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       # taz.de -- Porträt der US-Torhüterin: Solo für Hope
       
       > Sie ist besessen von ihrem Sport – und war es schon, als sie noch
       > stürmte: Hope Solo vom US-Team ist inzwischen eine der besten Keeperinnen
       > der Welt.
       
   IMG Bild: Fokussiert auf den Ball: US-Torfrau Hope Solo
       
       BERLIN taz | Paul Rogers kennt keine Gnade. Der Torwarttrainer des US-Teams
       drischt auf die Bälle, als wolle er Hope Solo ein Loch in den Bauch
       schießen. Aber Solo ist nicht besonders beeindruckt von der Kanonade des
       Coaches. Fischt die Bälle weg, tänzelt wie ein Springinsfeld auf der Linie
       und taucht ab, um sich einen Schuss zu schnappen. Die Geschosse können ihr
       nichts anhaben.
       
       Später, nach der Übungseinheit, als die Spielerinnen mit Journalisten
       sprechen, fragt man sich, wie diese doch eher zierliche Frau mit den
       Mandelaugen den Olli Kahn machen konnte: kompromisslos, fokussiert und
       knallhart.
       
       Und das, obwohl ihr rechtes Schultergelenk von den vielen Paraden in ihrer
       Karriere arg ramponiert ist. Im Vorjahr wurde sie operiert, zehn Schrauben
       wurden implantiert. „Ich musste viel arbeiten und viele Schmerzen
       überstehen, aber jetzt bin ich gut drauf“, sagt sie der taz. Sie hat im
       Turnierverlauf klasse gehalten, auch wenn sie gegen Schweden zwei Tore
       kassieren musste. Aber was kann man schon gegen einen abgefälschten
       Freistoß und einen Elfmeterkracher ausrichten?
       
       ## Vorgezogenes Endspiel
       
       Am Sonntag wird es auf die 29-jährige ankommen. Team USA trifft im
       Viertelfinale im eigentlich vorgezogenen Endspiel auf Brasilien
       (10.7.,17.45 Uhr, ARD). Ausgerechnet Brasilien. Auf den Favoriten. Man
       denkt unweigerlich an die WM 2007. Da spielte das US-Team im Halbfinale
       gegen die Südamerikanerinnen. Ohne Solo. Coach Greg Ryan hatte sie aus dem
       Tor genommen und durch die zehn Jahre ältere Briana Scurry ersetzt. Solo
       hatte zwar in der Vorrunde im Spiel gegen Nordkorea gepatzt, aber Ryans
       Entscheidung traf Solo trotzdem wie ein Schlag.
       
       0:4 ging die Partie gegen Brasilien verloren, was Solo zum Anlass nahm,
       über Ryan und Scurry herzuziehen. Behauptete, sie hätte die Gegentore
       verhindern können, wenigstens ein paar davon. Solos Wutausbruch kam nicht
       gut an im US-Team. Zum Kodex dieser Gruppe gehörte es, in der
       Öffentlichkeit nicht schlecht über Kolleginnen zu sprechen. Solo hatte ein
       Tabu gebrochen. Wie Furien stürzten sich die Leaderinnen im Team, Kristine
       Lilly und Abby Wambach, auf Solo.
       
       Sie wurde exkommuniziert, durfte die Bronzemedaille nicht entgegen nehmen
       und auch nicht im Teamflieger nach Hause düsen. Ryan spielte dabei eine
       unrühmliche Rolle. Er heizte, wie es im Blog „American Arena“ heißt, eine
       „Psychoterror-Stimmung in der Mannschaft an“ – gegen Solo.
       
       ## „Eine harte Zeit“
       
       Die Torfrau war am Boden zerstört. Nicht nur, dass ihr Vater vorm
       WM-Turnier in China an einer Herzattacke gestorben und ein Freund bei einem
       Autounfall ums Leben gekommen war, nun musste sie auch noch damit leben,
       als Nationalspielerin unerwünscht zu sein. „Das war eine harte Zeit
       damals“, sagt sie, „aber das ist vier Jahre her.“ Sie bedauere jedoch
       nichts. „Ich habe damals gesagt, was zu sagen war. Ich war, glaube ich, in
       einer guten Form. Aber das alles beschäftigt mich heute eigentlich nicht
       mehr.“
       
       Torhüter müssen verdrängen können. Diese Art der Psychohygiene ist in der
       Branche der Fänger und Fischer, die in der Öffentlichkeit stets besonders
       hart beurteilt wird, unerlässlich. Was Solo in einen hinteren Winkel ihres
       Unbewussten verstaut hat, hätte eine andere womöglich umgehauen. Und damit
       ist nicht nur der Rauswurf gemeint.
       
