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       # taz.de -- Krise beim Hamburger SV: Renovierarbeiten bei laufendem Betrieb
       
       > Nach dem unglücklichen 3:4 gegen den 1. FC Köln versucht der Hamburger SV
       > verzweifelt zum Neuaufbau zu stehen. Und will über den Trainer nicht
       > diskutieren.
       
   IMG Bild: Blamiert und auf dem letzten Tabellenplatz: Spieler des HSV.
       
       HAMBURG taz | Der HSV ist ja in vieler Hinsicht ein Repräsentant der
       Zustände der Stadt, in der er spielt. In dieser Stadt fällt aus der Kirche
       St. Nikolai ein Steinbrocken, die Straße muss gesperrt werden. Kein Geld
       da. Die alten Gebäude werden, die neuen bleiben Baustellen, etwa die
       Elbphilharmonie, weil die Stadt, die so gerne in einer Liga mit Barcelona
       und Mailand spielen will, in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse
       lebte. Die Stadt mit Gebäuden, der HSV mit Ruud van Nistelrooy.
       
       Nun spart der HSV und lässt Junge spielen, was bislang nicht klappt. Nun
       wurde, für eine Abwehr, die in drei Spielen zehn Tore geschluckt hatte,
       Innenverteidiger Slobodan Rajkovic geholt, 22, in Belgrad geboren, vom FC
       Chelsea an Vitesse Arnheim ausgeliehen. HSV-Trainer Michael Oenning lobte
       nach der 3:4-Niederlage gegen den bis dahin ebenfalls sieglosen 1.FC Köln
       Heiko Westermann und Rajkovic: "Unsere Innenverteidiger haben ein gutes
       Spiel gemacht." Rajkovic macht im ersten Spiel sogar sein erstes Tor, es
       ist das 2:2.
       
       Statt der Innen- wackeln gegen Köln die Außenverteidiger: Dennis Diekmeier
       rechts und Dennis Aogo links, der sich nicht wundert, dass ihn
       Bundestrainer Joachim Löw nicht für die nächste EM-Qualifikationsspiele
       berufen hat. "Nee, wenn es in der Mannschaft nicht läuft", sagt Aogo, der
       "ein langes Gespräch" mit Löw führte, "da bin ich selbstkritisch genug."
       Das 1:1 fällt über Aogos Seite, das 1:2 über die von Diekmeier. Köln hatte
       das Spiel gedreht, aber es dreht sich nochmal - und dann noch einmal.
       
       ## Köln nutzt krasse Abwehrfehler des HSV
       
       Immerhin das schönste Tor des Spiels schießt der HSV zur zwischenzeitlichen
       Führung: Der Koreaner Heung Min Son trifft mit links (62.). Es ist der
       Moment, in dem Trainer Oenning an den ersten Sieg glaubt: "Ich hätte nach
       dem 3:2 nie gedacht, dass wir am Ende mit leeren Händen dastehen.". Doch
       der HSV trifft Pfosten und Latte, während auf der anderen Seite der
       eingewechselte Christian Clemens (84.) und der eingewechselte Kevin McKenna
       (88.) böse Abwehrfehler des HSV zum 4:3-Erfolgt nutzen.
       
       Von Krise wollen sie beim HSV aber noch nicht reden, über den Trainer -
       entgegen der branchenüblichen Reflexe - schon gar nicht. Aogo findet die
       Situation "bedrohlich", aber für das Wort "Abstiegskampf" sieht er die Zeit
       noch nicht reif. "Das 3:3 und das 3:4 dürfen nicht fallen, definitiv, uns
       passieren zu viele einfache Fehler", klagt der Verteidiger. Und Trainer
       Oenning regt er an, den Blick von der Tabelle zu lösen und aufs Spiel der
       Mannschaft zu richten: "Wir haben heute schon mehr Fußball gespielt, das
       war der erste richtige Schritt in die richtige Richtung." Vier Spiele und
       nur ein Schritt, das wird ein langer Weg.
       
       ## Trainerfrage wird vorerst ignoriert
       
       Ein Weg, den sie beim HSV gemeinsam gehen wollen. Das haben sie sich
       geschworen. Der zur Dauerlösung beförderte Interimspräsident Carl-Edgar
       Jarchow machte vor der Fernsehkamera schon mal vor, wie das gehen könnte.
       Auf die Frage, was in der kommenden Woche die meist diskutierte Frage sein
       würde, antwortete er tapfer: "Wie wir wieder Erfolg haben?" Die eigentlich
       gemeinte Trainerfrage ignorierte er mit einer Mischung aus gut gespielter
       Naivität und Chuzpe.
       
       Und auf Nachbohren blieb er bei seiner Haltung: "Ich werde da jetzt keine
       Frist nennen - weil es keine gibt." Beim HSV wissen alle, dass der radikale
       Schnitt im Kader schon aus finanziellen Gründen alternativlos war, aber
       enorme Risiken birgt, Abstieg inklusive. Die jungen Spieler brauchen nun
       Zeit, um zu reifen und zu einem Team zusammenzuwachsen. Bei laufendem
       Betrieb.
       
       Der hanseatische Kaufmann Jarchow strahlt derzeit aus, dass er das auch in
       vier Wochen noch wissen könnte. Nun hängt alles davon ab, ob er davon auch
       die Fans überzeugen kann, die bisher nur verhalten murren. Und vor allem
       den Aufsichtsrat, dessen Mitglieder in der Vergangenheit immer wieder ihre
       privaten Sichtweisen der Dinge öffentlich herumposaunt haben.
       
       28 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR J. Kahlcke
   DIR R. Repplinger
       
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