# taz.de -- Gleichgeschlechtliche Ehen in New York: "Es wird Gegenwind geben"
> Die Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe in New York ist bedeutend,
> sagt die New Yorker Anthropologin Dana-Ain Davis. An ein nationales
> Gesetz glaubt sie allerdings nicht.
IMG Bild: Darren Major (l.) und Andrew Troup wohnen in New York City, haben aber in Kanada geheiratet. Bis vor kurzem wurden Homosexuelle in New York nicht getraut.
taz: Frau Davis, New York hat - als bislang bevölkerungsreichster
Bundesstaat der USA - die gleichgeschlechtliche Ehe zugelassen. Wird das
die Sitten im Land verändern?
Dana-Ain Davis: Ich glaube nicht. Aber es wird immer mehr Gemeinden und
Bundesstaaten geben, die für die gleichgeschlechtliche Ehe eintreten.
Zugleich werden wir enorme Gegenbewegungen erleben.
Wird die Ehe das Leben von lesbischen und schwulen Paaren umkrempeln?
Es wird interessant, zu beobachten, ob daraus eine neue Normativität
entsteht. Auch die Frage ist spannend, welche Auswirkungen dieses Recht auf
andere Beziehungsentwürfe von homosexuellen Paaren hat. Ob beispielsweise
Paare, die nicht heiraten wollen, in Zukunft weiterhin die Möglichkeit
haben, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu schließen.
Das sind völlig neue Möglichkeiten.
Anthropologisch ist es interessant, zu beobachten, wie viele
unterschiedliche Formen von Unionen es gibt. Auch da, wo die Ehe verboten
ist. Die Sklaven hatten kein Recht auf Ehe, aber sie haben Rituale für
Hochzeiten und die Familie geschaffen. Und Schwule und Lesben haben
Zeremonien mit Ring-Tausch organisiert - lange bevor sie das legale Recht
auf Hochzeit hatten. Ohne Vertrag. Es war emotional.
Wie ist die Institution der Ehe in den vergangenen Jahren ins Zentrum der
Forderungen von Homosexuellen gerückt?
Es kommt oft vor, dass marginale kulturelle Milieus im Mainstream aufgehen
und dominante Ideen übernehmen. Damit verschwindet das Stigma des
Aussenseiters. Aber zugleich verschwindet der Widerstand, das Anderssein.
Es gibt Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle, die Beziehungen
haben wollen, die die dominierende Gesellschaft nachahmen. Inklusive der
Normen für Beziehungen. Wenn Menschen von etwas ausgeschlossen sind, das
salonfähig macht, begehren sie natürlich den Zugang dazu. Aber selbst wenn
das Thema Ehe eine Menge Platz beansprucht, gibt es weiterhin viele
Homosexuelle, die keine Ehe suchen. Und die Beziehungen ausserhalb der
heterosexuellen Normativität haben.
Das klingt, als gälte das auch für Sie.
Ich weiss nicht, ob ich heiraten werde. Aber es ist gut, dass es dieses
Recht auf Ehe gibt. Es ist eine Option. Keine Verpflichtung. Bis vor
einigen Jahren war ich allerdings gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
Warum?
Wegen der Gewalt gegen Lesben und Schwule. Ich war der Ansicht, dass die
Bewegung nicht die Ehe in den Mittelpunkt stellen konnte, während eine
Lesbe ermordet wird, weil sie sich öffentlich als solche zu erkennen gibt.
Ich fand es wichtiger, die Leute zu schützen.
Was hat Ihre Meinungsänderung bewirkt?
Dass ich gesehen habe, dass es möglich ist, simultan für die
gleichgeschlechtliche Ehe zu kämpfen und sich für die körperliche
Unversehrtheit von LGBT zu engagieren. Oder andere Fragen, wie die
ökonomische Gerechtigkeit für Homosexuelle zu verfolgen. Die Armut in der
Community ist so ein ganz wichtiges Thema in New York.
Wieso gelten für homosexuelle Beziehungen in Hawai und New York andere
Gesetze, als im Mittleren Westen?
Regionale Unterschiede spielen eine Rolle. Aber sie erklären nicht alles.
Es hängt sowohl von der politischen Lage in einem Bundesstaat, als auch von
der Stärke der LGBT- Bewegung ab. In New York kamen zwei Faktoren zusammen:
eine sehr starke LGBT-Bewegung und das erfolgreiche Zusammengehen
verschiedener Gruppen.
Neben Bürgerrechtsaktivisten haben sich auch konservative Lobbyisten von
der Wall Street in der Kampagne engagiert und viel Geld gespendet. Welche
Rolle hat das in New York gespielt?
