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       # taz.de -- Union fordert Vorratsdatenspeicherung: Reflexdebatte über innere Sicherheit
       
       > Nach den Anschlägen von Oslo ruft die Union wieder nach der
       > Vorratsdatenspeicherung, die FDP will sie nicht. Die SPD fordert ein
       > neues NPD-Verbotsverfahren.
       
   IMG Bild: Das Massaker in Oslo facht in Deutschland die Debatte um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung an.
       
       BERLIN taz/dapd | Nach den [1][Terroranschlägen von Norwegen] sind in
       Deutschland heftige Debatten über Fragen der inneren Sicherheit entbrannt.
       Während deutsche Sicherheitsbehörden bislang keine Hinweise haben, dass der
       mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik direkte Verbindungen nach
       Deutschland hatte, werden Forderungen nach Gesetzesverschärfungen laut. Die
       Opposition bemängelt derweilen den Kurs der Bundesregierung beim Kampf
       gegen Rechtsextremismus.
       
       Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag,
       Hans-Peter Uhl (CSU), forderte reflexartig die Wiedereinführung der
       Vorratsdatenspeicherung. Man dürfe den Sicherheitsbehörden nicht die
       Instrumente vorenthalten, die sie zur Täterermittlung benötigen.
       Oppositionspolitiker übten heftige Kritik an diesem Vorschlag.
       Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch warf Uhl Trittbrettfahrerei vor. "Eine
       Vorratsdatenspeicherung hätte die Tat nicht verhindert", sagte sie.
       Gleichzeitig forderte sie ein Verbot der NPD.
       
       Die Koalition ist sich beim Thema Vorratsdatenspeicherung nach wie vor
       uneins. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das bisherige Gesetz im
       vergangenen Jahr gekippt hatte, streiten sich Union und FDP über eine
       Neufassung. Die FDP lehnt die Speicherung von persönlichen
       Telekommunikationsdaten ohne konkreten Anlass grundsätzlich ab.
       
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und die Union fordern
       hingegen, dass Verbindungsdaten mehrere Monate auf Vorrat gespeichert
       werden. Aus dem Innenministerium hieß es am Montag, es gebe beim Thema
       Vorratsdatenspeicherung keine neuen Argumente.
       
       ## Nahles fordert neues NPD-Verbotsverfahren
       
       Hektisch Gesetz zu verschärfen, hält SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles
       hingegen nicht für sinnvoll. "Wir müssten mehr Polizeibeamte einstellen,
       die die rechtsradikale Szene im Internet beobachten können", sagte sie der
       Rhein-Zeitung. Die Anschläge in Norwegen zu benutzen, um in Deutschland die
       Vorratsdatenspeicherung zu rechtfertigen, sei "nicht in Ordnung". Ähnlich
       argumentiert auch ihr Kollege Dieter Wiefelspütz. Der innenpolitische
       Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion rief zum Ende des Streits über eine
       Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung auf. "Wir sollten die Scharmützel
       lassen vor dem Hintergrund eines Jahrhundertverbrechens."
       
       Andrea Nahles fordert indes die Innenminister der Länder auf, die
       Voraussetzungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren zu schaffen. Das, so
       Nahles, verhindere zwar keinen Anschlag, trockne aber die finanziellen
       Ressourcen der Rechten aus.
       
       Auf Empörung stießen weitreichendere Vorschläge von Bernhard Witthaut, dem
       Chef der [2][Gewerkschaft der Polizei] (GdP). Er hat die Einführung einer
       Datei ins Spiel gebracht, in der auffällige Personen gespeichert werden.
       Die Konkurrenzorganisation Deutsche Polizeigewerkschaft (DpolG) bezeichnete
       diesen Vorschlag als "absolute Überreaktion".
       
       ## Geld für Projekte gegen Rechts wird gekürzt
       
       Vor dem Hintergrund, dass der mutmaßliche Attentäter in Norwegen
       rechsextremem Gedankengut anhängt, wird der Umgang der Bundesregierung mit
       Extremismus debattiert. Der Haushaltsentwurf des Familienministeriums für
       2012 sieht unter "Maßnahmen zur Extremismusbekämpfung" 27 Millionen Euro
       vor. Das sind zwei Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Die Einsparung
       von zwei Millionen Euro soll durch die Senkung administrativer Kosten
       erreicht werden, heißt es aus dem Ministerium. So soll die Verwaltung der
       Fördermittel in Zukunft das ehemalige Bundesamt für den Zivildienst
       übernehmen. "Das eingesparte Geld darf nicht in den allgemeinen Haushalt
       zurückfließen", fordert Sönke Rix, Rechtsextremismusexperte der
       SPD-Bundestagsfraktion. Es solle besser zusätzlich für Projekte eingesetzt
       werden.
       
       Das Vorgehen von Ministerin Kristina Schröder (CDU) beim Thema Extremismus
       war in den vergangenen Monaten auf Widerstand gestoßen. Die Kritik dreht
       sich um die sogenannte Demokratieklausel, die das Familienministerium seit
       Anfang des Jahres von Projektträgern gegen Rechtsextremismus verlangt, die
       staatliche Unterstützung erhalten wollen. Sie werden verpflichtet, sich zur
       freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und müssen darüber
       hinaus auch ihre potenziellen Partner auf Verfassungstreue überprüfen.
       Initiativen gegen Rechtsextremismus sehen das als Diskriminierung und
       Schwächung ihrer Arbeit.
       
       Die Stadt Jena und mehrere Projektträger aus anderen Städten haben deshalb
       aus Protest auf Projektanträge verzichtet. Das geht aus der Antwort der
       Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die der taz
       vorliegt.
       
       26 Jul 2011
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Attentaeter-von-Oslo-in-Untersuchungshaft/!75101/
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   DIR Sebastian Erb
       
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       Opfern schuldig.