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       # taz.de -- Debatte Medienskandal Murdoch: Das Imperium lebt
       
       > Der Murdoch-Skandal strahlt bislang kaum auf andere Länder aus. Murdoch
       > Junior wird schon bald ein prosperierendes Unternehmen übernehmen.
       
   IMG Bild: In seinem Imperium hat Murdoch noch erstaunlich viele Unterstützer.
       
       Wie schön: Murdoch-Dämmerung herrscht auf allen Fluren. Das erste Blatt,
       das sich der Australier auf britischem Boden vor über 40 Jahren
       einverleibte - die News of the World - musste er schon einstellen. Die
       Website der Sun wurde prompt von Aktivisten gehackt, die Murdochs Tod
       verkünden. Und die Labour-Opposition fordert derweil die Entflechtung
       seiner britischen Besitztümer.
       
       In den USA machen Gerüchte von FBI-Ermittlungen gegen Murdoch-Medien die
       Runde, weil angeblich auch Telefone von Opfern der Terroranschläge vom 11.
       September 2001 gehackt worden sein sollen. Und die fest eingeplante
       Komplett-Übernahme von BskyB, einem der rentabelsten Pay-TV-Unternehmen der
       Welt, hat Murdoch schon abgeblasen - weil die bereits eingeholten
       Sondergenehmigungen sowohl für Murdoch wie die britische Regierung unter
       David Cameron nach hinten losgegangen wäre.
       
       Dass gleich zwei der ranghöchsten von Murdochs Lieutenants beiderseits des
       Atlantiks vorübergehend verhaftet wurden, scheint das Bild abzurunden:
       Gegen die Chefin seiner britischen Zeitungsholding News International,
       Rebekah Brooks, und gegen Les Hinton, Vorstand beim 2008 von Murdoch
       übernommenem Wall Street Journal, wird ermittelt. Der letzte Medienmogul
       alten Schlages wankt, steht nun Murdochs globale News Corporation
       selbstverschuldet am Abgrund?
       
       ## Murdochs Aktien steigen
       
       Zu früh gefreut: Das Echo auf den gemeinsamen Auftritt von Vater und Sohn
       vor dem britischen Parlamentsausschuss deutet daraufhin, dass die Murdochs
       hier viel mehr eine ganz wichtige Klippe gemeistert haben. Der Aktienkurs
       der News Corp, die Murdoch über eine komplizierte Holding-Struktur allein
       beherrscht, obwohl 60 Prozent der Anteile anderen gehören, war für zwei
       Wochen in freiem Fall. Seit Dienstag hat er sich spürbar erholt. Nur von
       seinen Investoren könnte dem Konzern echtes Ungemach drohen.
       
       Doch deren unabhängige Aufsichtsräte stehen wieder hinter Murdoch: Man sei
       entsetzt und geschockt über die Vorgänge bei der News of the World,
       unterstütze aber "einstimmig die Konzernführung in dieser Sache.
       Aufsichtsrat und Management Team ziehen an einem Strang", erklärte Viet
       Dinh für die unabhängigen Vertreter im News Corp-Aufsichtrat schon am
       Dienstag. Sein Kollege Tom Perkins sagte dem Wall Street Journal, er "denke
       ganz ehrlich, dass Rupert ein Genie ist - wir brauchen ihn, und der Konzern
       braucht ihn auch". Und dann ist da noch Prinz Alwaleed bin Talal Al Saud:
       Seine Kingdom Holding besitzt nach der Familie Murdochs das dickste Paket
       an News Corp Aktien, und auch Al Saud "vertraut der Führung von Rupert und
       James Murdoch", wie er die Welt per e-mail wissen lies.
       