Natürlich ist Geld wichtig. Aber zugleich steckt jede Menge Organisation
und Koordination hinter dem Gesetz. Der demokratische Governeur von New
York war sehr erfolgreich damit, ganz unterschiedliche Gruppen zusammen zu
bringen. Bei den Republikanern hingegen haben mindestens zwei Kandidaten
ihre letzte Wahlkampagne mit dem Slogan bestritten, dass sie niemals die
gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen würden.
Wie viel haben die Positionen zur gleichgeschlechtlichen Ehe denn heute
noch mit Parteizugehörigkeiten zu tun?
Nicht alle Republikaner - und nicht alle Demokraten - sind identisch. Bei
den Republikanern gibt es Gruppen, die für die gleichgeschlechtliche Ehe
eintreten und die gleichzeitig in sozialen Fragen sehr konservativ sind. Am
unwahrscheinlichsten ist die Unterstützung für gleichgeschlechtliche Ehen
bei fundamentalistischen Strömungen. Aber nicht alle Republikaner sind
Fundamentalisten.
Es sieht aus, als hätten sich viel mehr Männer für die
gleichgeschlechtliche Ehe engagiert. Sind Lesben weniger an diesem Gesetz
interessiert?
Männer stehen überhaupt in der vordersten Reihe. Unter anderem dort, wo die
politischen Entscheidungen gefällt werden. Auf den ersten Blick sieht es
aus, als wären insbesondere weisse Männer aus der Mittelschicht am
stärksten an der Ehe interessiert sind. Aber das entspricht nicht der
Realität. Es gibt jede Menge Lesben, die heiraten wollen. Und Schwule mit
niedrigen Löhnen, die nicht weiss sind, und die Einwanderer sind und die an
der Ehe interessiert sind.
Präsident Barack Obama hat sich vielfach gegen Diskriminierung von
Homosexuellen ausgesprochen. Er ist öffentlich gegen das Mobbing in Schulen
und Universitäten angetreten. Und er hat dafür gesorgt, dass die
Verpflichtung zur Heimlichtuerei von Homosexuellen in der Armee aufhört.
Aber zu der gleichgeschlechtlichen Ehe hat er sich immer noch keine Meinung
gebildet, sagt er. Warum ist er so zurückhaltend?
Zwar zeigen die Meinungsumfragen, dass die Mehrheit der Leute für die
gleichgeschlechtliche Ehe ist. Aber es gibt zahlreiche Spannungen und
sektiererische Strömungen im Inneren der Parteien. Der Präsident will alle
Amerikaner repräsentieren. Seine Strategie ist es, die
gleichgeschlechtliche Ehe jedem einzelnen Bundesstaat zu überlassen. Das
kann geschickt sein. Denn wenn er das Thema aufgreifen würde, gäbe es
starken Gegenwind.
In den USA wird es also kein nationales Gesetz geben, dass die
gleichgeschlechtliche Ehe zulässt?
Eine Bundesgesetzgebung über die gleichgeschlechtliche Ehe wird es vorerst
nicht geben. Sondern Kämpfe in jedem einzelnen Bundesstaat. Das ist anders
als Spanien, wo gerade 20 Jahre gleichgeschlechtliche Ehe gefeiert werden.
Wird es im kommenden Präsidentschaftswahlkampf um Forderungen der
Homosexuellen-Bewegung gehen?
Das hängt von der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage ab. Wenn die
Arbeitslosigkeit sinkt, ist es auch möglich, darüber zu reden.
In der Geschichte der USA gab es verschiedene große Momente von
Emanzipation: die Frauen, die Sklaven, die Afroamerikaner. Hat das, was
jetzt bei der gleichgeschlechtlichen Ehe passiert, dieselbe historische
Bedeutung?
Das Bürgerrecht, ein Individuum in der Gesellschaft auswählen zu können,
hat historische Bedeutung. Aber die Ehe schafft nicht die anderen
Diskriminierungen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen ab.
Die gesetzliche Gleichberechtigung von Frauen in den USA hat nicht zu
ökonomischer Gleichheit geführt. Und die Bürgerrechtsbewegung hat nicht
dafür gesorgt, dass schwarze Amerikaner denselben Zugang zu allen
Möglichkeiten haben. Paradoxerweise gibt es heute sogar mehr Segregation in
den Wohngebieten als vorher.
Immerhin haben Sie einen schwarzen Präsidenten.
Den haben wir. Und das bedeutet nicht, dass der Rassismus zuende ist.
17 Jul 2011
## AUTOREN
DIR Dorothea Hahn
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