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       # taz.de -- 68. Filmfestspiele Venedig: Auch Triaden geht mal das Geld aus
       
       > "Tinker, Taylor, Soldier, Spy" von Tomas Alfredson basiert auf auf einem
       > 70er-Thriller von John Le Carré. "Life Without Principle" von Johnnie To
       > verhandelt die Finanzkrise.
       
   IMG Bild: Gruppenbild ohne Dame: Colin Firth, Gary Oldman, Benedict Cumberbatch und John Hurt bei der Premiere von "Tinker, Tailor, Soldier, Spy".
       
       Im Vorfeld des Festivals versprach der Schweizer Marco Müller, Filme zu
       zeigen, die die Intelligenz des Publikums herausfordern. Bevor Freitag
       Abend der Goldene Löwe an einen der 23 Wettbewerbsbeiträge verliehen wird,
       lässt sich so viel mit Sicherheit sagen: Müller, der möglicherweise
       scheidende, möglicherweise bleibende Direktor der Mostra, hat sein
       Versprechen gehalten.
       
       Natürlich nicht mit jedem Film, aber eben doch immer wieder - zum Beispiel
       mit dem komplexen, in den 70er Jahren angesiedelten Agententhriller
       "Tinker, Tailor, Soldier, Spy", der auf einem Roman John Le Carrés beruht
       und von dem schwedischen Regisseur Tomas Alfredson in Szene gesetzt wurde.
       Es geht darin um die Suche nach einem für den KGB tätigen Doppelagenten in
       den höchsten Rängen des britischen Geheimdiensts; Alfredson schickt eine
       große Zahl relevanter Figuren ins Rennen, mischt die Zeitebenen und springt
       von London nach Budapest, reist weiter nach Istanbul und ist zurück in
       London, eh man sichs versieht.
       
       Der Film entspinnt ein so dichtes Netz aus Lügen, Schutzbehauptungen,
       Vertrauensbrüchen, doppelten und dreifachen Identitäten, dass man zeitweise
       meint, hier könne gar nichts aufgeklärt werden - ein Eindruck von
       Vergeblichkeit, der durch die matten, entkräfteten Farben des Set-Designs
       und der Kostüme noch verstärkt wird. Zu einem James-Bond-Film verhält sich
       "Tinker, Tailor, Soldier Spy" wie Algebra zum Einmaleins, und es ist eine
       Freude zu sehen, wie viel Algebra prominent besetztes - unter anderem sind
       John Hurt, Colin Firth und Gary Oldman auf der Leinwand zu sehen -
       Unterhaltungskino verträgt.
       
       ## Plötzlich: Details
       
       Oder Johnnie Tos "Duo mingjin" ("Life Without Principle"): Der
       Wettbewerbsbeitrag des unermüdlichen Hongkonger Regisseurs lässt lange Zeit
       drei Handlungsstränge nebeneinander herlaufen, ohne dass man die geringste
       Vorstellung davon hätte, was sie miteinander zu tun haben. Ein Polizist und
       seine Frau überlegen, ob sie eine Wohnung kaufen, die sie sich eigentlich
       nicht leisten können, ein Gangster muss Geld auftreiben, um die Kaution für
       einen inhaftierten Freund zu stellen, eine Bankerin wird von ihrer
       Vorgesetzten dazu angehalten, den Kunden riskante Geldanlagen aufzudrängen.
       
       Erst nach gut 45 Minuten zeichnet sich ab, was die drei Stränge teilen und
       wie genau sie zeitlich zueinander stehen. Man bemerkt plötzlich Details,
       die Bezüge herstellen, Nebenfiguren, die hier wie dort auftauchen, subtil
       gesetzte Scharniere, die das Disparate zu einer Geschichte verbinden.
       
       Im Hintergrund laufen dabei immer wieder TV-Nachrichten. Griechenland steht
       vor dem Staatsbankrott, und das bringt die Börse in Hongkong ins
       Straucheln. To lässt die globale Finanzkrise auf angenehm unaufgeregte
       Weise in den Film einfließen. In einer Sequenz bereiten die Gangster ein
       Bankett vor; der Boss feiert seinen Geburtstag in seinem Stammlokal. Statt
       der üppigen Fleisch- und Fischgerichte vergangener Jahre wird eine
       Menüfolge aus vegetarischen Speisen beschlossen. Auch den Triaden geht das
       Geld aus.
       
       9 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cristina Nord
   DIR Cristina Nord
       
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