# taz.de -- Experte über die EU und den Osten: "Die EU hat keine Strategie"
> Osteuropa-Experte Cornelius Ochmann fordert, die Östliche Partnerschaft
> der EU verstärkt als Forum für zivilgesellschaftlichen Dialog zu nutzen.
IMG Bild: Die Außengrenze der EU: Der Grenzübergang Krakovets, die Verbindung zwischen Polen und der Ukraine.
taz: Herr Ochmann, am Donnerstag beginnt in Warschau das zweite
Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft zwischen der EU und sechs
ehemaligen Sowjetrepubliken. Sie wurde gegründet, um den
Transformationsprozess in den beteiligten Staaten zu unterstützen und diese
an EU-Standards heranzuführen. Doch statt einer Demokratisierung verstärken
sich autoritäre Tendenzen. Ist das Projekt gescheitert?
Cornelius Ochmann: Leider wurde bislang nichts Konkretes erreicht. Weder
gab es Fortschritte bei der Liberalisierung der Visavergabe noch wurden
neue Abkommen geschlossen. Jetzt rächt sich, dass die EU bei der Gründung
der Östlichen Partnerschaft keine Strategie hatte.
Besonders die Ukraine galt als Pilotprojekt, der Abschluss eines
Assoziierungsabkommens war noch für dieses Jahr geplant. Jetzt sitzt die
Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko in Haft, Beobachter sprechen von
einem politischen Prozess …
Was die politische Entwicklungen in der Ukraine anbetrifft, haben sich die
Erwartungen nicht erfüllt. Dennoch darf dieses Projekt nicht von einer
Regierung abhängig gemacht werden. Auch Präsident Wiktor Janukowitsch wird
einmal abtreten. Kiews Wirtschaftskurs orientiert sich zunehmend an Europa.
Und das ist eindeutig ein positives Ergebnis der Partnerschaft.
In Weißrussland sitzen immer noch Regimekritiker im Gefängnis. Einige
wurden gefoltert. Hätte man Weißrussland vom Gipfel ausladen sollen?
Ein solches Signal würde nichts bringen. Veränderungen werden in
Weißrussland nur stattfinden, wenn die EU mit allen Seiten spricht. In der
weißrussischen Zivilgesellschaft ist einiges in Bewegung. Diesen Prozess
muss die EU unterstützen.
Wie könnte sich die Rochade Medwedjew-Putin in Russland auswirken?
Diese Länder gucken immer noch sehr genau nach Russland. Man spricht ja
nicht zufällig von einer Putinisierung der Ukraine. Daher ist zu
befürchten, dass der jüngste Moskauer Machtwechsel ohne Wahlen auch
woanders Schule machen könnte. Gerade deshalb kommt es darauf an, dass die
EU stärker auf zivilgesellschaftliche Kooperation setzt: Austauschprogramme
für junge Menschen und Öffnung der Universitäten. Das ist eine Investition
in die Zukunft und dafür ist die Östliche Partnerschaft als Dialogforum
wichtig.
Was erwarten Sie von dem Treffen in Warschau?
Es wird keinen Durchbruch geben. Aber wir müssen den Menschen klarmachen,
dass Europa weiter ein Partner ist. Dabei geht es nicht nur um Geschäfte,
sondern darum, dass die dortige Bevölkerung als Teil Europas wahrgenommen
wird. Die Visapolitik müsste dringend liberalisiert werden. Aber ich glaube
nicht, dass es jetzt dazu kommt.
29 Sep 2011
## AUTOREN
DIR Barbara Oertel
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