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       # taz.de -- EU-Grenzschutzagentur Frontex: Europa wird noch flüchtlingsfester
       
       > Das EU-Parlament beschließt neue Kompetenzen für Frontex. Die Agentur
       > darf in Zukunft selbst Abschiebeabkommen mit Drittländern aushandeln.
       
   IMG Bild: Können jetzt noch leichter abgeschoben werden: Flüchtlinge auf Lampedusa.
       
       STRASSBURG taz | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wird gestärkt.
       Gleichzeitig bleibt der Schutz der Menschenrechte bei den Einsätzen an den
       EU-Außengrenzen lückenhaft. Eine entsprechende Initiative wurde am Dienstag
       im Europäischen Parlament in Straßburg mit der Mehrheit von konservativen
       und liberalen Abgeordneten verabschiedet.
       
       Zwar soll in Zukunft ein interner Grundrechtebeauftragter das Vorgehen der
       Grenzschützer prüfen. Allerdings haben die EU-Mitgliedsstaaten es
       abgelehnt, unabhängige Beobachter zuzulassen, die auf den Booten im
       Mittelmeer mitfahren dürfen. "Die Mitgliedsstaaten haben zahlreiche
       Schlupflöcher offen gelassen. Wir haben rund 1.500 Frontex-Boote im
       Einsatz. Die müssten endlich strikt kontrolliert werden", sagt die grüne
       EU-Abgeordnete Ska Keller. Ihre Fraktion hat sich bei der Abstimmung
       enthalten.
       
       Der neu geschaffene Grundrechtebeauftragte soll auf die Einhaltung der
       Menschenrechte an den EU-Außengrenzen achten. Er kommt aber aus den Reihen
       der Grenzschützer und es ist offengeblieben, ob seine Beobachtungen auch
       juristische Konsequenzen für die Fontex-Mitarbeiter haben werden. "Schon
       jetzt sind Klagen bei Menschenrechtsverletzungen theoretisch möglich. Aber
       dann steht Aussage gegen Aussage und letztendlich passiert nichts", klagt
       Ska Keller.
       
       Dieser Zustand wird sich, befürchtet die Abgeordnete, auch mit den neuen
       Regeln nicht ändern. Immerhin sollen Einsätze bei Menschenrechtsverstößen
       in Zukunft direkt abgebrochen werden. Außerdem sollen die Grenzschützer
       dazu verpflichtet werden, Bootsflüchtlingen auf offener See zu helfen und
       sie nicht im Mittelmeer ihrem Schicksal zu überlassen. Immer wieder werden
       Vorwürfe laut, dass Frontex Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lässt.
       
       ## Frontex darf selbst verhandeln
       
       Gleichzeitig bekommt Frontex mit dem neuen Mandat mehr Spielraum, ohne
       ständige Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten zu halten. Die Agentur darf
       in Zukunft selbst Abkommen über die Rückführung von Flüchtlingen mit
       Drittstaaten aushandeln. "Das darf nicht sein. Die Grenzbeamten sollten
       lieber dafür sorgen, dass den Migranten ein ordentliches Asylverfahren
       gewährleistet wird", sagte Birgit Sippel von der SPD-Fraktion im
       Europäischen Parlament.
       
       Frontex kann nun mit nordafrikanischen Staaten vereinbaren, dass
       Flüchtlinge, die den Weg in die Europäische Union suchen, direkt
       zurückgeschickt werden können. In der Vergangenheit hatte ein
       entsprechendes Abkommen zwischen Italien und Libyen für Aufregung gesorgt.
       
       "Wenn Frontex das nun übernimmt, werden diese Verhandlungen noch weniger
       transparent und schwerer kontrollierbar, als sie es heute sind", meint auch
       die Grüne Ska Keller. Das neue Frontex-Mandat wurde seit Februar zwischen
       dem Europäischen Parlament und den 27 Mitgliedsstaaten verhandelt.
       
       13 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ruth Reichstein
       
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