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       # taz.de -- Streitgespräch zum Papstbesuch: "Ich glaube ... " - "Ich glaube nicht ..."
       
       > Papst Benedikt XVI. kommt nach Berlin - und polarisiert. Für die taz
       > haben sich der überzeugte Katholik Christoph Lehmann und der ebenso
       > überzeugte Religionskritiker Philipp Möller gestritten: über Toleranz und
       > Moral, über Staat und Kirche, über den einen Gott und das Fliegende
       > Spaghettimonster.
       
   IMG Bild: Philipp Möller (l.) und Christoph Lehmann finden keinen gemeinsamen Nenner.
       
       taz: Herr Lehmann, Herr Möller, lassen Sie mich raten: Herr Lehmann geht am
       22. September zur Messe ins Olympiastadion und Herr Möller demonstriert,
       stimmts? 
       
       Christoph Lehmann: Selbstverständlich gehe ich ins Stadion. Und ich freue
       mich schon drauf.
       
       Philipp Möller: Ich gehe auf die Demo, klar. Wir haben eine ganze Menge
       organisiert, da muss ich auch präsent sein.
       
       Was fasziniert Sie beide an Benedikt XVI.? Ich frage das explizit auch
       Herrn Möller, der sich am Papst schließlich ganz schön abarbeitet. 
       
       Lehmann: Was fasziniert, ist vielleicht weniger die Person als die
       Botschaft. Die ist gerade bei Benedikt ziemlich klar: Gott ist die Liebe.
       An der Person selbst beeindruckt mich, dass es ein großer Gelehrter ist,
       der viel geschrieben hat. Es ist faszinierend, jemanden in dieser Position
       zu wissen, der solch einen theoretischen Hintergrund hat.
       
       Möller: Ich finde faszinierend, dass er mit 84 Jahren noch eine
       Popstar-ähnliche Rolle spielt und in so hohem Alter durch die Gegend reist.
       Aber die Botschaft? Joseph Ratzinger ist ein sexistischer, homophober
       Antidemokrat. Was ist denn daran faszinierend, frage ich Sie?
       
       Lehmann: Sie sollten einmal lesen, was der Mann geschrieben und gesagt hat.
       Er hat sein Pontifikat begonnen mit einer Enzyklika über die Liebe. Und das
       ist die Kernbotschaft des christlichen Glaubens: dass der Mensch von Gott
       geliebt ist und aufgerufen ist, Gott auch zu lieben. Dass jeder Mensch
       gleichermaßen geliebt ist …
       
       Möller: Jeder Christ.
       
       Lehmann: Nein, jeder Mensch.
       
       Möller: Glauben Sie. Und dass das Teil Ihrer Weltanschauung ist,
       respektiere ich absolut. Jeder Mensch muss die Freiheit haben, sich als
       Ebenbild des Schöpfers dieses Universums zu verstehen. Aber ich muss die
       Freiheit haben, das als größenwahnsinnigen Unsinn zu bezeichnen. Das ist
       Religionsfreiheit, das ist im Grundgesetz abgesichert, das mussten
       Aufklärung und Humanismus gegen die Vertreter des Christentums durchsetzen.
       Die Botschaft des Papstes lautet doch: Ich bin der Monarch einer
       mittelalterlichen Wahlmonarchie, ich halte von eurer Demokratie überhaupt
       nichts und werde nur deswegen nicht strafrechtlich verfolgt, weil Mussolini
       den Vatikan zum Staat gemacht hat. Der Mann gehört nicht vor den Bundestag,
       sondern vor ein internationales Gericht.
       
       Lehmann: Das meinen Sie doch nicht wirklich ernst. Sie versuchen,
       geschichtliche Zusammenhänge zu politisieren. Ich sage noch mal: Die
       Botschaft, die dieser Mann bringt, ist die Botschaft Jesu Christi. Und die
       heißt: Der Mensch ist von Gott geliebt, und jeder ist aufgerufen, Gott zu
       lieben. Wenn Sie darauf hinweisen, dass in der Kirche wie in allen anderen
       Institutionen in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden - gar keine Frage.
       Aber wenn Sie sich auf den Humanismus berufen, will ich Ihnen mal sagen,
       dass in dieser Stadt vor etwas mehr als zwanzig Jahren noch Folterkeller im
       Namen des Humanismus betrieben wurden. Das würde ich Ihnen auch nicht zum
       Vorwurf machen.
       