       Ihr Vater Jeffrey, ein Vietnam-Veteran, nimmt Solo, sie ist sechs Jahre
       alt, und ihren Bruder Marcus nach einem Ehestreit mit nach Seattle. Die
       Polizei fahndet nach ihm wegen Kindesentführung. Nach Tagen wird er
       verhaftet, die Kinder sind Zeugen des Dramas. Nach der verbüßten Strafe
       kommt Jeffrey Solo nicht mehr auf die Beine. Schlägt sich als Obdachloser
       in Boston und New York, später in den Wäldern Washingtons an der Westküste
       durch, wechselt zweimal den Nachnamen und lässt Hope glauben, das habe mit
       einem Zeugenschutzprogramm zu tun. Doch er ist es, der die Leidenschaft für
       den Fußball in ihr weckt. Abgerissen wie er ist, lässt er sich kaum eines
       ihrer Spiele für die Richland Highschool Bombers entgehen.
       
       Seinerzeit spielt Solo noch auf dem Feld, schießt 109 Tore für die Bombers.
       Mit 17 will sie weg von zuhause, weit weg an die Ostküste. Doch sie bleibt.
       Auch wegen des Vaters, dem sie später, nach dessen Tod, das WM-Turnier 2007
       widmet: „Ich habe nur für ihn gespielt.“
       
       ## „Ich bin stolz auf meine Entscheidungen“
       
       Erst 1999 als „Huskie“ der Universität von Washington entscheidet sie sich
       fürs Tor. Sie hat lange gezögert, denn „im Tor standen ja eigentlich immer
       nur die Dicken und Unsportlichen, und ich wollte immer stürmen, ich wollte
       ja nie ins Tor“. Wegen ihrer Athletik habe sie sehr schnell Fortschritte
       zwischen den Pfosten gemacht. „So wie ich das Torwartspiel ausgelegt habe,
       war ich meiner Zeit voraus.“ Es ging um Reaktionsschnelligkeit, flinke
       Fußarbeit und Fitness. Das war neu im Frauenfußball. „Heute bin ich stolz
       auf meine Entscheidung von damals.“
       
       Hope Solo ist aus der aktuellen Elf nicht wegzudenken. Das hat sie Pia
       Sundhage zu verdanken, der Trainerin aus Schweden. Sundhage, 51, hatte von
       „dieser Geschichte um Hope Solo“ natürlich gehört, damals, als sie das Amt
       von Ryan übernahm. „Ich musste mich mit der Sache beschäftigen, denn es war
       ja so viel passiert“, erzählt sie der taz. „Ich konnte die Spielerinnen
       nicht darum bitten, das Ganze zu vergessen. Ich habe sie jedoch gebeten,
       ihr zu vergeben und nach vorne zu schauen.“
       
       Denn wenn man auf höchstem Niveau Spiele gewinnen wolle, müsse man das
       zusammen tun. „Und Hope Solo ist eine sehr gute Torhüterin, eine der
       besten, denke ich.“ Solo kam zurück, wurde anfangs allerdings wie eine
       Aussätzige behandelt. Lächelnd absolvierte sie den Spießrutenlauf. „Fake it
       till you make it“, das war ihr Motto. Und siehe da: Team USA wurde 2008 in
       Peking Olympiasieger.
       
       „Es hat sich seitdem viel verändert im Team“, sagt sie. „Wir haben eine
       tolle Trainerin und eine andere Dynamik in der Mannschaft.“ Sie sei nun
       definitiv kein „Outcast“ mehr. Hope Solo wird am Sonntag gegen Brasilien im
       Tor stehen, so viel ist sicher. Sie ist die Nummer 1.
       
       10 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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