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       # taz.de -- Ermittlungen in Norwegen: Was lief schief bei der Polizei?
       
       > Nach heftiger Kritik am zu späten Eingreifen der Polizei nach den beiden
       > Anschlägen will die Regierung alle Vorgänge von einer Kommission
       > untersuchen lassen.
       
   IMG Bild: Die Polizei trauert zwar mit um die Opfer der Attentate von Oslo, muss sich aber dennoch nach ihrer Verantwortung fragen lassen.
       
       STOCKHOLM taz | Die norwegische Regierung hat eine gründliche Untersuchung
       aller Vorgänge im Zusammenhang mit den beiden Terroranschlägen vom 22. Juli
       angekündigt. Eine unabhängige Kommission werde eingerichtet, die ermitteln
       solle, was funktioniert habe, was nicht und warum nicht, erklärte
       Ministerpräsident Jens Stoltenberg.
       
       In Oslo reagiert man mit diesem Schritt auf Fragen, die im Zusammenhang mit
       der Reaktion der Polizei nach und der Arbeit des Verfassungsschutzes vor
       den Terrortaten gestellt werden. Im Zentrum steht das als viel zu spät
       kritisierte Eingreifen auf der Insel Utøya. Dort hatte der Terrorist Anders
       Behring Breivik eineinhalb Stunden Zeit ein Blutbad anzurichten, weil kein
       Hubschrauber einsatzbereit war, der die Spezialeinheit "Delta" hätte
       transportieren können.
       
       Nach Einsparungen verfügt die Polizei in Oslo nur noch über einen
       Hubschrauber und der war ohne Besatzung - aus Urlaubsgründen. Vermutlich
       weil man zu lange den Ernst der Situation auf Utøya nicht verstand, war
       auch Hilfe seitens des Miltärs nicht angefordert worden.
       
       Als "schwer begreiflich" bezeichnete ein Mitarbeiter des schwedischen
       Verfassungsschutzes den Umgang der norwegischen Sicherheitskräfte mit dem
       Bombenauto: "Ein Kleintransporter so strategisch vor der Stockholmer
       Regierungszentrale abgestellt - der hätte da keine Minute gestanden." Die
       für den Objektschutz der Regierungskanzlei in Oslo Verantwortlichen
       reagierten mit einer Halteranfrage. So dass man immerhin nach der Festnahme
       Breiviks auf Utøya gleich wusste, dass der Terrorist und die Person, die
       dieses Fahrzeug bei "Avis" ausgeliehen hatte, identisch waren.
       
       ## Automatikwaffen zur Hirschjagd
       
       "Nicht einmal die Stasi wäre Breivik auf die Spur gekommen", meint zwar
       Janne Kristiansen, Chefin des Inlandsgeheimdienst PST. Dass der Fokus ihres
       Dienstes aber seit vielen Jahren auf extremen Islamismus gerichtet ist,
       kann sie nicht bestreiten. Und auch Norwegens liberales Waffenrecht dürfte
       infrage gestellt werden. Der Terrorist durfte seine Automatikwaffen
       besitzen, weil er sie angeblich zur Hirschjagd brauchte. Die fraglichen
       Waffen kann man im Internet kaufen und bis zu sechs Waffen darf jeder
       Norweger besitzen. Legaler Waffenbesitz berechtigt jährlich zum Kauf von
       15.000 Schuss Munition. Eine Kontrolle gibt es allerdings sowieso nicht.
       
       Die Polizei schloss am Donnerstag die Suche nach Vermissten auf Utøya ab,
       die Suche im Wasser geht weiter. Die Zahl der Vermissten sei jedoch jetzt
       "minimal" erklärte Polizeisprecher Johan Fredriksen. Die Zahl der Toten ist
       mit 76 unverändert. Am Freitag soll das Verhör mit Breivik wieder
       aufgenommen werden und sich speziell um mögliche Mittäter drehen. Laut
       Informationen der Tageszeitung VG schreibe dieser in seiner Zelle an einer
       Rede, die er vor Gericht halten will. Der Prozess gegen ihn dürfte erst
       2012 stattfinden.
       
       Mit Ministerpräsident Jens Stoltenberg jedenfalls sind die NorwegerInnen
       laut einer Umfrage zufrieden: 94 Prozent loben sein Krisenmanagament.
       
       28 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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