       Möller: Gut. Aber wenn ich höre, dass Sie von Liebe sprechen, muss ich doch
       fragen: Was hat denn das Christentum im Bereich der Liebe angestellt? Die
       katholische Botschaft heißt bis heute ganz klar: Homosexualität ist eine
       Sünde vor Gott. Und deshalb sollte ein solcher Mann gerade in Berlin nicht
       willkommen sein. Ganz zu schweigen vom Verbot der Liebe für Geistliche. Was
       am Ende dabei herauskommt, haben wir gesehen: massive Missbrauchsfälle, die
       massiv vertuscht wurden.
       
       Herr Lehmann, der Regierende Bürgermeister bekennt sich zu seiner
       Homosexualität. Für die katholische Kirche ist das definitiv Sünde. Als
       Katholik wird Klaus Wowereit an der Papstmesse teilnehmen. Was finden Sie
       problematischer: Dass Wowereit im Bewusstsein seiner Lebensweise die
       Eucharistie, also das Abendmahl, empfängt oder dass der Papst sie ihm
       spendet? 
       
       Lehmann: Ich weiß nicht, ob der Regierende Bürgermeister zur Eucharistie
       gehen wird. Aber dass die 75.000 oder 80.000 Menschen, die an der Messe
       teilnehmen, inklusive des Papstes, Sünder sind, ist eine Tatsache. Den
       Ansprüchen, die die Liebe Gottes an uns stellt, können wir alle nicht
       gerecht werden.
       
       Möller: Was ist mit denen, die deswegen ihren Job verlieren? Was ist mit
       dem Arzt, der in einem katholischen Krankenhaus arbeitet, das zu hundert
       Prozent vom Staat finanziert wird, und seinen Job verliert, weil er eine
       geschiedene Frau heiratet? Ich bin deswegen ein Befürworter des
       Papstbesuchs, weil er dafür sorgen wird, dass die Kirchenaustritte nach
       oben schnellen. Und dann wird es leichter sein, solche Privilegien der
       Kirche abzuschaffen. Damit meine ich auch den Einzug der Kirchensteuer und
       die millionen-, ja milliardenschweren Zahlungen, die alljährlich fließen.
       Nicht zu sozialen Zwecken, sondern um das System Kirche aufrechtzuerhalten.
       
       Lehmann: Ich glaube nicht, dass die Privilegien abgeschafft werden, wenn es
       denn überhaupt Privilegien sind. Der Papstbesuch wird eher einen Beitrag
       dazu leisten, dass sich die Menschen wieder stärker mit Glaubensfragen
       auseinandersetzen.
       
       Möller: Das meine ich ja.
       
       Lehmann: … und wir wissen, dass viele Menschen auf der Suche sind. Auch in
       Berlin. Ich glaube, dass beide Kirchen mit ihrer christlichen Botschaft ein
       wichtiges Angebot für die Menschen haben. Und in Berlin sehen wir, dass
       Leute aus Gegenden, die früher mehrheitlich katholisch waren, häufig den
       Weg zurück in die Kirche finden. Gehen Sie mal sonntags in manche
       Kirchengemeinden in Mitte. Die sind krachend voll mit jungen Leuten.
       
       Möller: Die Statistik spricht eine andere Sprache.
       
       Lehmann: Die Statistik spricht gar keine andere Sprache. In Berlin nimmt
       die Anzahl der Katholiken stetig zu, wie Sie sicherlich wissen, wenn Sie
       sich so intensiv damit beschäftigen.
       
       Möller: Ja, aber es gibt auch immer wieder Leute, die ein Stück weit
       zwangskonfessionalisiert werden. Wer einen Job im sozialen Bereich sucht,
       erhöht seine Chancen um ein Vielfaches, indem er in eine der beiden Kirchen
       eintritt. Wenn in einer Stellenanzeige der Diakonie steht "Der Bewerber
       muss Mitglied der evangelischen Kirche sein", heißt das implizit:
       Katholiken, Atheisten, Muslime und Juden unerwünscht.
       
       Lehmann: Die Kirchen sind Tendenzbetriebe. Die haben natürlich die
       Möglichkeit zu sagen: Ich will nur bestimmte Leute einstellen. Ich würde
       auch der Linkspartei nicht zumuten, ein CDU-Mitglied einzustellen.
       
       Möller: Das können Sie nicht vergleichen.
       
       Lehmann: Genau das kann ich vergleichen. Übrigens ist es nicht wahr, dass
       Menschen anderer Glaubenszugehörigkeit oder Konfession nicht von den
       Kirchen angestellt werden. Bei uns in der Gemeinde sind auch Moslems
       angestellt.
       
       Möller: Aber die können jederzeit gekündigt werden.
       
       Lehmann: Nein, das geht nicht.
       
