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       # taz.de -- Literatursendung im ZDF: Der Alte vom Berge
       
       > Nun gibt es mit "Das blaue Sofa" im ZDF (23 Uhr) wieder eine Sendung über
       > Literatur. Der Nachfolger von Reich-Ranicki und Heidenreich heißt
       > Wolfgang Herles.
       
   IMG Bild: Ilja Trojanow, Wolfgang Herles, Gletscher Hintertux.
       
       Zur Vorstellung seiner neuen ZDF-Literatursendung "Das blaue Sofa" in
       Berlin Ende August kommt Wolfgang Herles direkt vom Dreh. Am Vortag noch
       hat er es sich gemeinsam mit Schriftsteller Ilija Trojanow auf dem blauen
       Sofa, jenem literarischen Sitzmöbel, das Herles als langjähriger Chef des
       Kulturmagazins "aspekte" von den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig als
       Treffpunkt für Autorengespräche gut kennt, bequem gemacht. So bequem es
       eben geht in über 3.000 Meter Höhe, direkt vor einer Gletscherspalte auf
       dem Hintertuxer Gletscher.
       
       In der ab heute ausgestrahlten 30-minütigen Literatursendung des ZDF wird
       es kein Studio geben, kein Live-Publikum. Wolfgang Herles geht sechs Mal im
       Jahr mit seinem blauen Sofa auf Reisen. Um Schriftsteller an ihren
       Romanschauplätzen und Rückzugsorten zu treffen und mit ihnen Gespräche über
       ihre aktuellen Bücher zu führen. "Keine gewöhnlichen Interviews, sondern
       Gespräche auf Augenhöhe," wie er, kürzlich erst selbst unter die
       Romanautoren gegangen, sagt. Neben den Gesprächen bleibt Platz für
       Solokritiken, ebenfalls von unterwegs. On the Road, oder auch mal on the
       Gondel. So will Wolfgang Herles belletristische Neuerscheinungen
       vorstellen.
       
       Er tritt mit dem "blauen Sofa" in die großen Fußstapfen der erfolgreichen
       ZDF-Literatur-Klassiker "Literarisches Quartett", beliebt vor allem wegen
       Marcel Reich-Ranickis Kritiken und Verrissen, und der Nachfolgersendung
       "Lesen!" mit Elke Heidenreich, deren Empfehlungen regelmäßig zu
       Auflagensteigerungen im Buchhandel führten. Zuletzt hatten "Die Vorleser"
       Ijoma Mangold und Amelie Fried versucht, an die alten Erfolge anzuknüpfen -
       und scheiterten. Nach nur eineinhalb Jahren setzte das ZDF die Sendung ab.
       
       ## Simple emotionale Abneigung
       
       "Die Vorleser' waren zu zahm. Etwas wilder muss es sein", sagt Peter Arens,
       Hauptredaktionsleiter der Kultur und Wissenschaft im ZDF. Wilder machen
       soll es jetzt also Wolfgang Herles, der immerhin weiß, "dass jede
       Büchersendung nur so sein kann, wie derjenige, der sie macht".
       
       Im ZDF herrscht Zuversicht, dass Wolfgang Herles es schaffen wird, eine
       unterhaltsame Literatur-Sendung erfolgreich im ZDF zu etablieren. Während
       "Die Vorleser" nach den Angaben von Peter Arens im Schnitt rund 700.000
       Zuschauer hatten, Denis Scheck in der ARD bei etwa 500.000 liegt, hofft er,
       mit dem wilderen, weil provokanten Herles und dem "blauen Sofas" bei den
       Zuschauerzahlen an die Million kratzen zu können.
       
       Zum Auftakt packt der Moderator insgesamt 6 Bücher in seine 30 Minuten.
       Neben dem Gespräch mit Ilija Trojanow über sein Buch "EisTau" wird der
       Moderator über Oskar Roehlers "Herkunft", Judith Schalanskys "Der Hals der
       Giraffe", Ferdinand von Schirachs "Der Fall Collini" und Ursula März "Fast
       schon kriminell" sprechen. Außerdem hat Herles am Starnberger See Halt
       gemacht, um mit Schauspieler Joseph Bierbichler über seinen ersten Roman
       "Mittelreich" zu reden. Eigentlich, sagt Herles, habe er sich geschworen,
       niemals Schauspieler in die Sendung aufzunehmen - "es sei denn, sie
       schreiben tolle Bücher".
       
       Welches Buch es überhaupt in die Sendung schafft, entscheidet allein
       Herles. Da müsse man sich zu radikaler Subjektivität bekennen. "Ich will
       Bücher präsentieren, die mich packen. Die Bücher, die ich nicht mehr aus
       der Hand legen kann." Charlotte Roches "Schoßgebete" gehört für Herles
       eindeutig nicht zu dieser Sorte Bücher: "Ich halte das Buch nicht für
       Literatur", sagt er - eine Begründung dafür liefert er nicht und schiebt
       noch hinterher, wenn überhaupt, dann käme "Schoßgebete" in seiner Sendung
       nur als "kurze Watschen" vor. Radikale Objektivität umfasst eben auch
       simple emotionale Abneigung.
       
       16 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Stommel
       
       ## TAGS
       
   DIR Maxim Biller
   DIR Literaturkritik
   DIR Literatur
       
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       macht er aber nicht. Bezeichnend: Josef Bierbichler weigerte sich gar, auf
       dem Möbel Platz zu nehmen.