URI: 
       # taz.de -- Rasmussen über Doping im Radsport: Schwarz-Weiß statt Grau
       
       > Ausgerechnet der einst von der Tour de France verjagte Michael Rasmussen
       > fordert nach einer Dopinganhörung Klarheit im Radsport - und will selbst
       > weiter Rad fahren.
       
   IMG Bild: Mit Flecken auf der weißen Weste: Michael Rasmussen.
       
       ROM taz | Es ist ein Bild für die Geschichtsbücher. Mutterseelenallein ist
       Michael Rasmussen, als er am Montag den weiten Vorplatz des römischen
       Olympiastadions betritt, um einer Vorladung des italienischen
       Antidopingausschussses Folge zu leisten, der in der Affäre um den früheren
       Lampre-Apotheker Guido Nigrelli ermittelt. Kein Kamerateam erwartet ihn.
       Anders als andere Dopingsünder ist Rasmussen nicht einmal von Anwälten in
       schweren Limousinen begleitet. Ganz allein im Taxi fährt er vor.
       
       Vor vier Jahren noch konnte der spindeldürre Radprofi mit dem sprechenden
       Namen "Chicken" Hundertschaften an Journalisten mobilisieren. 2007 wurde er
       als Träger des gelben Trikots von der Tour de France ausgeschlossen, weil
       er mehrfach falsche Angaben über seinen Aufenthaltsort gemacht hatte. Er
       wurde verdächtigt, auf diese Art und Weise Dopingkontrollen umgangen zu
       haben.
       
       Dass gute Gründe hinter diesem harten Durchgreifen lagen, belegten nicht
       nur spätere Analysen von Urinproben Rasmussens aus der 2007er Tour, die
       Spuren des Dopingmittels Dynepo aufwiesen. Es wurde auch bekannt, dass er
       einen befreundeten Mountainbiker darum gebeten hatte, Kunstblut aus den USA
       nach Europa zu schmuggeln.
       
       Nach Ansicht der österreichischen Polizei soll Rasmussen sowohl Klient der
       Wiener Blutbank Humanplasma gewesen sein, als sich auch mit dem Radprofi
       Bernhard Kohl und dem Skilangläufer Christian Hoffmann am Kauf einer
       Blutzentrifuge durch den gemeinsamen Manager Stefan Matschiner beteiligt
       haben. 2008 wurde er vom monegassischen Verband wegen der umgangenen
       Kontrollen zu einer zweijährigen Sperre verurteilt. Ein Unschuldslamm ist
       Michael Rasmussen also nicht. Eher ein Sünder ohne Lobby, der zur falschen
       Zeit auffällig wurde.
       
       Wie sehr sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben, illustriert die
       Tatsache, dass der direkte Profiteur des damaligen Ausschlusses des Dänen,
       der spätere Toursieger Alberto Contador, trotz laufenden
       Clenbuterolverfahrens in diesem Sommer eine Titelverteidigung seines
       mittlerweile dritten Tourtriumphes angehen konnte.
       
       ## "Das System ist kaputt"
       
       Contador wurde zwar sportlich gestoppt, dass er antreten durfte, erzürnt
       den alten Rivalen Rasmussen jedoch sichtlich. "Das System ist kaputt.
       Entweder du bist gesperrt oder du darfst fahren. Es sollte schwarz und weiß
       geben. Jetzt gibt es aber so viele Grauzonen", sagt er der taz und fordert:
       "Gleichbehandlung für alle, egal ob sie aus Spanien, Dänemark oder
       Deutschland kommen".
       
       Dass er 2007 aus dem Wettbewerb genommen wurde, sieht er als "den größten
       Diebstahl in der Geschichte des Radsports" an. "Die hatten gar kein Recht
       dazu", sagt er und verweist auf das seiner Aussage nach noch laufende
       Schadenersatzverfahren gegen sein damaliges Team Rabobank.
       
       Dass er jetzt erneut in ein Dopingverfahren verwickelt ist, erbost ihn
       ebenfalls. Ihm werden Kontakte zu dem Apotheker Guido Nigrelli vorgeworfen,
       der nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Mantua Teamdoping beim
       Rennstall Lampre organisiert haben soll. "Ich kenne Nigrelli seit zehn
       Jahren. Ich bin zu ihm gekommen, um Medikamente für meine Familie und meine
       Hunde zu holen", beteuert er. Es solle sich um Antiparasitenmittel für die
       Vierbeiner, Haarwuchsmittel für die Ehefrau, Nasentropfen für die Kinder
       und Vitamine für ihn selbst gehandelt haben, präzisiert er.
       
       Warum er für regelmäßige Apothekenbesuche jeweils 120 Kilometer weit fuhr,
       kann er zwar nicht erklären, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass
       Rasmussen bei Nigrelli tatsächlich nur den Familienbedarf abdeckte und ohne
       eigenes Verschulden in die Antidopingrazzia der italienischen Polizei
       geriet.
       
       Eine neuerliche Sperre wäre eine ironische, für den Betreffenden aber
       folgenreiche Volte. Denn Rasmussen fährt wieder Rennen. "Noch diese Woche
       nehme ich an einem Etappenrennen in Italien teil", sagt er. Rasmussen will
       noch einige Jahre fahren und sein dänisches Team Christina Watches
       zumindest aufs zweitklassige Continental Niveau führen. Der alte Outlaw
       glaubt an sein Comeback.
       
       30 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Doping bei Contador: Von wegen Fleisch
       
       Alberto Contador muss Pause machen – zwei Jahre lang. Der Internationale
       Sportgerichtshof sperrt den Radsportler wegen Dopings. Auch der Toursieg
       2010 ist weg.
       
   DIR Radsportprofi Winokurow: Betrüger oder Cyberattacken-Opfer?
       
       Der kasachische Radsportprofi Alexander Winokurow soll sich einen Sieg von
       einem Konkurrenten erkauft haben. Er behauptet, sein Mail-Account sei
       geknackt worden.
       
   DIR Dopingprozess gegen Radprofi: Fleischliche Genüsse
       
       Der spanische Spitzenradler Alberto Contador muss sich vor dem
       internationalen Sportgerichtshof Cas verantworten. Die Frage ist, ob er mit
       Clenbuterol betrogen hat oder nicht.
       
   DIR Dopingkontrollen und Datenschutz: Die perfekte Überwachung
       
       Deutsche Sportler protestieren gegen das Überwachungssystem der Nada. Auch
       Datenschützer üben Kritik. Nun beschäftigen sich Politiker mit dem Problem.
       
   DIR Doping-Symposium: "Nur Lippenbekenntnisse"
       
       In Freiburg diskutieren Doping-Bekämpfer wie Richard Pound über Betrug im
       Sport. Ausgerechnet die Skandal-Vergangenheit der dortigen Sportmedizin
       wird ausgespart.
       
   DIR Tour de France: Ferner radelten
       
       Der beste Deutsche beendet die Tour de France auf Platz 44: Tony Martin,
       Zeitfahrsieger vom Samstag. Ein besserer Platz im Gesamtklassement wäre ihm
       lieber gewesen.
       
   DIR Königsetappe Tour de France: Schleck schleicht sich weg
       
       Alberto Contador zeigt ganz menschliche Schwächen in den Bergen. Sein
       Rückstand auf Schleck: fast 4 Minuten. Deswegen stellt er seine Renntaktik
       um.
       
   DIR Dopingverdacht bei Tour de France: Über dem Limit
       
       Fahradfahrer Thomas Voeckler ist in der Form seines Lebens. Woher hat er
       die? Ein Sportwissenschaftler glaubt, dass der Tour-Führende manipuliert
       haben könnte.