälter und Preise in Drachmen- und Eurokomponenten aufgeteilt werden.
       
       Selbstverständlich würden die Euros bevorzugt, doch welcher Angestellte
       verzichtete schon auf die Drachmen, wenn er damit zumindest nationale Güter
       und Leistungen erwerben kann? Umgekehrt wird ein Verkäufer eher Drachmen
       akzeptieren, als dass er überhaupt kein Geschäft macht. Er wird seinerseits
       die Drachmen für Löhne und zum Bezug inländischer Waren verwenden. Es
       werden sich so lokale und sektorale Gleichgewichte zwischen Euro und
       Drachme bilden, die markteffizient sind und sich einer gezielten
       Spekulation entziehen.
       
       ## Erwerb heimischer Güter
       
       Zu Anfang wird die geringere Euroverfügbarkeit den Erwerb schicker
       Importwaren spürbar einschränken - so werden zweifellos die meisten
       Griechen ihr Auto länger fahren müssen. Dies spart aber der Volkswirtschaft
       Milliarden von Euro und schafft Arbeit und höhere Effizienz in den
       Werkstätten. Und euroteure Energie mag die Entwicklung heimischer Wind- und
       Solarenergieanlagen fördern. Solcher "Windschutz" eröffnet also dem
       nationalen Gewerbe die Chance, sein Angebot in Umfang, Preis und Qualität
       attraktiver zu gestalten, sodass es im Wettbewerb mit den unverändert
       erhältlichen Eurogütern mithalten kann.
       
       Zusammengefasst würde das duale Konzept die Vorteile zweier scheinbar
       gegensätzlicher Alternativen vereinbaren, ohne deren Nachteile mit erkaufen
       zu müssen: Der Eurobedarf des Staats und damit die zukünftigen
       Kreditaufnahmen würden wesentlich vermindert, ohne die schützende wie
       belebende Zugehörigkeit zu Euroland zu verlieren. Und gegen eine nicht
       konvertible Drachme lässt sich nicht spekulieren. Qualitative
       Konsumeinschränkungen für alle erübrigen Entlassungen für Zehntausende und
       dramatische Lohneinbußen für Millionen. Das zwangsweise Ausweichen auf
       einheimische Güter aber eröffnet die Chance auf eine Modernisierung der
       Wirtschaft, bis sich die neue Drachme selbst überflüssig macht.
       
       29 Sep 2011
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ovolus.gr
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arno Gahrmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Schweiz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neue Regionalwährung in der Schweiz: Bunt, lokal – und vernachlässigbar?
       
       Eine Schweizer Parallelwährung will die lokale und ökologische Produktion
       ankurbeln. Die Effekte solcher Währungen sind meist nicht messbar.
       
   DIR Streit der Woche: Die Inflationsgefahr
       
       Trotz Eurokrise kauft die Europäische Zentralbank weiter Staatsanleihen.
       FDP-Finanzexperte Schäffler befürchtet eine Hyperinflation, Sahra
       Wagenknecht will eine neue Euro-Bank.
       
   DIR Entscheidung über Notkredite verschoben: Zitterpartie in Athen und Brüssel
       
       Griechenland muss auf frisches Geld warten. Eurofinanzminister verschieben
       Entscheidung über Notkredite. Wegen der Schuldenkrise wackelt die Großbank
       Dexia.
       
   DIR Protest in Griechenland: Athen im Belagerungszustand
       
       Mit einer Blockade des Finanzministeriums empfangen Demonstranten die
       Finanzexperten der Troika. Im öffentlichen Dienst sind massive
       Stellenstreichungen geplant.
       
   DIR Die Troika ist zurück in Athen: Zur Begrüßung wird gestreikt
       
       Die Finanzkontrolleure von EU, EZB und IWF haben am Donnerstag die Prüfung
       der Bücher in Athen wieder aufgenommen. Begrüßt wurden sie mit Streiks und
       besetzten Ministerien.