       Ich unterbreche Sie an dieser Stelle mal. Herr Möller, am 22. September
       wird ein breites Bündnis von Papstgegnern demonstrieren. Wenn man sich
       anschaut, was da geplant ist - das geht ja schon unter die Gürtellinie.
       Kann es sein, dass Sie Papst und Kirche auf ihre Sexualmoral reduzieren? 
       
       Möller: Beim Bündnis "Der Papst kommt" geht es genau um diesen Aspekt. Und
       wenn Sie sagen "unter die Gürtellinie" - wir haben hier immer noch so etwas
       wie Meinungs- und Kunstfreiheit, und ich denke, dass die sogenannten
       religiösen Gefühle nicht mehr wert sein dürfen als diese Freiheiten. Im
       Übrigen: Wer etwas anstoßen will, muss eben auch mal anstößig sein. Es gibt
       Aktionen, die ich vielleicht selbst nicht unterstützen würde. Aber ich
       finde es gut, dass das jemand tut. Der Papst muss damit leben können.
       
       Sehen Sie das auch so, Herr Lehmann? 
       
       Lehmann: Ja natürlich wird der Papst damit leben, das ist ja nichts Neues
       und gehört in einer Demokratie dazu. Ich habe nur manchmal die Befürchtung,
       dass die Toleranz, die manche Gruppen einfordern, gegenüber der Kirche
       nicht erbracht wird. Ich würde mir Akzeptanz dafür wünschen, dass der 22.
       September nicht in erster Linie der Tag der Papstgegner, sondern des
       Papstbesuches ist …
       
       Möller: Das entscheidet jeder selbst.
       
       Lehmann: … und dass viele Leute das gut finden und gerne hingehen. Weil sie
       gespannt sind auf die Botschaft, die der Papst hat. Es wäre schön, wenn man
       da ein bisschen von der viel gepriesenen Berliner Toleranz auch mal in die
       andere Richtung walten lässt.
       
       Möller: Toleranz ist gut, sagt Wilhelm Busch, aber nicht gegenüber der
       Intoleranz. Und der Respekt, den wir davor haben, dass Sie es toll finden,
       wie die Schäfchen zum Papst pilgern und vor ihm auf die Knie fallen,
       schließt nicht aus, dass wir demonstrieren gehen.
       
       Lehmann: Ich falle nicht vor dem Papst auf die Knie, ich knie vor Gott.
       
       Möller: Das ist doch das Gleiche.
       
       Lehmann: Das ist überhaupt nicht das Gleiche. So viel
       Differenzierungsvermögen würde ich Ihnen schon zutrauen. Aber den Papst als
       intolerant zu bezeichnen, ist absoluter Unsinn. Was die Sexualmoral angeht:
       Die Ausgangsfrage ist: Wie antworte ich auf die Liebe Gottes? Die Kirche
       gibt da Richtlinien und sagt: Diese oder jene Verhaltensweise ist moralisch
       richtig oder nicht. Das letzte Urteil darüber hat jeder Christ letztlich
       vor seinem Gewissen zu treffen. Er hat sich nicht sklavisch daran zu
       halten, was der Vatikan vorschreibt. Dass Sie sagen, der Papst sei
       antidemokratisch, finde ich besonders gewagt. Sie wissen, welche Rolle der
       Vatikan in Bezug auf den Kommunismus gespielt hat.
       
       Möller: Richtig, aber das war ein anderer Papst.
       
       Lehmann: Dieser Papst ist kein Deut anders in dieser Frage. Lesen Sie doch
       mal seine Schriften.
       
       Möller: Er ist ein Hardliner.
       
       Lehmann: Nein, das stimmt nicht. In Fragen der Menschenrechte und
       Demokratie ist er einer, der sogar ziemlich deutliche Worte spricht.
       
       Möller: Warum hat der Vatikan dann als einziger europäischer Staat neben
       Weißrussland die Menschenrechte nicht ratifiziert? Wie kann es sein, dass
       ein HIV-infizierter Mensch, der wissentlich ungeschützten
       Geschlechtsverkehr hat, wegen Körperverletzung verurteilt wird, während ein
       anderer Mensch, nämlich Joseph Ratzinger, dafür in den Bundestag eingeladen
       wird, dass er Abermillionen Afrikaner zum ungeschützten Verkehr anstiftet?
       
       Lehmann: Das ist schlicht falsch. Der Papst hat zur Treue in der
       Partnerschaft aufgerufen.
       
       Cut! Herr Lehmann, ein Schlüsselbegriff im Denken von Papst Benedikt
       scheint mir die "Diktatur des Relativismus" zu sein. Damit meint er die
       Pluralität unserer westlichen Kultur, die keine absolute Wahrheit mehr
       kennt. Haben Sie das Gefühl, in einer Diktatur zu leben? 
       
