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       # taz.de -- Borussia Dortmund: Der Kampf gegen die Müdigkeit
       
       > Borussia Dortmunds 0:1-Niederlage in Hoffenheim wirft eine grundsätzliche
       > Frage auf: Inwieweit sind die Spieler der künftigen Mehrfachbelastung
       > gewachsen?
       
   IMG Bild: Sitzend K.O.: Dortmunds Chris Löwe nach dem Spiel. (<a href="http://www.taz.de/Aktion-der-taz-Sportredaktion/!76172/" target="_top">Ohne Logo</a>.)
       
       HOFFENHEIM taz | Für alles im Leben gibt es ein erstes Mal: Es gibt den
       ersten Schultag, den ersten Kuss und den ersten Sex. Wie dann alles
       weitergeht, wenn die Premiere erst einmal hinter einem liegt, gehört zu den
       Dingen, die das Leben interessant machen. In Dortmund gibt es seit diesem
       Frühjahr ein paar sehr junge Menschen in schwarz-gelben Trikots, die zum
       ersten Mal in ihrem Leben deutscher Fußballmeister geworden sind. Was das
       mit jungen Menschen macht, weiß in dem Moment, in dem es passiert, niemand.
       
       Mario Götze zum Beispiel war vor einem Jahr noch ein ziemlich unbekannter
       junger Mann. Heute vergleicht ihn Franz Beckenbauer mit Lionel Messi. Götze
       spielte vergangenen Mittwoch zum ersten Mal von Anfang an in der Startelf
       der deutschen Nationalmannschaft. Gegen Brasilien! Das tat er so gut, dass
       sich am Samstag beim Bundesligaspiel gegen 1899 Hoffenheim alle Kameras auf
       diesen erst 19 Jahre alten Fußballer konzentrierten.
       
       Was alle gesehen hatten, die Götze schließlich nach 54 Minuten erschöpft
       vom Platz auf die Ersatzbank hatten schleichen sehen, erklärte BVB-Trainer
       Jürgen Klopp danach so: "Er war müde." Das wars, Mario Götze war müde. Das
       ist einerseits keine spektakuläre Erkenntnis, aber trotzdem eine Nachricht,
       weil der BVB in Hoffenheim 0:1 verloren hat.
       
       Vor einem Jahr stellte der BVB noch keinen deutschen Nationalspieler, nun
       ist die Mehrheit des Kaders regelmäßig auf Dienstreise. Vergangene Woche
       war das zum ersten Mal der Fall in dieser Saison, und in Hoffenheim fehlten
       prompt die letzte Kraft und die ganz große Konzentration. Es ist die
       zentrale Frage dieser BVB-Saison, wie es dieser jungen Mannschaft gelingen
       wird, die Spannung in der Liga trotz erhöhter Belastung durch Spiele in der
       Champions League und mit den Nationalmannschaften körperlich und geistig
       aufrechtzuerhalten.
       
       Niemand hat Erfahrung mit diesem Rhythmus beim BVB, auch der Trainer Jürgen
       Klopp nicht. Das Motto für die neue Dortmunder Welt hat er jüngst so
       formuliert: "Wir werden die Ersten sein, die dienstags in Madrid auflaufen
       und sich anschließend ein Loch in den Bauch freuen, samstags wieder in
       Augsburg spielen zu dürfen." Das klingt griffig, wird aber immer wieder neu
       auf dem Prüfstand stehen.
       
       ## Emotionale Kraftakte
       
       Klopp hätte das nicht formuliert, wüsste er nicht, dass genau in diesem
       körperlichen und emotionalen Kraftakt die Herausforderung für den BVB
       liegt. In Hoffenheim brauchten die Spieler eine halbe Stunde, um sich in
       das Spiel hineinzubeißen. Doch Präzision in Passspiel und Abschluss fehlten
       notorisch. Besonders Götze und Kagawa litten unter Müdigkeit wegen ihrer
       Länderspieleinsätze und der Schwüle in Nordbaden.
       
       Hinzu kommt, dass sich der BVB mittlerweile einen Status erarbeitet hat,
       wie ihn der FC Bayern in den letzten 15, 20 Jahren hatte. Das meint
       jedenfalls Hoffenheims Trainer Holger Stanislawski. Ein Sieg gegen den
       deutschen Meister wird von den Konkurrenten wie eine eigene kleine
       Meisterschaft gefeiert. Den rhetorischen Trick Klopps ("Wir sind der erste
       deutsche Meister, der als Herausforderer ins Rennen geht") haben sie beim
       BVB exklusiv, die Liga sieht das anders.
       
       In Hoffenheim hat der Hype nach der Herbstmeisterschaft 2008 das einst
       spannendste Projekt des deutschen Fußballs in eine tiefe Krise gestürzt.
       Den Sieg gegen den deutschen Meister feierten die Fans deshalb wie ein
       Erweckungserlebnis. Die zentrale Frage in Hoffenheim lautet: Kann Holger
       Stanislawski, der in zuvor 18 Jahren beim FC St. Pauli zum bundesweit
       beliebten "Stani" wurde, diese Mannschaft noch einmal vitalisieren?
       
       Seit Samstag keimt die Hoffnung, dass der Plan aufgehen könnte. Endlich
       präsentierte sich diese Ansammlung von talentierten Einzelspielern wieder
       als Mannschaft. Jürgen Klopp lobte, Hoffenheim sei ein unangenehmer Gegner
       gewesen – das hat schon lange kein gegnerischer Trainer mehr über diese
       Mannschaft gesagt. Kapitän Andreas Beeck erklärte: "Der Trainer ist der
       Kopf des Teams, der uns pusht. Dass er an der Außenlinie mitspielt, tut uns
       gut." Und Torhüter Tom Starke bemerkte: "Letztes Jahr haben die Emotionen
       von außen gefehlt. Heute haben wir uns selber bewiesen, zu was wir in der
       Lage sind."
       
       14 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schächter
       
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