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       # taz.de -- Sportwetten im Café King: Die Unberechenbaren
       
       > Milan Sapina liebt das Zocken und riskiert dafür sogar den Knast. Ein
       > Hintergrundgespräch mit dem Wettexperten im Café King, dem berühmtesten
       > Wettlokal Deutschlands.
       
   IMG Bild: Beim Frauenfußball weiß man nie, wie viele Tore geschossen werden, meint Wettkönig Milan Sapina
       
       BERLIN taz | Regen prasselt auf die ausladenden Jalousien des Café King,
       der berühmt berüchtigten Wettzentrale in der Nähe des Kurfürstendamms. Zwei
       ältere Herren aus England sitzen vor einem Laptop und schauen sich die
       Europameisterschaften im Bridge an. Auf einem „XLive“-Wettterminal laufen
       die neuesten Fußballquoten ein.
       
       Ein Pärchen, sie blondiert, er mit Berliner Schnauze, diskutiert über
       Frauenfußball. „Also, ich finde, das sieht nicht gut aus“, sagt sie. „Aber
       sie sind zweimal hintereinander Weltmeister geworden“, sagt er. „Na und?“,
       erwidert seine Begleitung. Als Milan Sapina den Laden betritt, wird die
       Fachsimpelei abrupt beendet. Sapina bittet in die Raucherlounge, in der
       sofort ein Beckham-Trikot ins Auge fällt, was hinter Glas an der Wand
       hängt: Nummer 7, England gegen Argentinien am 7. Juni 2002, Beckham hat das
       WM-Leibchen signiert.
       
       Vor neun Jahren war die Welt von Ante und Milan Sapina, den kroatischen
       Zockerbrüdern, noch in Ordnung. Doch seitdem haben zwei Wettskandale die
       Sapinas und das Café King durchgeschüttelt. Ante, der amtlich beglaubigte
       „pathologische Spieler“, wurde verurteilt, einmal und ein zweites Mal auch.
       Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug, so lauteten die Urteile der Gerichte in
       Berlin und Bochum. Milan, der Ältere von beiden, der lediglich eine
       Bewährungsstrafe erhielt, hat über sechs Monate in U-Haft gesessen, „völlig
       zu Unrecht“, wie er sagt. Jetzt ist er auf freiem Fuß, so wie Bruder Ante
       derzeit auch, obwohl die Revision läuft.
       
       ## Riecher und Späher
       
       Im Laufe des Gesprächs schlendert Ante an unserem Tisch vorbei, hinein ins
       schummrige Café King. Er sieht immer noch so jungenhaft aus wie in Zeiten
       des Berliner Prozesses. Wettbetrüger hat man sich immer anders vorgestellt:
       verschlagener, mafiöser, gefährlicher. Auch Milan Sapina ist mehr der
       Kumpeltyp, der einen nach anderthalb Stunden nicht gehen lassen will und
       noch zu einem Bier einlädt.
       
       Diese Zocker wetten doch auf alles. Auch auf Frauenfußball? „Ich scheue
       mich, auf Frauenfußball zu setzen“, gesteht Milan Sapina und nippt an
       seiner Apfelschorle. „Das ist unberechenbar. Man weiß nie, wie viele Tore
       die schießen.“ Er sei froh, dass er in diesen Tagen kein Buchmacher sei,
       der die Quoten für die Frauen-WM-Spiele festlegen muss.
       
       Auf den Monitoren des Cafés läuft eine Sitcom auf Viva, kein Frauenfußball,
       obwohl Sapina das behauptet hatte, als wir telefonisch den Gesprächstermin
       vereinbarten. Nur die deutschen Spiele werden im Café King gezeigt, kein
       Spiel der Schwedinnen gegen Nordkorea, keine US-Girls gegen Kolumbien.
       Dafür: „Sabrina, total verhext“.
       
       Man braucht nicht lange, um zu begreifen, dass Milan Sapina kein großer
       Freund des Frauenfußballs ist. „Viel zu unbedeutend, viel zu klein“, sagt
       er. „Das ist nichts“, und er macht dabei ein Gesicht, als ob er auf eine
       Zitrone gebissen hat. Seine Vorbehalte haben ihn aber nicht davon
       abgehalten, in seiner langen Zockerkarriere auch auf Frauenfußballspiele zu
       setzen. „Das ist länger her, das war vor dem zweiten Skandal“, sagt er.
       Aktuell habe er nicht gewettet, was aber nicht heißt, dass er seine Chancen
       nicht taxieren würde.
       
       Bei den Spielen der Deutschen habe er nämlich „etwas gesehen“. Die Brüder
       haben, und darauf sind sie stolz, „einen Riecher“, eine Mischung aus
       Insiderwissen, Intuition und innerer Getriebenheit. Milan Sapina hätte
       darauf gewettet, dass Kanada nicht mit drei Toren Unterschied verliert und
       Nigeria nicht mit 2 bis 3 Toren. Mit den Tipps hätte er richtig gelegen.
       Pech gehabt, Chance verpasst.
       
       Es gehe immer darum, erklärt er, für den Wetter günstige Quoten zu
       entdecken. Dabei sei es egal, ob es sich um Tennis, Curling oder
       Frauenfußball handle. Nur die Quote zählt. Man müsse weltweit und in
       mühevoller Kleinarbeit die Zahlen verschiedener Anbieter durchforsten. Mit
       ein bisschen Glück hat ein Buchmacher den Favoriten vertauscht, sagt
       Sapina. Das bedeutet, dass die Chancen nicht mehr nur fifty-fifty stehen,
       sondern durch die Schludrigkeit des Wettanbieters bei 55 zu 45 für den
       Zocker. Das Wettgeschäft ist ein Rennen, bei dem es um Wissensvorsprung
       geht.
       
       ## Schlechtes Geschäft
       
       Sapina setzt auf diese „erspähten“ Spiele. Langfristig sichere das den
       Erfolg, sagt er. „20 Prozent plus, das war immer mein Ziel.“ In der Branche
       der Sapinas geht es ähnlich zu wie früher beim Devisenhandel an der Börse:
       Als die Börsenplätze noch nicht so gut vernetzt waren, konnten findige
       Händler bessere Kurse in Tokio als in Paris finden.
       
       In Sapinas Ausführungen hinein platzt eine kinderreiche kroatische Familie
       aus Mülheim an der Ruhr. Sie wollen „das bekannteste Café Deutschlands“
       sehen und natürlich dessen prominenten Eigentümer. Der windet sich erst und
       weist die Bedienung an: „Ach, bring denen ein paar Bonbons und
       Café-King-Kugelschreiber, was soll ich mit den Kindern anfangen?“ Er
       kümmert sich dann aber doch für fünf Minuten um seine Fans. Muss er auch.
       Die Geschäfte in Café gehen nicht mehr so gut wie früher, als noch die
       halbe Mannschaft von Hertha BSC und der Schiedsrichter Robert Hoyzer hier
       zechten.
       
       Es ist halt nicht mehr so wie früher. Die Sapina-Brüder seien dämonisiert
       worden, beschwert er sich, es sei „viel Dreck, viel Unwahres“ geschrieben
       worden. „Wen, frage ich Sie, haben wir denn geschädigt?“ Sie hätten
       allenfalls einen moralischen Schaden angerichtet, mehr nicht, findet er.
       Die Gerichte haben das anders gesehen. „Aber wir wollten uns ja über
       Frauenfußball unterhalten, oder?“, sagt Milan Sapina. „Na ja, wie schon
       gesagt, nicht so mein Ding.“
       
       4 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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