# taz.de -- taz-Serie zum Mauerbau (Teil 1): Vereintes Singen und Sammeln
> Ost- und Westkultur sollten nach der Wende zusammenwachsen - ohne dass
> etwas verloren geht. Deshalb wurden Auffangstrukturen gebildet. Zwei
> davon gibt es noch heute: die Stiftung Stadtmuseum und die
> Rundfunkorchester und Chöre GmbH.
IMG Bild: Ist jetzt wieder das Stadtmuseum aller BerlinerInnen - und das Stammhaus der Stiftung Stadtmuseum Berlin: Das trutzburgähnliche Märkische Museum
Wenn Dieter Beuermann an seine Besuche im Berlin Museum zurückdenkt,
strahlt sein Gesicht: "Ein wunderbares Haus war das, Barockarchitektur,
tolle Sammlung - und im Erdgeschoss eine Berliner Kneipe, in der man
Buletten und Solei bekam", erinnert sich der 72-Jährige. Der Verleger
Beuermann ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Vereins der Freunde und
Förderer des Stadtmuseums Berlin. Doch das Museum in der Kreuzberger
Lindenstraße, 1969 als Westberliner Pendant zum hinter der Mauer
verschwundenen Märkischen Museum eröffnet, gibt es nicht mehr. Der
Barockbau ist heute Teil des Jüdischen Museums, das früher Teil der
(Westberliner) Stadtmuseumssammlung war und nach der Wende ein eigenes Haus
und die Bundesträgerschaft bekam. Die junge, von engagierten Bürgern
zusammengetragene Sammlung des Berlin Museums (West) ist in der Sammlung
des bereits 1908 eröffneten Märkischen Museums (Ost) aufgegangen. Der
Förderverein gehört nun zur Stiftung Stadtmuseum Berlin. Ein wenig, gibt
Beuermann zu, trauere er dem alten Haus nach - und dem knackigen Namen
"Berlin Museum". Aber: "Wir sind wieder eine Stadt, da heißt es nach vorne
gucken", sagt er.
Nach vorne gucken, alle(s) mitnehmen - und vereinigen, was zu vereinigen
geht. Das war die Hauptaufgabe der 1994 gegründeten Museumsstiftung.
Dreizehn über das Stadtgebiet verteilte Sammlungen hatte sie zu verwalten,
vom DDR-Sportmuseum bis zur "Sammlung Industrielle Gestaltung". Alle galt
es zu retten, alles sollte Teil der großen Gesamtberliner Sammlung für
Stadt- und Regionalgeschichte werden. Heute hat die Stiftung noch fünf
Standorte, vier davon liegen im ehemaligen Ostteil der Stadt. "Das ist ein
Problem - viele Westberliner nehmen das Märkische Museum immer noch nicht
als ihr Stadtmuseum an", sagt Beuermann, der seinem Verein bescheinigt,
"einen ähnlichen Altersdurchschnitt wie die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten" zu haben. Christian Mothis, stellvertretender Direktor
der Stiftung, findet allerdings, es sei endlich Zeit, Kategorien wie "West-
und Ostberlin" hinter sich zu lassen. "Wir konzentrieren uns zunehmend auf
Mitte, auf unser Haupthaus Märkisches Museum und auf unser Kerngeschäft:
die unmittelbare Regionalgeschichte", sagt er nüchtern. Was aber die
Dauerhaftigkeit seiner Stiftung angeht, die anfangs als
Verwaltungsprovisorium gegründet wurde, hat er keine Zweifel: "Wir sind für
die nächsten 100 Jahre im Geschäft."
Drei Opern, zwei Kunsthochschulen, zwei Staatsbibliotheken - in der
Kulturlandschaft sind die Folgen von Teilung und Mauerbau noch immer
präsent, wenn auch längst nicht mehr so offensichtlich wie noch vor zehn
Jahren. Teure und komplizierte Doppelstrukturen sind weitgehend beseitigt:
durch Zusammenlegungen, Fusionen, Kürzungen. "Vereinigungsbedingte
Friktionen gehören der Vergangenheit an, aber die Strukturen sind
mancherorts noch da", sagt Torsten Wöhlert, Sprecher der Kulturverwaltung.
Wo nicht zusammengezwungen werden konnte, was sich historisch verschieden
entwickelt hatte, wählte die Politik eine andere Lösung: die
Auffangstruktur. Dabei handelt es sich um Gebilde, deren Zweck es zunächst
war, alle Standorte zu erhalten, um sie dann zu einem neuen, großen Ganzen
zu ordnen. Eine dieser bundesweit einmaligen Auffangstrukturen ist die
Stiftung Stadtmuseum.
Die andere ist die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin, kurz ROC. Die
Dachorganisation wurde 1994 gegründet, um alle vier Rundfunkklangkörper der
Stadt zu erhalten: Den RIAS-Kammerchor im Westen und den Rundfunkchor
Berlin im Osten; das Deutsche Symphonie-Orchester (West) und das
Rundfunk-Sinfonieorchester (Ost). "Das Land war nach der Wende mit dieser
Vielfalt überfordert", erzählt Heinz-Dieter Sense, Verwaltungsdirektor der
ROC. Die Dachorganisation sei nicht nur eine Auffangstruktur, sondern ein
politisches Bekenntnis zum kulturellen Status quo der Mauerzeit. Die ROC
wird zu 40 Prozent vom Deutschlandradio, zu 35 Prozent von der
Bundesrepublik Deutschland und zu 25 Prozent vom Land Berlin und dem
Rundfunk Berlin-Brandenburg getragen. Eine Konstruktion, die den
langfristigen Erhalt der Dachorganisation sichert, wie Sense hofft:
"Momentan sehe ich bei unseren Geldgebern keine Bestrebungen, etwas zu
verändern. Zum Glück, denn eine Veränderung läuft auf die Abschaffung eines
Klangkörpers hinaus."
Die ROC, die inklusive MusikerInnen 350 Beschäftigte zählt, sieht es als
ihre Aufgabe, politische Vorhaben wie die 2009 geplante Orchesterfusion zu
verhindern. "Wir sind gleichzeitig Interessenvertretung und Verwaltung -
aber eine extrem schlanke", wie Sense gleich defensiv hinzufügt. Er weiß,
dass so mancher Intendant oder Politiker seine Organisation gern auflösen
würde, um Kosten zu sparen: Seit 2004 kritisierten immer wieder FDP- und
CDU-Politiker die starke Beteiligung des Bundes an der ROC GmbH, auch
Deutschlandradio-Intendant Willi Steul stellte wiederholt Überlegungen an,
die Orchester zu fusionieren oder das Rundfunkorchester zu übernehmen. Ende
2009 sprach Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) ein Machtwort und
erklärte die Diskussion über die Zukunft der ROC für beendet. "Solange es
vier Klangkörper in dieser Stadt gibt, wird es auch uns geben", stellt
Sense klar.
Der Senat bekennt sich zu beiden Dachgesellschaften: "Sowohl die Stiftung
Stadtmuseum als auch die ROC haben sich als Strukturen sehr gut bewährt,
sie sind für Berlin eine Erleichterung", sagt Wöhlert.
5 Aug 2011
## AUTOREN
DIR Nina Apin
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