       Lehmann: Sie verwechseln zwei Dinge: Der Papst redet von Relativismus,
       nicht von Pluralität. In einer pluralistischen Gesellschaft akzeptiert man,
       dass Menschen unterschiedliche Wahrheiten haben, und redet miteinander
       darüber. Was der Papst bemängelt, ist der Trend im gesellschaftlichen
       Diskurs, alles zu relativieren und deutlich zu machen: alles nicht so ernst
       gemeint. Das ist keine Diktatur im engeren Sinne, aber eine Entwicklung,
       die ich auch mit großer Sorge betrachte.
       
       Wo genau erkennen Sie diesen Trend im gesellschaftlichen Diskurs? 
       
       Lehmann: Ich will mal ein Beispiel geben, das mich selbst betroffen hat. In
       der Debatte um den Religionsunterricht standen zwei Konzepte gegeneinander.
       Die einen haben gesagt: Wir wollen, dass jeder die Chance hat sich zu
       bilden, wie es seinem Charakter und Wunsch entspricht. Von der anderen
       Seite kam das Konzept, man müsse alles irgendwie gleichmachen und den
       Leuten sagen, es gebe keine Unterschiede.
       
       Möller: Pro Reli hat für mich den Ausschlag gegeben, religionskritisch
       aktiv zu werden. Weil die Kampagne eine solche Falschdarstellung war.
       Status quo in Berlin ist und war, dass jeder sich entscheiden kann, ob er
       den Religionsunterricht besucht oder nicht. Das ist europäischer Standard
       und auch gut so. Dann hat das Land Berlin mit der Einführung des
       Pflichtfachs Ethik darauf reagiert, dass man auf Schulhöfen immer wieder
       Sprüche wie "Christenschwein" oder "Judensau" hören konnte. Die Devise war:
       Lieber miteinander als übereinander reden. Ob darüber hinaus der
       Religionsunterricht besucht wird, muss jeder selbst entscheiden. Das wollte
       Pro Reli kippen. Sie wollten Wahlzwang zwischen Religion und Ethik. Nur die
       saubere Aufklärungsarbeit des Landes Berlin hat dafür gesorgt, dass die
       Mehrheit gegen Pro Reli gestimmt hat.
       
       Lehmann: Toleranz bedeutet, jedem die Chance zu geben, sich nach seiner
       Fasson zu bilden. Das haben wir gefordert. Und Sie wissen, dass die
       Stundenbelastung vieler Berliner Schüler zwischen der 7. und der 10. Klasse
       so groß ist, dass es kaum möglich ist, zusätzlichen Religionsunterricht zu
       machen.
       
       Möller: Dafür kann man ja zur Kirche gehen.
       
       Lehmann: Das ist nicht dasselbe. Beim Religionsunterricht geht es um die
       Vermittlung von Wissen.
       
       Möller: Nein, das ist bekenntnisbezogener Unterricht.
       
       Lehmann: Ja, natürlich, aber auch ein Bekenntnis kann Gegenstand von Wissen
       sein. Sie würden doch auch sagen, dass man sich in Form von Inhalten mit
       dem Humanismus auseinandersetzen kann. Genauso kann man sich mit
       theologischen Inhalten auseinandersetzen.
       
       Möller: Aber hören Sie mal, die Existenz Gottes ist genauso wahrscheinlich
       wie die Existenz des Fliegenden Spaghettimonsters. Und das bringen Sie
       Kindern bei?
       
       Lehmann: Das ist doch Unsinn!
       
       Möller: Natürlich.
       
       Lehmann: Sie wissen ganz genau, dass Sie nicht beweisen können, dass Gott
       existiert, und auch nicht beweisen können, dass er nicht existiert.
       
       Möller: Sie können auch nicht beweisen, dass das Fliegende Spaghettimonster
       nicht existiert. Und jetzt sollen wir da einen Religionsunterricht
       drumherumstricken?
       
       Lehmann: Dann glauben Sie doch an Ihr Fliegendes Spaghettimonster …
       
       Möller: Nein, glaube ich nicht, genauso wenig, wie an den Gott des
       Christentums oder die restlichen fünftausend Götter, die sich die
       Menschheit ausgedacht hat.
       
       Herr Möller, Jürgen Habermas hat im Dialog mit dem Papst gesagt, er selbst
       sei "religiös unmusikalisch". Kann es sein, dass auch Ihnen die Begabung
       fehlt? 
       
