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       # taz.de -- Neue Skandale um Italiens Premier: Berlusconi zahlt für Falschaussagen
       
       > In einem Korruptionsfall ist der italienische Ministerpräsident vor
       > Gericht erschienen. Ein anderer Vorwurf scheint Silvio Berlusconi
       > allerdings deutlich mehr Sorgen zu bereiten.
       
   IMG Bild: Das Lächeln fällt Silvio Berlusconi sichtlich schwer.
       
       MAILAND dpa | Die Justiz lässt Italiens skandalgeplagten
       Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi nicht in Ruhe. Der Medienmogul musste
       am Montag in Mailand vor Gericht erscheinen. Berlusconi ist angeklagt,
       seinem ehemaligen Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen in den
       1990er Jahren 600.000 Dollar (knapp 440.000 Euro) gezahlt zu haben. Da ein
       Ende des Prozesses vor Eintreten der Verjährung im Februar 2012 bisher als
       unwahrscheinlich galt, werteten Beobachter das Auftreten Berlusconis in
       Mailand vorab schon als Ablenkungsmanöver von anderen Justizaffären.
       
       Nun entschieden die Mailänder Richter überraschend, rund zehn
       Zeugenvernehmungen entfallen zu lassen. Als letzte sollen der Anwalt Mills
       (am 24.10.) und Berlusconi selbst (am 28.10.) vernommen werden, wie
       italienische Medien berichteten. Mills war in dem Korruptionsfall bereits
       2009 von einem Mailänder Gericht zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt
       worden. Das Kassationsgericht in Rom entschied dann 2010 auf Freispruch
       wegen Verjährung.
       
       Der Premier betrat und verließ das Gericht am Montag ohne viel Geräusch:
       Außer der flapsigen Bemerkung, die Journalisten sähen "schlecht aus", habe
       der Medienmogul keine Kommentare abgegeben. Die Gegend um das
       Gerichtsgebäude sei zwar schwer abgesichert gewesen, die üblichen Gruppen
       von Berlusconi-Anhängern hätten jedoch gefehlt, berichteten Beobachter.
       
       Tatsächlich macht Berlusconi ein anderer Skandal zu schaffen: Ein junger
       Unternehmer aus Bari soll von ihm rund eine halbe Million Euro für
       Falschaussagen einkassiert haben. Zwischen 2008 und 2009 habe er mehr als
       30 junge Frauen für Partys in den Villen des Regierungschefs organisiert.
       Seitenweise veröffentlichten italienische Medien bereits Auszüge aus
       abgehörten Telefongesprächen. Pikante Details sorgten für Empörung, und das
       nicht nur in den Reihen der Opposition.
       
       ## Zwangsvoladung Berlusconis unwahrscheinlich
       
       Die ermittelnden Staatsanwälte luden den Regierungschef bereits vor, als
       Zeuge auszusagen. Da Berlusconi der Aufforderung nicht Folge leistete,
       drohen sie mit einer Zwangsvorladung, welche allerdings vom Parlament
       genehmigt werden müsste, was kaum zu erwarten ist. Es handle sich bei der
       Vorladung um eine "politisch-mediatische Falle", begründete Berlusconi sein
       Verweigerung. In den Medien schlugen hingegen Spekulationen hohe Wellen,
       was der Premier wohl verheimlichen wolle. Ein Zeuge ist im Unterschied zum
       Angeklagten zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet.
       
       Außer im Mills-Prozess sitzt Berlusconi noch in drei weiteren Verfahren auf
       der Anklagebank. Am 26. September steht die nächste Anhörung im
       Steuerbetrugsverfahren um seinen Mediasetkonzern an. Am dritten Oktober
       soll die nächste Sitzung im Prozess wegen angeblicher sexueller Beziehungen
       zu dem damals minderjährigen Callgirl "Ruby Rubacuori" folgen. Schon in den
       kommenden Tagen könnte der Regierungschef im Insiderhandelsfall um die
       Übernahme der Banca Nazionale del Lavoro wegen "Enthüllung von
       Amtsgeheimnissen" angeklagt werden.
       
       Berlusconi hat in allen Fällen stets seine Unschuld beteuert und erklärt,
       er sei Opfer linker Staatsanwälte und Richter.
       
       19 Sep 2011
       
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