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       # taz.de -- Hirnforscher will Versuche weiterführen: Kein schöner Planet für Affen
       
       > Der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter hat einen Antrag auf Fortsetzung
       > der Versuche mit Makake-Affen gestellt. Tierschützer und Studenten wollen
       > ein Ende der Experimente.
       
   IMG Bild: Soll weiterhin in den Uni-Laboren vor der Flimmerkiste hocken: Der Makake-Affe (Macaca)
       
       Der Neurobiologe Andreas Kreiter will die umstrittenen Affenversuche an der
       Universität Bremen weiterführen. Trotz eines noch anhängigen
       Berufungsverfahrens, das über die Zulässigkeit dieser Primatenversuche
       entscheiden soll, hat der Bremer Hirnforscher einen Antrag auf Verlängerung
       seiner Ende November auslaufenden Versuchsgenehmigung gestellt. Kreiter
       will für weitere drei Jahre etwa 20 Makaken für die Hirnforschung
       einsetzen.
       
       Aus dem zuständigen Bremer Bildungsressort kommt dazu nur so viel: Ja, es
       gebe einen neuen Antrag von Andreas Kreiter auf Verlängerung der
       Tierversuchsgenehmigung, aber wir nehmen dazu keine Stellung. Und nein: Ein
       Termin für die Berufungsverhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht stehe
       noch nicht fest, und so lange werde man auch nichts dazu sagen.
       
       Kreiter führt die Affenversuche seit 1989 an der Bremer Uni durch und misst
       dabei die Aktivitäten einzelner Hirnzellen, während die Tiere vor einem
       Bildschirm sitzen und auf einen Knopf drücken, sobald sie ein gelerntes
       Muster wiedererkennen.
       
       ## Bürgerschaft gegen Tierversuche
       
       2007 hatte sich die Bremische Bürgerschaft einstimmig gegen diese
       Tierversuche ausgesprochen, und die Gesundheitsbehörde lehnte damals einen
       Antrag Kreiters auf Fortführung der Experimente ab. Die Versuche würden für
       die Tiere "erhebliche Leiden" bedeuten, so die Begründung. Ein bislang
       einmaliger Vorgang, denn vorher hatte sich kein Bundesland getraut, eine
       zehn Jahre lang laufende Versuchsreihe zu stoppen. Die Uni klagte, und
       aufgrund einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts 2008 darf Kreiter
       derzeit weiter an den Affen experimentieren.
       
       "Wir erwarten, dass dem Antrag die Zustimmung verweigert wird", sagt
       Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Vorsitzender
       des Bremer Tierschutzvereins. In Bremen hätten sich etwa 100.000 Menschen
       gegen die Versuche ausgesprochen und es dürfe keinen Freibrief für diese
       Forschung geben.
       
       "Auch Wissenschaftler müssen sich an ethische Prinzipien halten und können
       nicht den verfassungsmäßig verbrieften Tierschutz weiter in Frage stellen."
       Kreiters Ankündigung, seine Forschung weg von der reinen
       Grundlagenforschung hin zur Anwendungsorientierung zu orientieren, also
       beispielsweise der Entwicklung von Prothesen, die über Signale aus dem
       Gehirn steuerbar sind, mache die Sache nicht besser. "Denn die Motive
       ändern aus dem Blickwinkel der Affen nichts an ihrem Leid", sagt Ulrike
       Gross vom Deutschen Tierschutzbund.
       
       ## Widerstand auch an der Uni
       
       Auch an der Uni Bremen regt sich Protest. "Eine Verlängerung dieser
       grausamen und unethischen Affenversuche ist nicht hinnehmbar", sagt
       Asta-Vorsitzender Stefan Weger. "Dazu kommt, dass die Forschung unheimlich
       schlecht vernetzt ist, so dass unnötig vielen Tieren für dieselben
       Ergebnisse Leid zugefügt wird." Für die Studierenden sei die weitere
       Etablierung von Tierversuchen inakzeptabel, denn diese Kultur des
       Tiermissbrauchs wirke sich auch auf die Lehre aus. So müssen Studierende
       aus den naturwissenschaftlichen Studiengängen es sich zum Teil erkämpfen,
       ihr Studium ohne Tiersektionen oder -versuche durchführen zu können.
       
       "Wir wissen, dass es sowohl unter den Studierenden unserer Uni als auch in
       der Bevölkerung Kritiker an diesen Tierversuchen gibt", sagt Eberhard
       Scholz, Pressesprecher der Uni Bremen. Aber es gebe auf der anderen Seite
       eben auch die Freiheit der Forschung im Rahmen der gesetzlichen Auflagen.
       Und die Forschung von Andreas Kreiter bewege sich nun einmal in einem
       Spannungsfeld zwischen dem Tierschutz und den positiven Erkenntnissen der
       Hirnforschung an Affen für die Therapie von beispielsweise gelähmten
       Menschen.
       
       "Wenn wir alle immer wüssten, was richtig und was falsch ist, dann wäre es
       leicht", sagt Scholz. Kreiter selbst war am Donnerstag für eine
       Stellungnahme nicht zu erreichen.
       
       11 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ilka Kreutzträger
       
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