       Möller: Das ist keine Begabung. Ich wurde wie jeder andere Mensch ohne den
       Glauben an eine höhere Macht geboren, und er wurde mir nie anerzogen.
       
       Lehmann: Das ist nicht nur eine Frage der Erziehung. Es gibt viele
       Menschen, die den Weg zum Christentum ohne eine christliche Erziehung
       gefunden haben. Eine ganze Menge sogar. Sie machen einen Fehler. Sie gehen
       an einer Frage vorbei, die sich viele Menschen stellen: Die Frage, woher
       alles kommt.
       
       Möller: Diese Fragen habe ich auch. Aber Sie geben vor, die Antworten zu
       haben. Ich sage: Es gibt Fragen, auf die gibt es keine Antworten.
       
       Lehmann: Das ist die Resignation vor der Frage. Aber natürlich verlasse ich
       mich auf Dinge, die jenseits des rein Rationalen sind.
       
       Möller: Und wie kommen Sie darauf?
       
       Lehmann: Ein Beispiel: Sie haben eine Freundin. Und Sie meinen, sie liebt
       sie. Wissen Sie es wirklich? Nein, Sie verlassen sich darauf.
       
       Möller: Was hat denn die Liebe zwischen Menschen mit dem Glauben an ein
       Fabelwesen zu tun?
       
       Lehmann: Gott ist kein Fabelwesen, sondern ein reales Wesen. Sie glauben
       offenbar nur an das, was sie sehen können. Dann glauben Sie auch nicht an
       die Liebe zwischen Ihrer Freundin und Ihnen.
       
       Möller: Die Liebe zwischen Menschen ist ein materielles, nachweisbares
       Phänomen. Wohingegen der Glaube an ein übernatürliches Wesen sich nur in
       Ihrem Hirn manifestiert. Der kritische Rationalismus läuft andersrum: Wer
       eine Behauptung aufstellt, muss sie belegen. Sonst könnte ja jeder kommen.
       Ich könnte sagen: Bei mir im Garten steht ein unsichtbares Einhorn, das
       behauptet, dass Sie keine Anwaltskanzlei haben dürfen. Schaffen Sie
       deswegen Ihre Kanzlei ab?
       
       Lehmann: Ich verlange doch nicht von Ihnen, dass Sie meine Meinung teilen.
       Ich verlange auch nicht, dass Sie an Gott glauben. Ich sage nur, dass ich
       fest davon überzeugt bin.
       
       Zurück zum Papst. Herr Lehmann, der Bistumsjugendtag zur Vorbereitung der
       Papstvisite hat das Motto "Feel the Spirit!". Da wird auch ein "Papa-Bike"
       verlost. Ist die katholische Kirche so locker-flockig? 
       
       Lehmann: Ich war auf dem Weltjugendtag und muss sagen: Da war die Kirche
       locker-flockig, bei aller Ernsthaftigkeit und Frömmigkeit.
       
       Passt das zum Konzept von Sünde und Erlösung? 
       
       Lehmann: Natürlich kann man in der Beziehung zu Gott wie in der Beziehung
       zu anderen Menschen Fehler begehen, sich schuldig machen. Aber es gibt auch
       das Konzept der Vergebung. Insofern hat die Kirche eine fröhliche
       Grundaussage. Und das ist der Grund, warum so viele junge Leute Freude am
       Glauben haben.
       
       Möller: Ich habe gehört, viele junge Menschen gehen zum Weltjugendtag auf
       der Suche nach außerehelichem Sex.
       
       Lehmann: Mit wem haben Sie denn da gesprochen?
       
       Möller: Jedenfalls ist die Grundbotschaft des Christentums eine andere: Sei
       gehorsam, dann wirst du am Ende deines Lebens belohnt. Sei nicht gehorsam,
       dann wirst du bestraft.
       
       Lehmann: Ich würde Ihnen ehrlich empfehlen, mal in den Religionsunterricht
       zu gehen. Sie haben so viel Ahnung von Theologie wie ein Huhn vom
       Mikroprozessor. Der Mensch ist gar nicht dazu in der Lage, die
       Gerechtigkeit Gottes zu erlangen. Das geht nur durch Gottes Gnade.
       
       Möller: Ach, dann mache ich, was ich will, und komme am Ende doch in den
       Himmel?
       
       Herr Lehmann, kommt Herr Möller in den Himmel? 
       
       Lehmann: Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich in den Himmel
       komme. Nur Gott weiß, wem er seine Gnade zuteil werden lässt.
       
       Möller: Ich kann das nicht ernst nehmen. Ich glaube Ihnen das nicht,
       wirklich.
       
       18 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prösser
       
       ## TAGS
       
   DIR Kirche
       
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