       Ganz hilfreich mag dabei sein, dass das Gerumpel aus London in den anderen
       Teile von Murdochs Imperium noch gar nicht richtig angekommen ist. Seine
       rechtsaußen TV-Schleuder Fox News und ihre amerikanische Kundschaft
       beschäftigt der im fernen Britannien spielende Skandal ohnehin nur ganz am
       Rande. Fox ist mit der Untersützung der weiteren Haushaltsblockade zum Ruin
       der USA voll ausgelastet. Vorwürfe, man habe Telefone von 09/11-Opfern
       gehackt, werden empört zurückgewiesen - bislang gibt es auch tatsächlich
       keine belastbaren Hinweise.
       
       Die News York Post, Murdochs US-Version der Londoner Sun, feiert derweil
       den heldenhaften Einsatz seiner Frau Wendi Deng beim Rasierschaum-Attentat
       bei der dienstäglichen Ausschuss-Sitzung: "Sie gab ihm eine solche
       Ohrfeige, dass man es sogar in der TV-Liveübertragung klatschen hörte",
       freut sich das Blatt und schiebt nach, dass "Sekunden später die News Corps
       Aktie um 18 Cent nach oben schoss" - und so Dengs Ohrfeige für "330
       Millionen Dollar Shareholder Value" sorgte. Es war also in jeder Hinsicht
       ein guter Tag.
       
       In Asien, genauso wie im restlichen Europa - etwa bei Sky Italia - herrscht
       Grabesruhe. Allein in Großbritannien und Murdochs australischer Heimat
       schient es zu echten Konsequenzen kommen zu wollen. Doch auch hier muss man
       schon wieder mächtig Wasser in den Wein gießen: Australien könnte sich
       endlich ein Gesetz geben, dass die Privatsphäre schützt - that's it.
       
       Und der britische Premier David Cameron trommelt zwar laut für eine neue
       Medienordnung und weniger Medienkonzentration. Doch zum einen weiß mit
       Blick auf die weiteren Ermittlungen wohl niemand, wie lange Cameron sich
       noch hält. Schließlich war sein ehemaliger Regierungssprecher Andrew
       Coulson bei der News of the World zur Zeit der Hackings Chefredakteur. Zum
       anderen hat der konservative Regierungschef klar gemacht, dass die
       anstehenden Untersuchungen auch soziale Netzwerke und die BBC mit
       einbeziehen sollen. Der BBC warf er obendrein indirekt vor, zu mächtig und
       vor allem zu "links" zu sein. Mit raschen Ergebnissen ist also nicht zu
       rechnen - dafür umso mehr damit, dass die Konservativen hier ihr ganz
       eigenes politisches Süppchen in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk zu
       kochen gedenken, was wiederum den Murdochs gefallen dürfte.
       
       ## Da wäre auch noch der Sohn
       
       Wirkliche Gefahren drohen der News Coporation also nicht. Nur eins ist
       klar: Die Ära von Rupert Murdoch neigt sich dem Ende zu. Der 80-Jährige,
       der früher angeblich den Preis der Druckerschwärze bei jeder seiner über
       200 Zeitungen weltweit kannte, sah vor dem Parlamentsausschuss im ganz
       wörtlichen Sinn alt aus: Desorientiert, unsicher, vage. Für die Details
       hatte er Sohn James dabei, der seine Rolle gut gespielt und damit seinen
       Führungsanspruch gestärkt hat. Wenn Rupert nun demnächst - wie von manchen
       Investoren-Vertreten angeregt - das Amt des Vorstandschefs abgibt und sich
       mit der Rolle des Chairman begnügt, könnte dieser Wechsel die News Corp.
       sogar weit nach vorn bringen. Für die Übernahme der Verantwortung für
       Telefon-Hackings und andere Kalamitäten hat man ja seine Lieutenants.
       
       Dass beide Murdochs am Dienstag versicherten, Rebekah Brooks wie Les Hinton
       hätten mehr denn je ihr "vollstes Vertrauen", sollte hier nicht täuschen:
       Was nicht mehr zu halten ist, kommt weg, wie das Aus für die News of the
       World zeigt. Hier ist Rupert noch ganz im Vollbesitz seiner Kräfte - und
       zwischen Menschen und Zeitungen hat er noch nie einen Unterschied gemacht.
       
       21 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Grimberg
       
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