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       # taz.de -- Europäische Energiepolitik: EU will bei Ölimporten mitreden
       
       > Künftig sollen die Mitgliedstaaten nicht mehr allein über Pipelines oder
       > Lieferabkommen verhandeln, fordert Energiekommissar Oettinger.
       > "Einseitig", meinen die Grünen.
       
   IMG Bild: Meine Pipeline, deine Pipeline: die EU möchte gern mitreden.
       
       BRÜSSEL taz | Die Europäische Kommission will in der Energieaußenpolitik
       der EU-Mitgliedstaaten künftig lautstark mitreden. Der zuständige Kommissar
       Günther Oettinger machte am Mittwoch in Brüssel den Vorschlag, dass
       langfristig möglichst alle Energieabkommen mit Drittländern direkt von der
       Europäischen Kommission ausgehandelt werden sollen.
       
       Ist das nicht möglich, soll die Behörde zumindest bei den Verhandlungen
       dabei sein: "Die EU-Länder bekommen so ein viel stärkeres Gewicht in den
       Verhandlungen. Investoren, die versuchen, ihre Interessen durchzudrücken,
       werden es schwerer haben", sagte Oettinger. Auch gegenüber mächtigen
       Lieferländern wie Russland hätte die EU dann eine stärkere Position, hofft
       der Kommissar.
       
       Zurzeit bezieht die Europäische Union nach Kommissionsangaben 60 Prozent
       ihres Erdgases und 80 Prozent ihres Öls aus Drittstaaten. Diese Menge werde
       noch weiter steigen, sagte Oettinger. Deshalb sei es besonders wichtig, die
       Lieferungen langfristig zu sichern.
       
       Zurzeit verhandelt die EU-Kommission bereits mit Aserbeidschan und
       Turkmenistan über eine Pipeline, die durchs Kaspische Meer in die EU führen
       soll. Ein entsprechendes Abkommen soll in den nächsten Wochen unterzeichnet
       werden. Bilaterale Abkommen zwischen einzelnen EU- und Drittstaaten will
       Oettinger allerdings nicht verbieten. Bestehende Verträge müssten nicht
       gekündigt werden. Und es soll auch kein Land dazu gezwungen werden, seine
       Abkommen den übrigen Mitgliedstaaten zugänglich zu machen. "Die Kommission
       wird sich zu Vertraulichkeit verpflichten", versprach der Kommissar.
       
       ## Lieber Verbrauch senken
       
       Die Grünen im Europäischen Parlament halten den Vorschlag für einseitig und
       völlig unzureichend: "Die Kommission setzt weiterhin nur darauf, möglichst
       viel Öl und Gas in die EU zu bringen. Aber sie kümmert sich nicht darum,
       wie der Verbrauch gesenkt werden kann. Auf diesem Ohr ist Kommissar
       Oettinger völlig taub", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca
       Harms. "In vielen Lieferländern nehmen wir unerträgliche Situationen hin,
       etwa in Bezug auf die Menschenrechte, weil wir von diesen
       Energielieferanten abhängig sind. Das allein sollte Grund genug sein,
       unseren Verbrauch zu reduzieren."
       
       Doch bisher setzen die Mitgliedstaaten lieber auf die Lieferungen von außen
       - zu einem hohen Preis. "Auch als der Bürgerkrieg in Libyen bereits im
       Gange war", sagt Rebecca Harms, "haben EU-Staaten noch Öl importiert und
       dafür brav Geld an Gaddafis Regime bezahlt."
       
       Für Oettinger sind demokratische Reformprozesse in den Lieferländern zwar
       wünschenswert, aber er hält es für unrealistisch, totalitäre Diktaturen
       vollständig zu boykottieren. "Wenn wir Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
       zur Bedingung für Öllieferungen machen, dann können wir unsere Autos direkt
       verschrotten", sagte er.
       
       Der deutsche Kommissar hofft, dass die EU-Mitgliedstaaten seinen
       Vorschlägen noch unter der polnischen EU-Ratspräsidentschaft bis Ende des
       Jahres zustimmen. Er sei "optimistisch", sagte er. Ganz so einfach wird es
       wohl nicht werden: Da die neuen Regelungen vor allem staatliche Abkommen
       betreffen, sind zahlreiche deutsche Absprachen, die über die
       Privatwirtschaft laufen, nicht davon betroffen.
       
       Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Mitgliedstaaten nicht ohne Weiteres
       akzeptieren werden, dass die EU-Kommission in Zukunft in vielen Fällen mit
       am Verhandlungstisch sitzen will.
       
       7 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ruth Reichstein
       
       ## TAGS
       
   DIR Aserbaidschan
       
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